Kündigung nach nur fünf Wochen
Warum sich Veringenstadt vom neuen Hauptamtsleiter Norbert Zerr trennt
VERINGENSTADT - Veringenstadts Bürgermeister Armin Christ hat seinem neuen Hauptamtsleiter Norbert Zerr nach nur fünf Wochen wieder gekündigt: „Die Zusammenarbeit hat einfach nicht funktioniert“, sagt Christ. Zerr wiederum hält das für einen Vorwand. Darüber, was wirklich hinter dem Rausschmiss steckt, könne er nur spekulieren, sagt er. Waren es sein umstrittenes Buch „Polizei im Fadenkreuz: Innere Sicherheit auf Untergangskurs“und Beiträge auf fragwürdigen Internetseiten?
In einer nichtöffentlichen Sitzung im November war der 59-jährige Norbert Zerr aus Böttingen (Landkreis Tuttlingen) vom Veringenstädter Gemeinderat zum neuen Hauptamtsleiter gewählt worden. Von seiner fachlichen Eignung sei das Gremium nicht zuletzt aufgrund der Erfahrung als Bürgermeister von Irndorf (2003 bis 2011) überzeugt gewesen, sagt Armin Christ.
Zerrs Buch, erschienen im Oktober 2020, spielte bis dahin keine Rolle. Über die Veröffentlichung habe er seinen neuen Chef aber noch vor dem Dienstantritt am 4. Januar informiert, sagt Zerr. „Das stimmt“, sagt
Christ. „Das Buch ist aber auch seine Privatsache.“Dass Zerr – von 1981 bis 2003 selbst Polizist – darin einen Blick auf die innere Sicherheit aus Polizeisicht wirft, sei legitim.
Unumstritten ist das Werk freilich nicht. Geboten würden ein „Einblick in die Polizeiarbeit aus erster Hand und Warnung vor bedenklichen Tendenzen in Gesellschaft und Politik“, schreibt die Neue Rottweiler Zeitung. Aber: „Oberpeinlich wird es, wenn seitenweise Sätze im Buch stehen, die aus der Wahlwerbung der AfD kommen könnten.“Ohne diese Parteiwerbung und mit mehr Aktualisierungen hätte das Werk gelingen können. Schlechter urteilte der „Gränzbote“in Tuttlingen: Zerr habe ein Buch geschrieben, das auch den Titel „Bitte wählt die AfD!“tragen könne, schrieb Mitarbeiter Dieter Kleibauer.
Nach Norbert Zerrs Dienstantritt in Veringenstadt machten hinter den Kulissen aber auch noch andere seiner Texte die Runde – veröffentlicht auf Internetseiten, die als Portale für Verschwörungstheorien gelten. Dort spekuliert Zerr über mögliche Anschläge von FBI und CIA in Deutschland, kritisiert Sozialbetrug und Ärzte, die sich von Krankenkassen bestechen lassen. Außerdem wehrt er sich dagegen, in den Rezensionen seines Buches in AfD-Nähe gerückt zu werden. „Ich habe in der Partei recherchiert. Weil ich wissen wollte, warum so viele Polizisten die AfD wählen“, sagt Zerr auch im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
In Veringenstadt wurde die Autorentätigkeit des neuen Hauptamtsleiters trotzdem kritisch gesehen. Einwohnerin Ursula Lieb-Grebe beispielsweise thematisierte Zerrs Buch und seine Internetbeiträge in der Gemeinderatssitzung am 29. Januar – allerdings ohne, dass eine öffentliche Diskussion gefolgt wäre.
Mit Norbert Zerrs Internetbeiträgen ist jedenfalls auch für Armin Christ eine Grenze überschritten. „Die des Neutralitätsgebots im öffentlichen Dienst, vor allem in einer so herausragenden Position wie der des Hauptamtsleiters“, sagt der Bürgermeister. Zerr hält dagegen: „Alle Beiträge sind juristisch abgeklärt und nicht angreifbar“, sagt er. Wenn Armin Christ mit den Texten ein Problem habe, hätte er ihn darüber früher informieren müssen.
Doch Christ betont auch, dass für die Kündigung in der sechsmonatigen Probezeit andere Gründe ausschlaggebend gewesen seien. Das Miteinander im Team habe nicht gut funktioniert, sagt er. Nach Abstimmung mit dem Gemeinderat habe er Zerr deshalb am 8. Februar die Kündigung zum Monatsende ausgesprochen. Bis dahin sei er freigestellt.
„Die Begründung kann ich überhaupt nicht nachvollziehen“, sagt Norbert Zerr. „Ich habe die Zusammenarbeit als ganz normal, den Umgang als höflich empfunden. Und wenn es den anderen anders ging, hätten wir uns zusammensetzen und das besprechen müssen – aber auch das ist nicht passiert.“Vor allem aber sei er persönlich enttäuscht. „Armin Christ hat mir fast den roten Teppich ausgelegt – und ich bin darauf reingefallen“, sagt Zerr. Jetzt ärgere er sich darüber, seine Anstellung bei der Stadt Spaichingen aufgegeben zu haben. „Ich war glücklich dort, mein Arbeitszeugnis war erstklassig.“
Armin Christ aber steht zu seiner Entscheidung. Glücklicherweise müsse die Stelle auch nicht neu ausgeschrieben werden, sagt er. Im Herbst sei bei der Stadt noch eine andere vielversprechende Bewerbung eingegangen. Die Bewerberin werde die Leitung des Hauptamts zum 1. März übernehmen.