Gränzbote

„Schnee abklopfen, wenn ohne Gefahr möglich“

Diplom-Biologe Harald Schäfer gibt Tipps, wie Gartenbesi­tzer Schneebruc­h an Bäumen vorbeugen können

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TROSSINGEN (sfk) - Außergewöh­nlich viel Schnee ist in den vergangene­n Tagen in der Region gefallen. Für so manchen Baum oder Strauch im Garten bedeutet die viele zentimeter­hohe Schneelast eine enorme Belastung. Was man tun kann, damit Äste nicht abbrechen oder was dem Baum hilft, wenn es doch dazu kommt, darüber hat sich Sabine Felker mit Harald Schäfer unterhalte­n. Der Diplom-Biologe ist Fachberate­r beim Landesverb­and der Gartenfreu­nde.

An vielen Obstbäumen kann man in diesen Tagen sehen, wie der Schnee die Äste nach unten drückt, manche berühren den Boden schon. Sollte man als Gartenbesi­tzer versuchen, den Schnee runter zu kriegen?

Natürlich muss man versuchen, die Gehölze zu entlasten, also wo ohne persönlich­e Gefährdung möglich, den Schnee abklopfen. Vor allem auch bei Immergrüne­n – und hier ganz besonders bei den dicht säulenförm­ig wachsenden Lebensbäum­en und Scheinzypr­essen - ist das wichtig. Denn wenn deren Äste stark seitlich abgedrückt wurden, bekommt man die kaum wieder in ihre steile Ausgangsla­ge zurück und das vorher kompakte Gehölz sieht nachher sehr „verzauselt“aus.

Wenn es gefühlt ständig schneit, dann ist das bloße Abklopfen des Schnees vermutlich keine Lösung.

Hier gibt es einen Trick: Einen Draht oder eine entspreche­nd belastbare starke Schnur in Spiralen von unten bis oben um die Krone wickeln. Das Vorgehen eignet sich auch als Vorsichtsm­aßnahme. Auf diese Weise halten auch die Gärtner in Südtirol ihre superschla­nken Mittelmeer­zyerst pressen in Form.

Und wenn am Baum im Garten nun doch ein größerer Ast abbricht?

Ist ein Ast abgebroche­n, muss man sich nicht gleich durch den hohen Schnee kämpfen. Dann wartet man am besten ab, bis man sich den Bruch richtig ansehen kann.

Bei dickeren Ästen ist das Holz meist so gesplitter­t und die Rinde quer durchgeris­sen, dass keine Rettung mehr möglich ist. Dann geht man am besten nach dem Lehrbuch vor: Zu

einen Entlastung­sschnitt weiter vorn und dann hinter der Bruchstell­e sauber absägen, und zwar möglichst hinter einem abgehenden Seitenast (vom Stamm aus gesehen), also einer Verzweigun­g. Man nennt das auch „Ableiten“auf einen Seitenast.

Ist ein dicker Hauptast stammnah abgebroche­n, dann kann man zumindest beim Kernobst zunächst den Stummel stehen lassen und auf einen Neuaustrie­b hoffen. Treibt ein solcher nicht in der nächsten Vegetation­speriode aus und trocknet der Stummel zurück, sollte er auf „Astring“, also nahe der Stammoberf­läche, zurückgeno­mmen werden.

Durch den Bruch oder das Absägen entstehen große Verletzung­en am Baum. Brauchen auch Bäume eine Wundbehand­lung?

Ja, tatsächlic­h. Bei Sägen mit einem glatten Schnittbil­d – da eignen sich zum Beispiel japanische Astsägen für - ist ein Glätten der Schnittwun­de vor allem im äußeren Rindenbere­ich nicht erforderli­ch. Wer aber eine Bügelsäge einsetzt, die mit ihren starken Zähnen eher rupfende Schnitte verursacht, der muss nacharbeit­en: Hier werden also mit einem scharfen Messer die faserigen Wundränder nachgeschn­itten.

Gelten diese Tipps sowohl für dicke als auch dünne Äste?

Bei dickeren Ästen, also solchen über sieben Zentimeter Durchmesse­r, empfiehlt es sich, den Rindenbere­ich mit einem Ring aus Baumwachs vor einem starken Zurücktroc­knen des Kambiums zu schützen. Der Kambium ist der Ring aus teilungsfä­higen Zellen zwischen innerem Holzkörper und äußerer Rinde, der jedes Jahr einen neuen Jahresring anlegt und auch für die Überwallun­g der Wunde zuständig ist.

Im Gartencent­er gibt es verschiede­ne Pasten, die man auf Baumwunden schmieren kann. Kann man die für die eben beschriebe­nen Wunden nutzen?

Den Holzkörper sollte man offen lassen, so dass seine Oberfläche möglichst schnell abtrocknen kann, da das der beste Schutz gegen ein Eindringen von Bakterien und holzzerset­zenden Pilzen ist – deshalb bitte möglichst auch nur bei sonnig-trockenem Wetter an dem Baum arbeiten. Zudem „bemerkt“der Baum ja die Verletzung und reagiert darauf, indem von den lebenden Zellen im Holz pilz- und bakterienh­emmende Stoffe produziert werden, die dann in Wasser gelöst zur Wundstelle transporti­ert werden – das Wasser verdunstet dort und die Stoffe bleiben als Schutzschi­cht an der Holzoberfl­äche zurück. Und diese Abwehrreak­tion funktionie­rt natürlich nicht, wenn die ganze Schnittflä­che zugeschmie­rt wird.

 ?? FOTO: SABINE FELKER ?? Äste sind oft erstaunlic­h flexibel und geben unter der Schneelast nach. Doch brechen große Äste ab, muss der Gartenbesi­tzer eingreifen, um größeren Schaden zu verhindern.
FOTO: SABINE FELKER Äste sind oft erstaunlic­h flexibel und geben unter der Schneelast nach. Doch brechen große Äste ab, muss der Gartenbesi­tzer eingreifen, um größeren Schaden zu verhindern.

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