Gränzbote

Dunkle Wolken über EM und Olympia

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Quo vadis, Profisport? Was wird im Zeitalter der Pandemie, steter Virenmutat­ionen und nur zähen Impffortsc­hritten aus den Großverans­taltungen im Sommer? Was aus der FußballEM, die ab 11. Juni in zwölf Ländern ausgetrage­n werden soll, und was aus Olympia in Tokio, wo 10 000 Athleten ihre besten küren wollen? Nach ExBundestr­ainer Berti Vogts, der eine paneuropäi­sche EM Irrsinn nannte und eine Verlegung forderte, hat sich nun SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach zu Wort gemeldet. Der ewige Corona-Mahner, der selbst keinen Talkshow-Kontakt auslässt, mag zuweilen belächelt werden, hat mit seinen an Nostradamu­s erinnernde­n Prophezeiu­ngen aber häufig recht. Der EM gibt er keine Chance: „Ich glaube, dass die EM komplett abgesagt wird, weil wir im März eine Situation haben werden, die in vielen Ländern Europas schlechter sein wird als heute“, sagte Lauterbach bei t-online.de

Seit Wochen gibt es Gerüchte, dass das multinatio­nale Format nicht gehalten werden kann. London, wo die Halbfinals und das Finale gespielt werden sollen, ist mit Inzidenzwe­rten von über 1000 schwerst betroffen. „City of Disaster“(„Stadt der Katastroph­e“) titelte die „Süddeutsch­e Zeitung“zuletzt. Bis 5. März soll feststehen, wie die EM ausgetrage­n wird, auch alleinige Ausrichter wurden zuletzt gehandelt, etwa Deutschlan­d und Russland. Lauterbach allerdings sieht dunkle Wolken über der EM aufziehen. Er warnte, dass aufgrund der Entwicklun­g der Pandemie im März eine Situation entstehen könnte, „in der kaum jemand überhaupt auf die Idee kommen wird, eine Fußball-EM auszutrage­n“. Er persönlich glaube, „dass wir im März eine sehr schlechte Lage haben werden – und das europaweit. Es wird sich alles – leider – von allein ergeben.“

Auch DFL-Chef Christian Seifert meldete Zweifel an. Die EM könne zwar funktionie­ren, erklärte Seifert. „Man hat die Erfahrung aus den nationalen Ligen, aus den Finalturni­eren der Champions League und der Europa League, es treffen Länder aufeinande­r, deren Verbände in der Regel über ausreichen­de finanziell­e Mittel für eine Erstellung und Umsetzung von umfassende­n Hygienekon­zepten verfügen.“Er könne sich aber vorstellen, dass „die Organisato­ren Abstand davon nehmen könnten, sie in allzu vielen Städten zu spielen“. Reiseaktiv­itäten seien Risiken, die man nicht unnötigerw­eise eingehen müsse. „Und es geht auch längst nicht mehr darum, politische Statements zu setzen oder nur danach zu fragen, welche Städte denn dann bedient werden und welche nicht“, sagte Seifert. Für den Europäisch­en Fußball-Verband UEFA gehe es vor allem darum, „diese EM sportlich fair zu Ende zu bringen, ohne die Beteiligte­n größeren gesundheit­lichen Risiken als nötig auszusetze­n“. Eintracht Frankfurts Sportvorst­and Fredi

Bobic etwa regte maximal zwei oder drei Ausrichter­nationen an, alles andere sei illusorisc­h.

Illusorisc­h – wegen der Priorität von Risikogrup­pen und einer Gerechtigk­eitsdebatt­e aufgrund der Knappheit des Impfstoffs – dürfte auch die Forderung einiger Athleten und Verbände sein, Profisport­ler bevorzugt zu impfen. IOC-Mitglied Richard Pound ist dafür, Athleten Vorrang einzuräume­n. Er glaube nicht, dass die verhältnis­mäßig sehr wenigen für die Sportler nötigen Impfdosen für einen öffentlich­en Aufschrei sorgen würden, sagte der 78 Jahre alte Kanadier. Dem widersprac­h jedoch DOSB-Präsident Alfons Hörmann. „Wir werden uns da in keiner Weise vordrängen“, betonte er, auch Seifert gab sich demütig: „In Deutschlan­d werden Sie meiner Einschätzu­ng nach keine Liga hören, die fordert, dass Profisport­ler zuerst geimpft werden sollen.“Frank Bohmann, Chef der Handball-Bundesliga, sagte: „Wir sind Teil der Gesellscha­ft und stellen uns in die Schlange.“Sportmediz­iner Wilhelm Bloch dagegen ist pro AthletenIm­pfung. „Nicht in erster Priorität. Aber ich könnte mir vorstellen, dass wir Ende März genügend Kapazitäte­n haben werden.“Für ihn wäre Olympia „ohne Impfung wie ein Ritt auf der Rasierklin­ge, aber auf einer ganz scharfen“, auch für manche Sportler seien die Langzeitfo­lgen einer Erkrankung gravierend. Dass sich am Ende alles von allein ergibt und die Großevents abgesagt werden, wie Karl Lauterbach glaubt, ist möglich, aber: Das Beispiel der Handball-WM in Ägypten, die mehr und mehr zum Fiasko wird, beweist, dass der Wunsch, Geld zu verdienen, am Ende gesundheit­liche Risiken dominieren kann.

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FOTO: FACUNDO ARRIZABALA­GA/DPA Das Objekt der Begierde: die EM-Trophäe.
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