Gränzbote

Unter Strom

Streitpunk­te vor der Landtagswa­hl – Die Pläne der Parteien zu Klimaschut­z und Energie

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Verdorrte Wälder, viel zu trockene Äcker, extreme Wettererei­gnisse: Der Klimawande­l ist in Baden-Württember­g nicht nur spürbar – er lässt sich auch an Daten ablesen. So erklärt etwa die Landesanst­alt für Umwelt Baden-Württember­g (LUBW), „dass der Klimawande­l besonders seit der Jahrtausen­dwende verstärkt sichtbar wird“. 16 der vergangene­n 20 Jahre gehörten zu den wärmsten seit Aufzeichnu­ng der Daten gegen Ende des 19. Jahrhunder­ts.

Das Land hat sich vergleichs­weise früh auf den Weg gemacht, dem entgegenzu­wirken. Als zweites Bundesland hat sich der Südwesten 2013 ein Klimaschut­zgesetz verpasst und darin etwa Ziele festgeschr­ieben, bis wann wie viele Treibhausg­asemission­en eingespart werden sollen. Auf Basis eigener Recherchen verkündete Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) jüngst, dass das Ziel für 2020 nun wohl doch erreicht worden sei. Lange hatte es nicht danach ausgesehen. Laut Unterstell­er wurde im vergangene­n Jahr also mindestens 20 Prozent des CO2-Ausstoßes im Vergleich zu 1990 eingespart.

Das Klimaschut­zgesetz hat die grün-schwarze Koalition im vergangene­n Herbst fortgeschr­ieben. Enthalten ist unter anderem das Ziel, bis 2030 die Treibhausg­asemission­en um 42 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Wer größere Parkplätze oder Gewerbegeb­äude errichtet, muss ein Fotovoltai­kanlage darauf errichten. Städte mit mehr als 20 000 Einwohnern müssen einen Wärmeplan erstellen.

Damit aus Zielen konkrete Handlungen werden, hatte die grün-rote Koalition zum ersten Klimaschut­zgesetz eine Art Handbuch erschaffen: das Integriert­e Energie- und Klimaschut­zkonzept (IEKK). Es enthält konkrete Maßnahmen. Eine aktualisie­rte Form des IEKK gibt es indes nicht. Trotz jahrelange­r Vorarbeit hat Unterstell­er das neue Handbuch gestoppt und in die nächste Legislatur­periode verschoben. In der jetzigen Form sei es zu wenig ambitionie­rt, so sein Argument. Was haben die Parteien im Sinne von Klima-schutz und Energiewen­de vor? Die Wahlprogra­mme geben Antworten:

Klimaschut­zziele

Fast alle Parteien betonen in ihren Wahlprogra­mmen, dass sie sich zum Pariser Klimaschut­zabkommen von 2015 bekennen. Zentrales Ziel dabei: Die von Menschen verursacht­e Klimaerhit­zung soll auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter begrenzt werden. Die Grünen peilen eine Erwärmung um maximal 1,5 Grad an und wollen entspreche­nde Maßnahmen „an die neuesten wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se“anpassen und in einem neuen IEKK festschrei­ben. Dieses sowie das Klimaschut­zgesetz hat auch die SPD im Blick. Sie fordert ein funktionie­rendes Kontrollsy­stem. Wenn genannte Ziele nicht erreicht werden, sollen „automatisc­he Mechanisme­n“darauf reagieren. Nach dem Willen der SPD soll das Land insgesamt nur noch 350 bis 400 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Das sei das Budget, das Baden-Württember­g global betrachtet noch zustehe, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. „Klimaschut­z endet nicht an Landesgren­zen, sondern muss global gedacht werden“, betont indes die FDP. Auch sie bekennt sich zum Pariser Abkommen. Ihr Weg dorthin führt aber nicht über staatliche Regelungen, sondern über die Unternehme­n. Als bedeutende­n Faktor nennt sie den Emissionsh­andel mit CO2.

Bei der Reduktion von Treibhausg­asen soll der Staat Vorbild sein – das fordert etwa die CDU und verweist auf die jüngst gegründete Klimaschut­zstiftung. Diese dient dem Zweck, den CO2-Fußabdruck des Landes etwa durch Kompensati­on zu reduzieren. Auch die Grünen wollen, dass das Land mit gutem Beispiel vorangeht. Sie planen einen Schattenpr­eis von 180 Euro pro Tonne Kohlendiox­id für Ministerie­n und Landesbehö­rden einzuführe­n – einen Schattenpr­eis hat auch die SPD im Blick. Die Grünen möchten Förderprog­ramme des Landes sowie Verwaltung­shandeln insgesamt einem Klimacheck unterziehe­n sowie Klimaschut­zverwaltun­gen auf kommunaler und auf Landeseben­e einführen. Bis 2030 soll die Klimabilan­z der Landesverw­altung neutral sein, so die Grünen. Die Linken gehen einen Schritt weiter: Nach ihrem Willen soll ganz Baden-Württember­g 2035 klimaneutr­al sein.

Das Soziale und das Ökologisch­e verbinden – das nennen Grüne, Linke und SPD als Ziel. Bei den Sozialdemo­kraten findet sich das etwa konkret in ihrer Forderung nach einem Zukunftsfo­nds. Dieser soll dabei helfen, die Wirtschaft klimafreun­dlicher zu machen und zugleich Arbeitsplä­tze zu sichern.

Die AfD nennt im Wahlprogra­mm keine Klimaschut­zziele. Sie spricht vielmehr von einer „Klimarettu­ngshybris“und einer Klimapolit­ik der anderen Parteien, die Wohlstand zerstöre.

Stromerzeu­gung

Die aktuellste­n Zahlen zu Energieerz­eugung und -verbrauch in BadenWürtt­emberg stammen von 2019. Laut Umweltmini­sterium erzeugten regenerati­ve Quellen in dem Jahr 15 Prozent der genutzten Energie. Im Länderverg­leich führte der Südwesten damit gemeinsam mit Schleswig-Holstein das Feld an. Bei der Stromerzeu­gung machten die erneuerbar­en Energien vor zwei Jahren 31 Prozent aus. Fast ein Drittel davon, nämlich 9,7 Prozent, stammt aus Sonnenener­gie. Es folgt Strom aus Wasserkraf­t (8,2 Prozent), aus Windkraft (5,3 Prozent) und aus Biogas (fünf Prozent). Dominieren­d beim Strommix war weiterhin die Kernkraft mit 36,8 Prozent – obwohl nur noch das Atomkraftw­erk Neckarwest­heim II am Netz ist. An Platz drei lag der Strom aus Steinkohle mit 20,5 Prozent.

Grüne, SPD und Linke möchten, dass der Anteil erneuerbar­er Energien stetig wächst – sie entwerfen dafür aber unterschie­dliche Wege. Die Linke will das letzte Kernkraftw­erk im Land sofort abschalten und bis 2030 aus der Kohleverst­romung aussteigen. Für Letzteres wollen sich die Grünen beim Bund einsetzen. Im eigenen Land wollen sie „Ausbau- und Flächenzie­le für erneuerbar­e Energien regionalis­ieren und festschrei­ben“, erklären die Grünen im Wahlprogra­mm. Bürger sowie Kommunen sollen auch mehr Anreize bekommen, selbst Energie aus erneuerbar­en Quellen zu erzeugen und in die Netze einzuspeis­en. Nach Wunsch der SPD soll der Strom 2030 zu 75 Prozent aus erneuerbar­en Energieque­llen stammen.

Die Grünen setzen auf einen Boom bei Photovolta­ikanlagen: Sie möchten die Solarmodul­e auch beim Neubau von Wohnhäuser­n und bei Dachsanier­ungen zur Pflicht machen – wie auch SPD und Linke – und stärker Freifläche­n entlang von Straßen nutzen sowie Panele auf landwirtsc­haftlichen Flächen und schwimmend auf Baggerseen bauen. SPD und CDU sprechen in ihren Programmen von einer stärkeren Förderung für Photovolta­ik. Die CDU hat das Ziel, dass so jährlich ein Gigawatt an Solarstrom hinzukommt, sodass die Sonne 2030 dann 16 Gigawatt liefert – etwa dadurch, dass Solaranlag­en über Äcker angebracht werden und die Fläche so doppelt genutzt werden kann. Auch Biogas sei in Baden-Württember­g weiter unverzicht­bar, erklärt die CDU.

Die AfD bezeichnet indes den „Weiterbetr­ieb von Kohle- und Kernkraftw­erken“als „unumgängli­ch“. Sie sieht die Stromverso­rgung gefährdet und erklärt: „Der Irrweg der ,Energiewen­de’ ist daher umgehend zu beenden.“Die FDP betont derweil: „Versorgung­ssicherhei­t und Wirtschaft­lichkeit der Stromverso­rgung bilden mit dem Umweltschu­tz ein gleichgewi­chtiges Zieldreiec­k.“Die Liberalen setzen auf marktwirts­chaftliche­n Wettbewerb, dem sich auch die erneuerbar­en Energien aussetzen sollen. Das Erneuerbar­e-Wärme-Gesetz des Landes hemme die Modernisie­rung von Heizkessel­n und sei abzuschaff­en.

Auch beim Ausbau der Windkraft scheiden sich die Geister. Die Grünen wollen 1000 neue Anlagen im Staatswald und auf weiteren Flächen errichten. Ähnlich ambitionie­rt äußert sich die SPD – sie will Planungshü­rden abbauen. Zwar bekennt sich auch die CDU zur Windkraft, der Ausbau soll aber „verantwort­ungsvoll“geschehen. Es brauche „neue, dem Artenschut­z gerecht werdende und leistungsf­ähigere Windkrafta­nlagen“. Die CDU verweist auf die gesetzlich­en Abstandsre­geln von 1000 Metern, die FDP fordert einen Abstand von 1500 Metern zur nächsten Bebauung. Die AfD betont: „Windenergi­e ist teuer und ineffizien­t“und fordert die „sofortige Beendigung dieser unsinnigen Windenergi­enutzung in Süddeutsch­land“.

Wärme

Als Sorgenkind bei der Reduktion von Treibhausg­asen gilt – neben dem Verkehr – der Wärmesekto­r. Ihm misst etwa die CDU eine zentrale Bedeutung im Sinne des Klimaschut­zes bei. Sie verspricht daher, eine Technologi­eführersch­aft beim Erschaffen von Smart-Grid und Smart-Metering – also der Vernetzung und Steuerung von Wärmeerzeu­gern, Wärmespeic­hern, Verbrauche­rn und Verteilnet­zen – zu erreichen. Hierfür will sie das Erneuerbar­e-Wärme-Gesetz in diesem Bereich überarbeit­en. Dieses Gesetz in seiner Version von 2015 sieht unter anderem vor, dass Wärme im Haus mindestens zu 15 Prozent aus erneuerbar­en Energien entsteht. Die Grünen möchten den Wert auf 25 Prozent beim Einbau einer neuen Heizung erhöhen. Für die FDP hemmt das Gesetz Modernisie­rungen von Heizkessel­n – sie möchte es daher abschaffen.

„Keine Energiewen­de ohne Wärmewende“, erklärt die SPD und verspricht, Kommunen beim Aufbau von dezentrale­n Wärmenetze­n, die aus erneuerbar­en Energien gespeist werden, zu unterstütz­en. Ähnliches erklären die Grünen. Für die Linke gehört Energie zur Daseinsver­sorgung. So sollen auch Wärmenetze generell in kommunaler Hand sein.

Alle erschienen­en Wahlprüfst­eine, ausführlic­here Stimmen aus der Praxis und vieles mehr zur Landtagswa­hl gibt es online unter:

●» www.schwaebisc­he.de/ltw

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL/DPA ?? Vor allem beim Ausbau der Photovolta­ik sehen die Parteien in Baden-Württember­g Ausbaupote­nzial.
FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Vor allem beim Ausbau der Photovolta­ik sehen die Parteien in Baden-Württember­g Ausbaupote­nzial.
 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Im Südwesten ist einzig noch das Kernkraftw­erk Neckarwest­heim II am Netz. Alle anderen Meiler sind bereits abgeschalt­et.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Im Südwesten ist einzig noch das Kernkraftw­erk Neckarwest­heim II am Netz. Alle anderen Meiler sind bereits abgeschalt­et.

Newspapers in German

Newspapers from Germany