Die letzten Rätsel der RAF
Erddepot in Niedersachsen entdeckt – Fahndung nach drei Ex-Terroristen läuft weiter
SEEVETAL/HELMSTORF (dpa) Waldarbeiter haben nahe Seevetal in Niedersachsen in einem Erddepot möglicherweise Hinterlassenschaften der linksterroristischen RAF gefunden. In einem im Wald vergrabenen Kunststoff-Fass lagen unter anderem Schriftstücke aus den 1980erJahren und Behälter mit noch unbekannten Flüssigkeiten, wie das Landeskriminalamt Niedersachsen mitteilte. Wegen des Alters der Funde sei nicht davon auszugehen, dass sich Hinweise auf die gesuchten ExRAF-Terroristen Ernst Volker Staub, Burkhard Garweg und Daniela Klette ergeben werden, sagte eine LKASprecherin am Sonntag.
„Wir können es aber nicht komplett ausschließen“, betonte sie. Zunächst würden die Spuren gesichert und geprüft, ob es Verbindungen zu anderen Strafverfahren gebe. Nach erster Bewertung des gefundenen Schriftmaterials sei ein Bezug zur RAF nicht auszuschließen, die Inhalte ließen vermuten, dass das Erddepot vor Jahrzehnten angelegt worden sei. Waffen wurden nicht gefunden.
Wie DNA-Spuren belegen, waren Staub, Garweg und Klette 1993 am Bombenanschlag auf die neue Justizvollzugsanstalt Weiterstadt in Hessen beteiligt. Sie werden von Experten zur letzten, sogenannten dritten Generation von RAF-Terroristen gezählt. Dieser Generation werden unter anderem die Morde an DeutscheBank-Chef Alfred Herrhausen 1989 und am Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder 1991 zur Last gelegt. 1998 erklärte sich die RAF für aufgelöst.
Die Taten von Staub, Garweg und Klette seitdem haben nach Ansicht der Behörden mit linkem Terror nichts mehr zu tun. Es gehe darum, sich Geld für das Leben im Untergrund zu beschaffen. „Heute ist das Altersvorsorge oder Altersversorgung“, sagt auch Peters. Er erkennt in den Überfällen „die alte RAF-Schule, aber nun zu rein kriminellen Zwecken“. Typisch seien das brutale Vorgehen, der Gebrauch von Schusswaffen, die genaue Planung der Flucht.
Zwölf Raubüberfälle zwischen 1999 und 2016 ordnet das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen dem Trio zu. Ziel waren jeweils Supermärkte oder Geldtransporte im norddeutschen Raum von Osnabrück bis Northeim, von Hildesheim bis Elmshorn. Die Täter kauften Wochen vorher gebrauchte Autos, setzten am Tatort Schusswaffen ein, flohen und fackelten später die Fluchtautos ab. Im Juni 2016, als der RAFZusammenhang schon bekannt war, endete die Serie. Die Beute in Cremlingen bei Braunschweig: 600 000 Euro.
Danach – und das ist viereinhalb Jahre her – habe sich die Spur der Gesuchten verloren, teilte das LKA in Hannover mit. Der Umkreis der Taten legt ein Versteck in Norddeutschland nahe, es gab auch Spuren in die Niederlande. Doch das LKA will über den Aufenthaltsort nicht spekulieren und auch nicht darüber, ob das Trio sich auf andere Wege der Geldbeschaffung verlegt hat. Nach der europaweiten Fahndung vom Mai 2020 seien 206 Hinweise eingegangen, sagt sie. „Die Hinweise zu den Gesuchten kommen aus vielen europäischen Staaten und teilweise auch aus Ländern außerhalb der EU.“Allen Hinweisen werde nachgegangen, ein abschließendes Ergebnis gebe es nicht.
Die Rote-Armee-Fraktion (RAF) kämpfte mehr als 20 Jahre mit Gewalt gegen das angeblich „imperialistische System“der Bundesrepublik.
Von 1971 bis 1993 töteten Terroristen 34 Menschen, darunter auch Repräsentanten von Wirtschaft und Politik wie Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Die RAF verkündete im April 1998 nach 28 Jahren ihre Auflösung.
Das jetzt von Waldarbeiter bei Baumschnittarbeiten gefundene Depot sei vermutlich rund 40 Jahre alt, sagte die LKA-Sprecherin. Ein mobiles Laborteam des LKA Niedersachsen überprüfte den Inhalt des Fasses auf gefährliche Stoffe. Fest stand danach: Gefahr ging von den Flüssigkeiten nicht aus. Aber um welche Flüssigkeiten es sich handelte, war zunächst noch unklar. Neue Erkenntnisse seien lautz LKA auch nicht kurzfristig zu erwarten.
Über die gefundenen Schriftstücke – also etwa die Menge oder den Inhalt – gab das LKA zunächst keine Auskunft. „Es sind Beweismittel, die ins kriminaltechnische Institut gebracht werden, um Spuren zu sichern“, sagte eine Sprecherin am Samstagabend. Teile kamen auch für weitere kriminaltechnische Untersuchungen zur Polizei Harburg. Möglicherweise seien noch DNA oder Fingerabdrücke nachweisbar. Das Waldgebiet um den Fundort herum wurde weiträumig nach weiteren Depots durchsucht.