Alterswohnsitz diente dem Blick auf das Lebenswerk
Serie „Trossingens schönste Gebäude“: die Villa Hohner – markantes Beispiel einer Fabrikantenvilla
TROSSINGEN (hoc) - Im ersten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts sind in Trossingen einige prächtige Fabrikantenvillen entstanden. Ein markantes Beispiel ist die HohnerVilla, unmittelbar am Hohner-Areal gelegen. Ihre Jugendstil-Elemente entzücken auch 120 Jahre nach dem Bau den kunsthistorisch interessierten Betrachter.
Allein die herrliche Ornamentierung der Fenster an der seitlichen Front des stattlichen Gebäudes lässt immer wieder minutenlang auswärtige Besucher verweilen – Prächtigeres als dieser Anblick lässt sich in Trossingen schwerlich ausmachen.
Vor rund 120 Jahren entstanden in dem zuvor landwirtschaftlich geprägten Trossingen mehr als zwei dutzend derartiger Villen. Auslöser war der Ende des 19. Jahrhunderts einsetzende industrielle Boom der Musikstadt durch den Instrumentenbau. Erfolgreiche Trossinger Fabrikanten ließen repräsentative Villen errichten. Zu den ersten zählte der Gründer des bekanntesten Trossinger Unternehmens, Matthias Hohner. In den Jahren 1899/1900 wurde die Hohner-Villa gebaut – wie auch andere Fabrikantenvillen in direkter Nachbarschaft zum Unternehmen. Der Seniorchef und dessen Gattin Anna wollten sie als Alterswohnsitz nutzen – mit direktem Blick auf sein Lebenswerk.
Wie unter anderem auch das Trossinger Rathaus spiegelt sich in der Villa Hohner der seinerzeit vorherrschende Architekturstil des Historismus wider: Dieser verknüpfte Baustile vergangener Jahrhunderte und Jahrzehnte zu nicht immer gelungenen Lösungen. Nicht wenige Architekturexperten rümpfen die Nase ob der Resultate jenes StilMischmaschs. Gleichwohl erfreut die Optik der damals entstandenen Gebäude heute im Vergleich zu all den Bausünden, die im Lauf des 20. Jahrhunderts noch begangen werden sollten.
Ins Auge fallen laut Stadtarchivar Matthias Häffner vor allem die Holzarbeiten an der Außenfassade sowie die Jugendstil-Buntglasfenster der Erker und der südlich angebauten Veranden. Auch im Inneren der Villa zeigt sich der Einfluss der Jahrhundertwende: Die floralen Stuckmotive sind im damals vorherrschenden Jugendstil gehalten.
Die Trossinger Zeitung berichtete am 22. September 1900 über die „Geschäftsübergabe-Feier der Firma Matth. Hohner Harmonikafabrik“. In dem Artikel wurde auch die Villa Hohner erwähnt: Ein Buchhalter namens Stoll wünschte der Ehefrau des Firmengründers glückliche Jahre „in ihrem neuen herrlichen Heim“. Im Jahr darauf entstand im Garten eine Laube, die 1912 durch den jüngsten Gründersohn Will Hohner erweitert wurde. Er bewohnte das Gebäude mit seiner Frau Mina für mehrere Jahrzehnte. Matthias Hohner war 1902 verstorben, seine Frau Anna 1907. Später bewohnten weitere Hohner-Nachfahren die Villa, bevor Frank Hohner sie 1987 verkaufte. Zunächst zog eine Professorenfamilie ein; 1996 erwarb die Aldinger Familie Gehring das Gebäude und restaurierte es aufwändig. 2006 zog das „Bella Casa“samt Café in das Erdgeschoss ein.
Quelle: „Auf den Spuren der Kunst – Architektur, Bildhauerei, Fotografie, Grafik, Malerei in Trossingen“, erschienen 2008, Bericht von Martin Häffner über „Trossinger Villen und Herrschaftshäuser“.
„Ins Auge fallen vor allem die Holzarbeiten an der Außenfassade sowie die JugendstilBuntglasfenster der Erker.“