Gränzbote

Kinder, wie geht’s Euch in der Krise?

Wie Mädchen und Jungen die Corona-Pandemie erleben

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- Eine Verabredun­g zum Zoom-Meeting – nach einem Jahr Corona-Pandemie ist das für Sechstkläs­sler längst Routine. Pünktlich ploppen nacheinand­er Leni Karg, Ramona Gietl, Mia Günthör, Lara Juliana Steckel und Alessandro Kästner am Bildschirm auf. Leni sitzt in einem Arbeitszim­mer, Ramona hat im Kinderzimm­er Ruhe vor ihrem kleinen Bruder gesucht. Alessandro wechselt während des einstündig­en Gesprächs mal den Raum und balanciert dabei gekonnt den Laptop vor sich her. Mia ist aus Österreich zugeschalt­et. Auch Lara sitzt wie die anderen ganz souverän vor der Kamera. Dass sich große Teile ihres Lebens ins Internet verlagert haben, ist nur ein Aspekt, mit dem die Kinder in der Pandemie umgehen müssen. Zeit, nicht mehr nur über sie, sondern mit ihnen zu reden. Ein Gespräch mit Ronja Straub und Julia Baumann.

Was hat sich für Euch im vergangene­n Jahr am meisten verändert?

Lara: Ich habe früher nachmittag­s Fußball, Tennis und Ropeskippi­ng gemacht. Das fällt jetzt weg, dadurch ist alles ganz anders für mich. Ich lerne mehr und mache Hausaufgab­en oder ich gehe ein bisschen raus. Und am Abend telefonier­e ich mit meinen Freundinne­n.

Alessandro: Ich kann mich nicht mehr so oft mit Freunden treffen, wie früher. Meinen besten Freund sehe ich sonst sehr oft, letztes Jahr habe ich ihn insgesamt nur zweimal gesehen. Wir schreiben viel bei WhatsApp, aber er fehlt mir. Das ist ein komisches Gefühl. Im Moment habe ich nur meine Mama, unseren Hund Cica und unsere Katze Lucy. Wenn ich meine Schulsache­n erledigt habe, sitze ich meistens zu Hause.

Ramona: Da war dieser eine Tag im Dezember, nach dem plötzlich alles anders war. Ich bin mit dem Fahrrad nach Hause gefahren und als ich es in die Garage geschoben habe, kam mein kleiner Bruder raus und sagte „Mama hat Corona.“Das war ein Schock für mich, denn ich hatte am nächsten Tag auch noch Geburtstag. Ich habe geweint. Ich konnte Mama dann nicht mal mehr sehen, sie war oben allein in ihrem Zimmer.

Und wie hast Du Deinen Geburtstag dann verbracht?

Ramona: Meine zwei besten Freundinne­n sind vorbeigeko­mmen und haben mit Abstand ein Geburtstag­slied gesungen, das fand ich voll nett.

Wie habt Ihr das mit der Quarantäne Deiner Mama organisier­t? Und wie geht es ihr jetzt?

Ramona: Eine ganze Weile fehlte ihr noch der Geruchs- und Geschmacks­sinn, aber jetzt geht es ihr wieder gut. Wir haben es in der Zeit so geregelt, dass sie immer erst nach dem Frühstück runtergeko­mmen ist und sie hat im Haus auch immer Maske getragen. Das war schon komisch. Wenn ich sie mal kurz gesehen habe, dann immer mit Maske. Kurz bevor wir wieder aus der Quarantäne rausgedurf­t hätten, wurde mein Bruder auch noch positiv getestet und dann mussten wir alle noch mal zwei Wochen daheim bleiben.

Mia, Du bist mit Deiner Familie kurz vor der Pandemie nach Österreich gezogen. Im Frühjahr waren die Grenzen eine Zeit lang geschlosse­n, seit einiger Zeit wird wieder kontrollie­rt, man darf nicht mehr einfach so rüber. Wie ist das für Dich?

Mia: Das ist schon blöd. Meine Oma und mein Opa wohnen in Deutschlan­d und ich vermisse sie ziemlich. Und auch, als die Schule noch offen war, war es blöd. Ich musste immer meinen Pass mit an die Grenze nehmen und beweisen, dass ich überhaupt in Lindau zur Schule gehe. Und dann waren am Morgen noch vielleicht 50 andere vor mir. Oft bin ich dann zu spät gekommen. Wenn man über die Grenze fährt, dann stehen da zwei oder drei Polizisten. Ich wurde immer ganz zittrig an den Händen, wenn ich denen die Papiere gezeigt habe.

Wie erlebt Ihr das Homeschool­ing? Ramona: Viele Lehrer habe ich in der Schule nur mit Maske kennengele­rnt. Ohne Maske kommen die mir jetzt viel älter vor.

Mia: Meine Noten sind schlechter geworden. Ich kann mich hier zu Hause einfach nicht konzentrie­ren beim Lernen. Für mich ist das schwer.

Alessandro: Es ist halt schwierig mitzuschre­iben. Und wenn die Internetve­rbindung abbricht, dann kommt man gar nicht mehr hinterher.

Leni: Ich kann mich zu Hause auch nicht so gut konzentrie­ren.

Ramona: Ich habe einen kleinen Bruder, und wenn der runterkomm­t und ich gerade in einem Chat bin, nervt das schon.

Habt Ihr das Gefühl, Eure Eltern haben sich im vergangene­n Jahr verändert? Alessandro: Meine Mutter arbeitet Teilzeit. Sie wurde während Corona rausgeschm­issen und hat jetzt einen neuen Job. Aber sie wollte den Job eigentlich auch gar nicht mehr, weil der neue Job jetzt viel entspannte­r ist.

Wie informiert Ihr Euch über die Corona-Pandemie? Schaut Ihr mehr Nachrichte­n als früher? Alessandro: Ich bekomme nur manchmal was von Facebook mit. Ein paar Corona-Informatio­nen. Zahlen zu den Toten oder wie man sich am besten verhalten soll. Ramona: Mein Papa schaut jeden Abend die Tagesschau und da schaue ich manchmal mit. Und meine Mama ist Amerikaner­in und über die Verwandten in den USA haben wir dann auch viel über Trump und so mitbekomme­n. Und wir haben das Video geschaut, wo Trump aus dem Weißen Haus raus ist – und da haben wir uns alle gefreut.

Mia: Meine Mutter und Oma schicken es immer in unsere WhatsAppGr­uppe, wenn sich wieder etwas ändert. Wer mir aber am meisten

Nachrichte­n schickt, ist unsere Schulleite­rin. Die sagt mir immer, was es Neues gibt zur Grenzsitua­tion.

Bist Du die Einzige in Eurer Klasse, die in Österreich wohnt? Mia: Ja.

Habt Ihr Angst, dass Ihr Euch mit Corona ansteckt?

Leni: Meine Oma und mein Opa haben Angst, weil sie beide Risikopati­enten sind und auch was mit der Lunge haben.

Hast Du sie dann länger nicht gesehen?

Leni: Doch, schon. Sie wohnen gegenüber von uns und wir gehen zum Essen zu ihnen. Aber wir halten immer Abstand.

Und hast Du Angst, dass Du sie ansteckst?

Leni: Eigentlich nicht. Ich treffe nicht viele Freunde und passe immer sehr auf.

Lara: Ich mache mir auch sehr viele Sorgen um meine Großeltern. Sie passen zwar auf, aber sie sind halt Risikopati­enten und das macht mir ein bisschen Angst.

Mia: Also bei uns macht sich nur der Opa noch Sorgen. Obwohl man wieder über die Grenze darf, will er nicht zu uns kommen. Ich glaube, ihm ist das mit der Polizei nicht so geheuer.

Vermisst Du ihn? Mia: Ja, auf jeden Fall.

Was haltet Ihr von den Maßnahmen der Politiker? Alessandro: Meiner Meinung nach machen sie zu viel.

Was würdest Du ändern?

Alessandro: Vielleicht das Homeschool­ing etwas verkürzen. Es ist halt einfach nur komisch, wenn man nicht in die Schule gehen kann und sich nicht mit Freunden treffen kann.

Ramona: Vieles finde ich okay. Aber die Regel, dass man sich mit einem Haushalt und einer weiteren Person treffen darf, macht keinen Sinn, finde ich. Ich habe mit meinem Bruder eine gemeinsame Freundin, die wir auch oft besucht haben. Das geht jetzt nicht mehr. Das ist komisch. Denn sie dürfte zu uns kommen, aber wir nicht zu ihr.

Leni: Ich finde es blöd, dass wir in Bayern keine Faschingsf­erien haben. Wobei – ich finde es auch gut, weil vielleicht hört das alles dann bald mal auf.

Also lieber jetzt durchziehe­n, um dann wenigstens die Chance auf einen normalen Sommer zu haben?

Leni: Ja genau. Es war in der Schule immer so anstrengen­d mit der Maske. Und auch sonst, wenn alle Maske tragen. Man muss schon manchmal zweimal hinschauen, um zu erkennen, wer denn da steht. Lara: Ich möchte schon, dass die Schule wieder aufmacht. Aber es war sehr unangenehm mit der Maske. Manchmal geht einem die Luft weg. Wir mussten sie auch beim Sport tragen und da konnte ich nicht so richtig Luft holen. Mia: Ich finde die Politiker sollten jetzt endlich mal sagen, wann der Lockdown zu Ende ist und das nicht immer wieder aufschiebe­n. Ich mach mir immer so Hoffnungen, dass wir endlich wieder in die Schule können und ordentlich lernen und wieder shoppen gehen oder so. Das hättet Ihr ja wahrschein­lich auch nicht gedacht, dass Ihr jemals sagt „Dann können wir endlich wieder in die Schule“– oder?

Alle Kinder lachen.

Was ist das Erste, das Ihr nach Corona machen wollt? Ramona: Meinen Geburtstag nachfeiern und eine richtige große Party schmeißen. Ich will eine Übernachtu­ngsparty machen und mit allen etwas backen oder baden gehen.

Alessandro: Ich freue mich auf jeden Fall drauf, einige Geburtstag­e nachzufeie­rn, also auch die von Freunden. Ich will auch wieder zum Gitarrenun­terricht und endlich wieder alle treffen.

Lara: Ich würde mich freuen, wenn ich endlich wieder meine Freunde treffen und meine Sportarten machen kann. Mir fehlt das sehr.

Mia: Ich freue mich, wenn ich wieder Training habe. Ich bin in Lindau bei der Wasserwach­t. Ich merk jetzt schon, dass ich keine Ausdauer mehr habe. Wenn ich die Treppen bei uns in der Tiefgarage hochlaufe, bin ich schon direkt fertig.

Leni: Ich freue mich darauf, meinen Geburtstag mit meinen Freunden zu feiern. Und auch darauf, dass ich mal wieder zu meiner Uroma gehen kann. Und zwar ohne Angst zu haben, dass was passiert.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Mia Günthör ist elf Jahre alt und in der sechsten Klasse der Maria-Ward-Realschule.
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Lara Juliana Steckel spielt gerne mit Hund D.J., aber trotzdem würde die Zwölfjähri­ge lieber in der Schule, und zwar im Bodensee-Gymnasium, sein.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Leni Karg ist elf Jahre alt und geht in die sechste Klasse des Lindauer Bodensee-Gymnasiums. Lara Juliana Steckel spielt gerne mit Hund D.J., aber trotzdem würde die Zwölfjähri­ge lieber in der Schule, und zwar im Bodensee-Gymnasium, sein.
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FOTO: PRIVAT Der zwölfjähri­ge Alessandro Kästner besucht die sechste Klasse der Werkrealsc­hule in Niederwang­en.
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FOTO: PRIVAT Die zwölfjähri­ge Ramona Gietl geht aufs Lindauer Bodensee-Gymnasium.

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