Ein Elfmeter, der spaltet
Der VfB frohlockt nach dem glücklichen 2:2, Gladbach zürnt über den Videobeweis
STUTTGART (dpa/SID) - Mit einem milden Lächeln saß Sven Mislintat auf seinem grauen Stuhl, mit einer klaren Meinung diskutierte er über den Aufreger des 2:2 (0:1) gegen Borussia Mönchengladbach. „Wenn der Videoschiedsrichter eingreift, ist es für mich ein klarer Elfmeter“, sagte der Sportdirektor des VfB Stuttgart am Sonntag in der Sport1-Sendung „Doppelpass“und äußerte damit eine aus seiner Perspektive wenig überraschende Sichtweise. Er hätte „Randale gemacht, wenn es ihn nicht gegeben hätte“, meinte Mislintat.
Weil Schiedsrichter Felix Brych aber am Samstagabend nach dem umstrittenen Videobeweis, den Bibiana Steinhaus im Kölner Keller veranlasst hatte, auf Elfmeter entschied, waren es die Gladbacher, die mächtig erbost waren. Allen voran Nationalspieler Jonas Hofmann, der wütete: „Das ist eine absolute Frechheit.“VfB-Stürmer Sasa Kalajdzic war in der Nachspielzeit an der Torauslinie in Erwartung einer Flanke von Gladbachs Linksverteidiger Rami Bensebaini, der beide Hände geschlossen hatte, umklammert worden. Kalajdzic fiel wie auch Bensebaini nach hinten, war aber auch am Fuß von Mitspieler Waldemar Anton getroffen worden. Diesen Kontakt habe er nicht gesehen, er sei „wohl mitentscheidend“gewesen, räumte Brych später bei Sky ein. Er sei darauf auch nicht hingewiesen worden. „Wenn man den Elfmeter direkt pfeift, muss er akzeptiert werden. Mit dem VAR-Eingriff bleiben schon ein paar Restzweifel“, gab Brych zu: „Mir war es auf dem Platz einen Tick zu wenig.“Stuttgart könne „mit dem Elfmeter glücklich sein“.
Das fand Mislintat nicht. Der 48Jährige hatte in der Vergangenheit mehrfach Entscheidungen von Schiedsrichtern kritisiert, insbesondere in der Handspiel-Thematik. Diesmal betonte er, Bensebaini habe in dem Moment „naiv“verteidigt. Ähnlich wie VfB-Linksverteidiger Borna Sosa, der den ersten Elfmeter für die Gäste verursacht hatte. Weil Gladbachs Kapitän Lars Stindl sicher verwandelte, war der VfB mit einem Rückstand in die Pause gegangen. Die Stuttgarter kamen aber dank des FlugKopfballs von Nicolás González (58.), dem 3000. Treffer des VfB in der Bundesliga, zurück und ließen sich auch von dem erneuten Rückstand durch Denis Zakaria (61.) nicht schocken.
Dass Silas Wamangituka per Strafstoß (90.+6) nur noch für einen Punkt sorgte, war für Mislintat ebenso wie für VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo angesichts des respektablen Auftritts sogar zu wenig. 32 Saisontore haben die Schwaben jetzt schon geschossen, so viele wie nach 16 Spieltagen zuletzt 1997/98 (33). Neun Treffer fallen dabei auf Wamangituka, sechs auf González. Die beiden besten VfB-Torschützen werden nun zum Hinrunden-Anschluss am Mittwoch gelbgesperrt fehlen. Das sei „schade“, räumte Matarazzo ein, beschwichtigte aber: „Wir haben sicher andere Spieler, die ihre Chance nutzen wollen.“
Schließlich zeigte sich der Coach angetan von seiner nie aufsteckenden Truppe, die auch Gäste-Trainer Marco Rose begeisterte: Der VfB sei ein „belebendes Element“für die FußballBundesliga, sagte der 44-jährige Rose. „Es macht Spaß, die Jungs spielen zu sehen. Sie haben eine gute Spielidee und bringen dazu noch eine gute Dynamik mit. Ich traue den Jungs schon noch einiges zu.“
Sein Ärger über den Elfmeter aber blieb: „Wo ist die klare Fehlentscheidung, warum meldet sich Köln überhaupt?“, fragte Rose. „Voraussetzung für ein Eingreifen des Video-Assistenten ist, dass nach seiner Einschätzung eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung des Schiedsrichters auf dem Platz vorliegt“, schreibt der DFB auf seiner Webseite. Darauf nahm auch Gladbachs Ex-Weltmeister Christoph Kramer Bezug: „Wenn man sich die Szene anguckt, dann kann man nie und nimmer auf die Entscheidung kommen, dass das eine klare Fehlentscheidung ist“, polterte Kramer. Das sei „ja nicht mal im Mittelfeld ein Foul“.