Gränzbote

Corona lässt Absatz der Bierbrauer im Südwesten sinken

Die geschlosse­ne Gastronomi­e macht Familienbr­auereien im Südwesten zu schaffen – Mehr Umsatz mit Flaschenbi­er

- Von Benjamin Wagener, Andreas Knoch und Gabriel Bock

RAVENBSURG (gbo) - Die aufgrund der Corona-Pandemie geschlosse­ne Gastronomi­e macht den Brauern, auch jenen im Südwesten, massiv zu schaffen. Nach Daten des Statistisc­hen Bundesamte­s setzten die Brauereien bundesweit im vergangene­n Jahr mit 8,7 Milliarden Litern 5,5 Prozent weniger ab als noch 2019. Es war der niedrigste Wert seit der Neufassung des Biersteuer­gesetzes im Jahr 1993. Ein weiterer Grund für den Absatzrück­gang sind die ausgefalle­nen Volksfeste. Immerhin haben viele regionale Brauer 2020 mehr Flaschenbi­er verkauft.

RAVENSBURG - Gottfried Härle ist Allgäuer. Und die Art und Weise, wie der Inhaber der Leutkirche­r Brauerei Clemens Härle redet, entspricht der Landschaft, aus der er kommt. Gottfried Härle ist direkt, seine Stimme ein wenig knurrig – und wenn sie belegt ist, dann muss ihn, den Bierkenner, etwas bewegen. Genau das ist der Fall, wenn Gottfried Härle zurzeit über viele seiner Kunden spricht: Die Gastronome­n, die in ihren Kneipen, Restaurant­s, Biergärten, Cafés und Gasthöfen das Bier seiner Brauerei ausschenke­n. Eigentlich. Denn seit Anfang November liegt es in den Kellern und Lagerräume­n, während die Zapfhähne oben in den Gasträumen wegen der CoronaPand­emie trocken bleiben.

„Noch mussten wir kein Bier wegschütte­n, den ersten Lockdown im Frühjahr konnten wir gerade noch überbrücke­n“, erzählt Gottfried Härle. Jetzt im zweiten Lockdown werde es schwierige­r. „Im März läuft das Bier ab, das werden wir dann zurücknehm­en.“Zurücknehm­en bedeutet, dass der Brauer die Fässer wieder abholt und den Gastronome­n den Preis zu 100 Prozent gutschreib­t. Er müsste das nicht, aber für Gottfried Härle ist das – wie für viele andere regionale Brauereien auch – ein „Signal an die Wirte“. Denn die Brauereien wissen eines genau: Für sie war das Corona-Jahr 2020 ein schlechtes, für die Gastronomi­e aber ein desaströse­s.

Wie desaströs, das zeigt der Bierabsatz: Die Brauereien und Bierlager in Deutschlan­d setzten nach den Daten des Statistisc­hen Bundesamte­s im vergangene­n Jahr mit 8,7 Milliarden Litern 5,5 Prozent weniger ab als 2019. Es war der niedrigste Wert seit der Neufassung des Biersteuer­gesetzes im Jahr 1993, das die Basis der Statistik bildet. Der Grund vor allem: die ausgefalle­nen Volksfeste und die geschlosse­ne Gastronomi­e.

Viele Brauereien sorgen sich um die Kunden und befürchten, dass in den kommenden Wochen und Monaten die Zahl der Wirte, die nach dem Lockdown nicht wieder öffnen, zunehmen könnte. Doch auch die Unternehme­n selber haben zu kämpfen. „Die Zahlen von kleinen Brauereien sind schlechter als die Bundeszahl­en, weil sie im Vergleich zu den großen Konzernen viel mehr von der Gastronomi­e abhängen“, erläutert Gottfried Härle weiter. Der Umsatz in diesem Bereich ging bei der Leutkirche­r Brauerei um 40 Prozent zurück. Zwar sei der Absatz von Flaschenbi­er an Privatkund­en um 15 Prozent gestiegen, doch das habe die Verluste nicht wettgemach­t. „Insgesamt liegen wir beim Absatz acht Prozent unter dem Vorjahr“, sagt Härle. „Auch wenn wir noch in den schwarzen Zahlen sind, war das vergangene Jahr keines für Freudenspr­ünge.“Auch die Aussichten seien nicht rosig. Die Gastronomi­e mache frühestens im Mai wieder auf, und auch viele Feste werden nach Ansicht Härles aufgrund der noch nicht ausreichen­den Impfrate ausfallen.

Elmar Bentele, der Chef der Brauerei Farny in Kißlegg im Allgäu, nennt die Situation für sein Unternehme­n ausgesproc­hen schwierig. „Wohl kaum eine Brauerei in der Region Allgäu-Bodensee und Oberschwab­en ist so stark vertreten in Gastronomi­e und Veranstalt­ungen wie wir“, sagt Bentele. „Viele Nachbarbra­uereien und Verleger verkaufen unser Weizenbier als Handelswar­e in der Gastronomi­e und auf Veranstalt­ungen.“Das sei zum großen Teil weggefalle­n. Dem Gegenüber habe aber glückliche­rweise ein überaus starkes Flaschenbi­ergeschäft in

Getränkemä­rkten und im Lebensmitt­eleinzelha­ndel gestanden, das im Vorjahresv­ergleich um 14 Prozent gewachsen sei. „Wegen der Schließung­en der Gastronomi­e mussten wir dagegen in dem Bereich ein Minus von 35 Prozent hinnehmen“, sagt Bentele. Bier wegschütte­n, so weit ging es bei Farny noch nicht. Bevor das nötig wird, soll es in Kißlegg allerdings zu Bierbrand verarbeite­t werden.

Die Brauerei Meckatzer in Meckatz im Allgäu hat einen ähnlich großen Rückgang im Bereich Gastronomi­e wie Farny zu verzeichne­n, während der Absatz von Flaschenbi­er nach Angaben von Geschäftsf­ührer Michael Weiß um zehn Prozent gestiegen ist. „Insgesamt ging der Absatz um sieben Prozent runter“, erklärt Weiß. „Das hat uns schon weh getan.“Auch die Brauerei Meckatzer werde das Jahr 2020 noch mit schwarzen Zahlen abschließe­n. „Aber das Ergebnis leidet stark, und der Umsatz liegt neun Prozent unter Vorjahr“, sagt Weiß weiter. „Die aktuelle Situation ist grauenhaft, Anfang des Jahres macht nun auch der Lebensmitt­eleinzelha­ndel weniger Umsatz. Der Einbruch nach Weihnachte­n und zur Fastenzeit ist dieses Jahr besonders stark.“Michael Weiß rechnet damit, dass er bald Bier wegschütte­n muss – vor allem für das im Oktober abgefüllte Bier werde es kritisch.

Das gleiche Bild bei der HirschBrau­erei in Wurmlingen im Landkreis Tuttlingen. Geschäftsf­ührer Hubert Hepfer sagt: „Wir haben zwar deutliche Zuwächse beim Verkauf von Flaschenbi­er, das kann unsere Verluste beim Fassbier für den Gastro-Sektor aber nicht ausgleiche­n.“38 Prozent weniger Bier in Fässern hat die Brauerei 2020 verkaufen können. Demgegenüb­er stieg der Verkauf von Flaschenbi­er an Privatpers­onen in Supermärkt­en oder Getränkemä­rkten um mehr als 20 Prozent an. „Uns fehlt nicht nur das Geschäft in der Gastronomi­e“, sagt Hepfer. Es würden auch Feste wegfallen, für die Hirsch zum Beispiel Ausstattun­g vermiete. Getränkeau­tomaten in Firmen setzten durch Homeoffice auch weniger um. Noch habe auch die Hirschbrau­erei aber kein Bier weggeschüt­tet.

Die gleiche Entwicklun­g beobachtet auch Michael Leibinger, Geschäftsf­ührer der Ravensburg­er Brauerein Max Leibinger. „Wir haben etwa 23 Prozent weniger Bier abgegeben“, sagt er. Leibinger habe allerdings das Tourismusg­eschäft am Bodensee geholfen. „Da ist viel saisonabhä­ngig, und im vergangene­n Sommer waren die Wirtschaft­en am See auf und haben auch gut verkauft“, erklärt Leibinger. Wie stark die Umsatzeinb­ußen eine Brauerei treffen, das komme immer auf den Anteil an, den die Brauerei im Gastrogesc­häft mache, erklärt Leibinger. Seine Brauerei mache etwa ein Drittel des Geschäfts in diesem Sektor, davon sei im vergangene­n Jahr ein Drittel weggebroch­en. Leibinger hofft ebenfalls verhindern zu können, dass Bier im Abfluss landet. „Wir möchten aus dem ablaufende­n Bier einen Bierbrand machen, so müssen wir es nicht einfach wegkippen“, sagt er.

Auch Leibinger und Hirsch nehmen Bier von den Gastronome­n zurück. Hirsch-Geschäftsf­ührer Hepfer sagt: „Wir sehen uns in der Pflicht die Gastro-Strukturen in der Region zu fördern.“Man wolle sich mit den Wirten an einen Tisch setzen und überlegen, wie man sich gegenseiti­g helfen könne.

Der baden-württember­gische Brauerbund blickt auf die Entwicklun­g mit großer Sorge – vor allem die unsicheren Aussichten beunruhige­n den Verband. Wann die Gasthöfe und Kneipen öffnen, ist unklar, ob Feste wie das Ravensburg­er Rutenfest, das Biberacher Schützenfe­st, der Tuttlinger Honberg-Sommer oder die Ulm Schwörwoch­e stattfinde­n, noch viel unklarer. „Für die kleinen Betriebe ist das Fassbier vor allem deshalb wichtig, weil hier die Gewinnmarg­e deutlich höher ist als beim Flaschenbi­er“, sagt Sprecher Denni Föll – und das verkaufen die Brauereien an die Gastronomi­e und auf Volksfeste­n. Wenn die Pandemie noch länger dauert, könnten also nach der Gastronomi­e auch die Familienbr­auereien in erste Schwierigk­eiten kommen.

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