„15 Millionen sind eine ansehnliche Summe“
„Landshut“-Museum wird laut Verantwortlichem Thomas Krüger frühestens 2023 eröffnet
FRIEDRICHSHAFEN - Nach jahrelangem Hickhack um Geld und Zuständigkeiten ist in die Debatte um die künftige Nutzung der ehemaligen Lufthansa-Boeing „Landshut“Bewegung gekommen. Auf Initiative des Biberacher SPD-Abgeordneten Martin Gerster hat der Bundestag 15 Millionen Euro für ein Demokratie-Museum in Friedrichshafen bereitgestellt. Das Flugzeug war 1977 von linken Terroristen entführt und der GSG 9 befreit worden und gilt als Symbol der Wehrhaftigkeit der Bundesrepublik. Die Federführung für das Ausstellungsprojekt hat jetzt die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), deren Präsident Thomas Krüger (Foto: bpb) im Gespräch mit Martin Hennings verrät, in welche Richtung die konzeptionellen Überlegungen gehen, ob das Budget ausreichen wird und wann frühestens mit einer Eröffnung zu rechnen ist.
Die Bundeszentrale für politische Bildung kam beim „Landshut“Projekt ja eher unvermittelt ins Spiel. Seit wann wissen Sie, dass Sie an Bord sind? Und freuen Sie sich über die Aufgabe?
Wir wissen das erst seit dem entsprechenden Beschluss des Haushaltsausschusses im November 2020. Es war eine große Überraschung, aber wenn man das ganze Vorhaben vor allem als Thema der Vermittlung, der politischen Bildung begreift, dann ist es ja fast mit den Händen zu greifen, dass die Bundeszentrale für politische Bildung hier eine Rolle spielen kann. Und natürlich freuen wir uns auf die Herausforderung, gerade in einer Zeit, in der die Demokratie so herausgefordert ist. Ich sage nur USA, Sturm auf den Reichstag oder die Debatten rund um die Corona-Beschränkungen.
Was soll entstehen: ein Gedenkort, ein Lernort, ein historisches Museum, ein Ort auch für Auseinandersetzung mit aktuellen Themen?
Zunächst mal: Politische Bildung braucht eigentlich keinen festen Ort. Wir erkennen aber schon den besonderen Wert, den ein außergewöhnlicher Ort hat. Und die „Landshut“ist sicher ein auratischer Ort. Was wir sicher nicht wollen, das ist Voyeurismus oder Erlebnistourismus. Wichtig ist die Kontextualisierung, die Einbindung des zu Zeigenden in größere politische und historische Zusammenhänge. Historisch-politische Bildung braucht immer einen Anker in der Gegenwart. Außenminister Heiko Maas (SPD, die Red.) hat ja unlängst einen Reflexionsprozess innerhalb der Demokratien angeregt, um sie besser zu schützen. Das ist ja das Ziel aller politischen Bildung: dass die Lernenden am Ende selbst für eine demokratische Gesellschaft aktiv werden.
Welche Rolle soll das Flugzeug selbst in der Ausstellung spielen?
Eine zentrale Rolle, aber keine ausschließliche. Wir brauchen natürlich weitere Ausstellungsobjekte und Reflexionsangebote. Und dafür sollten wir alle Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um die verschiedenen Geschichten der „Landshut“zu erzählen, zu kontextualisieren und zu interpretieren. Die Restaurierung der „Landshut“sollte deshalb zügig angegangen werden.
Was ist passiert, seit die bpb im Spiel ist?
Wir haben erste Vorüberlegungen angestellt und viele Gespräche geführt mit vielen Akteuren: zur Standortfrage, mit Zeitzeugen, mit historisch Interessierten. Ich habe da viel Aufgeschlossenheit gespürt und den Wunsch, der ganzen Geschichte jetzt eine gute Richtung zu geben.
Ist denn Friedrichshafen für das „Landshut“-Projekt gesetzt?
Es sind immer noch viele Möglichkeiten im Gespräch: St. Augustin, Stammheim, Berlin, Potsdam. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat jetzt aber schon eine Richtung vorgegeben. Ministerien und Behörden sind daran gebunden. Was wir nun brauchen, ist eine zügige, sinnvolle und überzeugende Standortlösung. Gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium werden wir deshalb zeitnah initiativ werden.
Wie sehen die weiteren Schritte aus?
Wir arbeiten an einer Prioritätenliste. Dann müssen wir die Realisierung strukturieren, auch wie wir alle möglichen Akteure beteiligen. Wir müssen Ausstellungsgegenstände beschaffen und – zum Beispiel über Expertenworkshops – am Konzept für den Bildungsort arbeiten.
Wann ist die Eröffnung geplant?
Dazu kann ich natürlich derzeit nichts Konkretes sagen, aber realistischerweise kaum vor 2023.
Wird das Budget von 15 Millionen Euro ausreichen?
Wir sind im Bereich der politischen Bildung nicht so verwöhnt, was die finanzielle Ausstattung anbetrifft und Sparsamkeit gewöhnt. Und 15 Millionen Euro – das ist eine ansehnliche Summe. Das muss also erst mal reichen. Alles, was dann möglicherweise noch kommt, muss die Politik entscheiden. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat ein starkes politisches Signal gesetzt. Da sollten wir jetzt nicht gleich danach schon wieder das Säckel aufmachen.
Wer wird das Museum tragen?
„Museum“ist vielleicht nicht die passende Kategorie. Ich würde eher von einem Lern- und Vermittlungsort sprechen. Die Trägerschaft ist eine spannende Frage. Eine Stiftung vielleicht oder ein Verein, möglicherweise gibt es auch eine Kooperation mit einer Institution des Landes, zum Beispiel dem Haus der Geschichte Baden-Württembergs. Die bpb wird sicher nicht als Trägerin auftreten, weil wir so einen vierten Standort schaffen würden, was nicht vorgesehen ist. Denkbar ist aber natürlich, dass wir den Projektträger dauerhaft unterstützen im Bereich der politischen Bildungsarbeit.
In Friedrichshafen sind nicht alle Anhänger des „Landshut“-Projekts. Wie wichtig ist die Stimmung vor Ort für das Vorhaben?
Die Haltung der Stadt und ihrer Bürgerschaft spielt für uns natürlich schon eine Rolle. Friedrichshafen war immer eine Stadt der Luft- und Raumfahrt. Vor diesem Hintergrund passt die „Landshut“schon hierher, denke ich. Vielleicht sollten Stadt und Region das Thema weniger unter Finanz- oder Marketinggesichtspunkten betrachten, sondern das Projekt als Chance begreifen, Geschichte vor Ort in all ihren Verästelungen erlebbar zu machen.
Es besteht nach wie vor die Angst, dass Friedrichshafen am Ende die Zeche zahlt. Was passiert denn mit den laufenden Kosten des Lernund Vermittlungsorts nach Ablauf der jetzt finanziell gesicherten zehn Jahre?
Wir werden ganz sicher nichts auf den Weg bringen, was der Stadt in irgendeiner Form zur Last fallen wird. Es handelt kein Privatunternehmen, hier agiert die Bundesrepublik Deutschland. Die lässt doch so ein Projekt nach zehn Jahren nicht fallen wie eine heiße Kartoffel. In zehn Jahren wird man genauer wissen, was die konkreten Bedarfe für einen dauerhaften Betrieb sind und neu entscheiden. Was hier passiert, das ist eine öffentliche Aufgabe. Natürlich werden wir in Friedrichshafen mit allen Beteiligten sprechen. So ein Projekt funktioniert nur, wenn es Vertrauen gibt. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat seit 1952 ganze Generationen beim Thema politische Bildung begleitet. Wir sind sicher kein unsteter Weggenosse.