Die Pionierin wartet auf den Impftermin
Die Oberstaufenerin Heidi Biebl wurde 1960 Olympiasiegerin in der Abfahrt – Heute wird sie 80 Jahre alt
MÜNCHEN (SID) - Neulich, als das Fernsehen da war, habe sie keine Antwort gewusst auf die häufigste aller Geburtstagsfragen, erzählt Heidi Biebl. Was sie sich wünsche zum 80.? Sie atmet hörbar tief durch. „Corona, die Welt steht still. Das ist eine Katastrophe“, sagt Biebl und macht eine kurze Pause, „was soll ich mir da wünschen?“Biebl ist etwas überfordert, ein bisschen so wie bei ihrer größten Stunde als Sportlerin.
Heidi Biebls Name wird für immer mit jenem 20. Februar 1960 verbunden bleiben. Drei Tage nach ihrem 19. Geburtstag fuhr sie damals in Squaw Valley aus dem Nichts zu olympischem Abfahrtsgold. Plötzlich war sie ein Star – und wusste nicht, wie ihr geschah. Die Hymne bei der Siegerehrung? „Ich habe die gar nicht gekannt“, erzählt Biebl und lacht, „ja woher denn, mit 19? Ich wusste gar nicht, was da abläuft. Von wem?“
Biebl ist im beschaulichen Oberstaufen im Allgäu in bescheidenen
Verhältnissen aufgewachsen, ihre Mutter war eine von Millionen deutscher Kriegerwitwen. „Ich musste mir vieles hart erkämpfen.“Auch die Skikarriere. Biebl schlug den Rat aus, Abitur zu machen – und setzte voll auf den Sport. Buchstäblich goldrichtig.
Nach ihrer Goldmedaille, die heute im Oberstaufener Heimatmuseum liegt, rätselte eine ganze Nation: „Wer ist Katzeborle?“Amüsiert klärt Biebl auf. Nach ihrem Coup durfte sie aus einem Übertragungswagen mit der Mutter zu Hause telefonieren. „Das war für mich das Allerhöchste, wir hatten doch kein Telefon, keinen Fernseher und nix. Und am Schluss dachte ich an unseren geliebten Kater und sagte: Grüß mir de Katzeborle.“
Viel habe sie aber nicht gehabt von ihrem Gold. „Ich war einfach zu unerfahren und konnte die Medaille nicht vermarkten“, sagt sie bedauernd. Andere Olympia-Helden wie Georg Thoma oder Hans-Peter Lanig erhielten von ihrer Gemeinde ein Grundstück, Biebl wurde von ihrer Skifirma eine Armbanduhr angeboten: „Aber ich hatte schon eine.“Sie bekam stattdessen den Führerschein bezahlt.
Die Bundesrepublik Deutschland ehrte Biebl mit dem Silbernen Lorbeerblatt, vom Deutschen Skiverband (DSV) gab es die Ehrennadel. „Aber von der kann ich auch nicht runterbeißen“, sagt sie. Nach zwei vierten Plätzen bei Olympia 1964 beendete Biebl wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem DSV schon 1966 ihre Karriere: „Ich bin gegangen worden. Ich war zu undiplomatisch.“
Biebl wurde Skilehrerin, eröffnete eine eigene Skischule und das Hotel „Olympia“in Oberstaufen. 2008 hat sie es verkauft, „zum schlechtesten Zeitpunkt“. Zum 75. widmete ihr Heimatort ihr den Heidi-Biebl-Weg.
Wie's ihr geht? „Bergauf und bergab“, sagt Biebl, „wie soll's mir gehen mit 80?“Aber ihre „ganzen Leiden aufzählen“in Zeiten der Pandemie? Nein, das möchte sie nicht. Nur dass sie und ihr Mann Bora (88), mit dem sie seit 47 Jahren verheiratet ist, noch immer keinen Impftermin haben, das wurme sie.
Eine Feier hat Heidi Biebl zum Geburtstag nicht geplant: „Party – das ist nicht mein Ding.“Und der Wunsch zum 80.? Seit dem TV-Besuch, sagt sie, habe sie sich nach längerem Überlegen einen zurechtgelegt: „Dass ich noch möglichst lange Zeit schöne, gute Tage mit meinem Bora habe.“