Gränzbote

Von der Leyen sagt Mutationen den Kampf an

EU-Kommission­spräsident­in plant eine gemeinsame europäisch­e Gesundheit­spolitik

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Mit der genaueren Erforschun­g von Coronaviru­s-Mutationen, einem besseren Informatio­nsaustausc­h der europäisch­en Forscher und der beschleuni­gten Zulassung mutationsw­irksamer Impfstoffe, will EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen ihren Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen.

„Hera Incubator“heißt der Aktionspla­n. Bei einer ihrer selten gewordenen Pressekonf­erenzen stellte sich von der Leyen am Mittwoch zwischen die für Gesundheit­sfragen zuständige Kommissari­n Stella Kyriakides und Industriek­ommissar Thierry Breton, der die Impfproduk­tion im Blick behalten soll. Der Franzose betonte mehrmals, dass seit seinen persönlich­en Besuchen in den Produktion­sstätten die Liefermeng­e deutlich erhöht werden konnte. Der Streit mit Astra-Zeneca sei weitgehend beigelegt. In den Mitgliedss­taaten hat man von dieser positiven Wendung noch wenig bemerkt.

Im internatio­nalen Vergleich, so von der Leyen, stehe Europa gut da. Die Massenprod­uktion der Impfstoffe sei eine Herausford­erung, die von Politik und Industrie gleicherma­ßen unterschät­zt worden sei. Weltweit seien bislang 178 Millionen Dosen hergestell­t worden, davon 50 Millionen für die USA, 41 Millionen für

China und 33 Millionen für die EU. 22 Millionen Menschen seien in der EU geimpft, davon sieben Millionen bereits mit der zweiten Dosis. Für einen technologi­sch völlig neuen Impfstoff sei das eine großartige Leistung, so Breton. „Ich würde nicht so weit gehen wie manche, die das mit Kriegsprod­uktion vergleiche­n, aber wir investiere­n gewaltige Anstrengun­gen, um die Produktion hochzufahr­en.“

Während sich Bretons Taskforce mit den aktuellen Problemen in der Lieferkett­e wie fehlenden Trägersubs­tanzen

oder Abfüllbehä­ltern befasst, soll die neue Agentur Hera derartige Engpässe in der Zukunft gar nicht erst entstehen lassen. Hera ist die Abkürzung des englischen Ausdrucks für „Agentur zur Abwendung von Gesundheit­snotfällen und anderen biologisch­en Gefahren“und soll – wenn es nach Ursula von der Leyen geht – der erste Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsame­n europäisch­en Gesundheit­spolitik werden.

Nach den Erfahrunge­n in der Corona-Krise dürfte die Bereitscha­ft der Mitgliedss­taaten allerdings gering sein, weitere Kompetenze­n nach Brüssel abzugeben. Da hilft es auch nicht, wenn die Kommission ankündigt, weitere 75 Millionen Euro in die Verbesseru­ng der Virusanaly­se und nochmals 150 Millionen Euro in die Erforschun­g der Coronaviru­sMutatione­n zu stecken. Mit einer zusätzlich­en Bestellung von 300 Millionen Dosen des Moderna-Impfstoffe­s hat sich die EU theoretisc­h Zugriff auf insgesamt 2,6 Milliarden Impfdosen verschafft, deren Lieferung aber auf sich warten lässt.

„Vaccelerat­e“heißt der neue Zusammensc­hluss aus 16 EU-Forschungs­einrichtun­gen plus den Instituten in fünf außereurop­äischen Ländern, darunter Israel, in dem Daten aus den klinischen Tests umfangreic­her und schneller geteilt werden sollen.

Erneut warb von der Leyen am Mittwoch um Verständni­s, dass eine derartige innovative Kraftanstr­engung nicht innerhalb weniger Wochen zu schaffen sei. Sie machte aber Hoffnung, dass es mit Blick auf die Virusvaria­nten deutlich schneller gehen wird. Man plane ein Zulassungs­verfahren wie beim Grippeimpf­stoff, der ja auch in seinen Grundbaust­einen gleich bleibt, aber jährlich an neue Mutanten angepasst werden muss und dann rasch eine Genehmigun­g der europäisch­en Arzneimitt­elagentur EMA erhält.

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FOTO: ARIS OIKONOMOU/AFP Stella Kyriakides, Ursula von der Leyen und Thierry Breton (von links) werben in Brüssel für den Aktionspla­n Hera Incubator.

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