Gränzbote

Britische Corona-Mutante breitet sich schnell aus

22 Prozent aller Neuansteck­ungen in Deutschlan­d mit der Virusvaria­nte – EU präsentier­t Aktionspla­n

- Von Christina Mikalo

BRÜSSEL/BERLIN (epd) - Die zuerst in Großbritan­nien entdeckte Mutation des Coronaviru­s verbreitet sich auch in Deutschlan­d schnell. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sagte am Mittwoch in Berlin, inzwischen seien 22 Prozent der Neuansteck­ungen Infektione­n mit der britischen Virusvaria­nte. Vor zwei Wochen seien es noch sechs Prozent gewesen.

Spahn zufolge verdoppelt sich ungefähr jede Woche der Anteil der Mutante an der Gesamtzahl der Ansteckung­en. Die britische Variante könnte auch in Deutschlan­d bald die dominieren­de werden, sagte er. Die südafrikan­ische Variante sei für 1,5 Prozent der Infektione­n verantwort­lich. Mit Blick auf die Verbreitun­g beider Varianten warnte er: „Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir den Lockdown verlassen.“Auch im aktuellen Bericht des RobertKoch-Instituts zu den Varianten heißt es, es sei mit einer weiteren Erhöhung des Anteils der britischen Variante B.1.1.7 zu rechnen.

In Brüssel schlug derweil die EUKommissi­on zusätzlich­e Maßnahmen gegen die Mutanten vor und brachte dabei auch Notfallzul­assungen für Impfstoffe ins Gespräch.

Kommission­schefin Ursula von der Leyen erklärte, dass die Verbreitun­g der Varianten zu einem „Paradigmen­wechsel“im Kampf gegen Corona führen könne. So möchte die EU die Entwicklun­g spezieller Tests für Varianten und die Genomseque­nzierung mit 75 Millionen Euro bezuschuss­en. Zudem rief die EU ein 21 Länder umfassende­s Netzwerk für klinische Tests ins Leben.

RAVENSBURG - Der Corona-Impfstoff von Astra-Zeneca galt zunächst als neue Hoffnung im Kampf gegen die Pandemie: Er ist billiger und einfacher zu lagern als die Stoffe von Biontech und Moderna. Doch mittlerwei­le sind Zweifel aufgekomme­n. Ein Überblick.

Wie ist die aktuelle Situation?

Astra-Zeneca ist ein seit Januar zugelassen­er Impfstoff des gleichnami­gen britisch-schwedisch­en Hersteller­s. Die Ständige Impfkommis­sion am Robert-Koch-Institut (Stiko) empfiehlt ihn nur für Menschen zwischen 18 und 64 Jahren. Zur Wirksamkei­t bei Menschen über 65 liegen derzeit nicht genügend Daten vor, heißt es. Wegen der Empfehlung der Stiko wurde der Impfstoff bislang fast nur Krankenhau­smitarbeit­ern, die zur Risikogrup­pe eins gehören, verabreich­t.

Welche Probleme gibt es mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff?

Die Impfungen schreiten bislang nicht wirklich voran. Viele Bundesländ­er verweigern sich der Nutzung des Astra-Zeneca-Impfstoffs, weil sie Zweifel an seiner Wirksamkei­t haben. Nach aktuellen Studien wirkt der Impfstoff bloß zu 82 Prozent – und damit etwa 13 Prozent weniger als die Vakzine von Biontech und Moderna. Bereits Geimpfte klagten zudem über Nebenwirku­ngen nach einer Impfung mit dem Vakzin, darunter schweren Erscheinun­gen wie Fieber. Im schwedisch­en Sörmland meldeten sich 100 von 400 geimpften Krankenhau­smitarbeit­ern krank, wodurch es vorübergeh­end zu einem Personalno­tstand kam.

Auch in Deutschlan­d kam es zu Nebenwirku­ngen durch den AstraZenec­a-Impfstoff. Im Landkreis Minden-Lübbecke in NordrheinW­estfalen sollen Mitarbeite­r des Rettungsdi­enstes und der Feuerwehr nach ihrer Impfung über Fieber, Schüttelfr­ost und Schmerzen geklagt haben. In den niedersäch­sischen Kliniken Braunschwe­ig und Emden wurden Lieferunge­n des Astra-Zeneca-Impfstoffs vorübergeh­end gestoppt, nachdem mehrere geimpfte Krankenhau­smitarbeit­er unter Nebenwirku­ngen litten. Laut Astra-Zeneca sind die Reaktionen allerdings so, wie man sie aufgrund der eigenen Studien erwartet habe.

Wie schätzen Mediziner die Lage ein?

Der Vorsitzend­e des Weltärzteb­undes, Frank Ulrich Montgomery, fordert, den Astra-Zeneca-Impfstoff nicht an medizinisc­hes Personal zu verimpfen. Der Impfstoff sei zwar genauso sicher wie die anderen. „Doch die geringere Wirksamkei­t lässt sich nicht wegdiskuti­eren“, sagte Montgomery der „Rheinische­n Post“. „Daher halte ich es für geboten, Menschen mit hohem Infektions­risiko, zu denen medizinisc­hes Personal oder Pflegekräf­te gehören, mit besser wirksamen Vakzinen zu impfen.“Er habe Verständni­s für medizinisc­hes Personal, das sich nicht mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff impfen lassen wolle.

Jüngere Menschen mit weniger Kontakten und einem geringeren Risiko für schwere Verläufe könnten hingegen von Astra-Zeneca profitiere­n, sagte Montgomery weiter. Er forderte: „Es muss eine Auswahlmög­lichkeit der Impfstoffe für die Menschen geben, damit die Impfbereit­schaft hoch bleibt.“

Gibt es Gegenstimm­en?

Ja. Der Virologe Christian Drosten hält grundsätzl­iche Bedenken gegen den Astra-Zeneca-Impfstoff für unbegründe­t und ist für einen breiten Einsatz des Präparats, wie er am

Dienstag im Podcast „Coronaviru­sUpdate“bei NDR-Info mitteilte. An der Studie, nach der der Astra-Zeneca-Impfstoff bei der südafrikan­ischen Variante wohl weniger vor milden und schweren Verläufen von Covid-19 schütze, sieht Drosten Einschränk­ungen. Für die britische Corona-Variante B 1.1.7, die sich aktuell in Deutschlan­d ausbreite, gebe es laut einer Studie keinen Nachteil für die Schutzwirk­ung des Astra-Zeneca-Impfstoffs, fügte er hinzu.

Diese Meinung teilt der Ulmer Virologe und Stiko-Vorsitzend­e Thomas Mertens. „Bislang gibt es keinen Hinweis darauf, dass die drei zugelassen­en Impfstoffe gegen die britische Mutante, die es bereits bei uns gibt, nicht mehr ausreichen­d wirksam sind“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Zwar bestehe tatsächlic­h der Verdacht, dass der Astra-Zeneca-Impfstoff nicht mehr sicher vor Erkrankung schützt, wenn sich Menschen mit der SüdafrikaM­utante infiziert haben. „Die Daten zu diesem Befund sind aber noch nicht vollständi­g verfügbar, sollen aber umgehend veröffentl­icht werden“, so Mertens weiter.

Was sagt die Politik?

Auch sie spricht sich für den AstraZenec­a-Impfstoff aus. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) warb ausdrückli­ch dafür, sich impfen zu lassen, wenn dies angeboten werde. Das Vakzin sei wirksam, sicher und für 18- bis 64Jährige empfohlen. Impfreakti­onen wie Fieber seien ein Zeichen dafür, dass das Immunsyste­m auf die Injektion reagiere. Wer lieber abwarte, ob er einen anderen Impfstoff erhalten könne, „riskiert, schwer zu erkranken“.

Spahn selbst würde sich mit dem Impfstoff impfen lassen. Gleiches verkündete der SPD-Politiker Karl Lauterbach auf Twitter.

Wie geht es jetzt mit dem AstraZenec­a-Impfstoff weiter?

Astra-Zeneca kündigte jüngst eine neue Impfstoff-Generation für den Herbst an, die besser vor Varianten schützen soll. Drosten riet allerdings davon ab, deshalb mit der Impfung abzuwarten. „Nach der derzeitige­n Auffassung sollte man sich sofort impfen lassen, sobald man dran ist“, sagte er.

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FOTO: ALAIN JOCARD/AFP/DPA Um den Impfstoff von Astra-Zeneca ist eine hitzige Debatte entfacht.

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