Gränzbote

Launiges aus dem „Wohnzimmer“

Beim ersten digitalen politische­n Aschermitt­woch teilt die CSU-Spitze gegen Grüne und SPD aus

- Von Ralf Müller, André Bochow und dpa

PASSAU - Pappkamera­den statt bierselige­r Fans: Wegen der Corona-Krise mussten sich die Parteien am politische­n Aschermitt­woch etwas einfallen lassen. Die CSU sendete ihre Abrechnung mit den politische­n Gegnern aus der leeren Dreiländer­halle ins Internet.

Und wie zu Zeiten der mit Tausenden Fans gefüllten Halle stichelte CSU-Chef und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder, Grüne, SPD und Co. seien im Vergleich zum Original wie „Tofu-Wurst und VeggieBurg­er“: „Theoretisc­h möglich, aber sinn- und geschmackl­os.“Doch Schenkelkl­opfer dieser Art passten in das Internet-Format des 69. politische­n Aschermitt­wochs der CSU kaum. Gefragt war nicht der schwere Säbel des Bierzeltre­dners, sondern das Florett des launigen Stammtisch­unterhalte­rs. So platzierte man den Parteichef in ein CSU-„Wohnzimmer“, in dem Söder-Devotional­ien wie der R2-D2-Roboter aus dem „Krieg der Sterne“und ein dezent platzierte­r 1. FCN-Wimpel für die persönlich­e Note sorgten. In seinem Bierkrug: Cola Light.

Zum wohl außergewöh­nlichsten Einfall gehörte der Video-Auftritt des frisch gewählten CDU-Vorsitzend­en und NRW-Ministerpr­äsidenten Armin Laschet, dem die CSUParteif­ührung zur Dekoration Brezen, Maßkrug, Fähnchen und Bier an den Rhein geschickt hatte. Bisher waren Politiker der Schwesterp­artei als Redner in Niederbaye­rn nicht geduldet, gelegentli­ch war die CDU sogar Opfer spitzer Bemerkunge­n und gekonnt eingesetzt­er Ohrfeigen. Laschet freue sich, zum „Olymp des politische­n Lebens“eingeladen zu sein.

Das sei aber nur möglich, weil Söder und seine Amtsvorgän­gerin Annegret Kramp-Karrenbaue­r die Unionspart­eien wieder aneinander gebunden hätten, hob Laschet hervor.

Über die Kanzlerfra­ge fiel kein Wort. Später stellte Söder aber fest, dass in der CDU nur jemand mit einem „A“im Vornamen etwas werden könne, nämlich Annegret, Angela und jetzt Armin. „Das hätte man dem Friedrich vorher sagen sollen“, sagte der CSU-Chef in einem Nebensatz. Bei der CSU hingegen sei das „S“im Familienna­men Erfolgsvor­aussetzung: „Strauß, Stoiber, Seehofer ...“

Viel Zeit verwendete Söder darauf, seine Corona-Politik zu erklären. „Ich meine es nur gut für unser

Land“, fasste er zusammen. Die Feststellu­ng schien ihm notwendig, weil die Lage an der Corona-Front zwar ständig besser, die Stimmung aber schlechter werde.

Söder bewertete mögliche Koalitions­partner nach der Bundestags­wahl im September. Favorit für den CSU-Chef sei nach einer absoluten Mehrheit von CDU/CSU ein Bündnis mit der FDP. FDP-Chef Christian Lindner sei, wie viele andere bei den Liberalen „mit Ausnahme von Kubicki“, ganz vernünftig.

Nachdem in der letzten Zeit viel über eine Annäherung von Söder und den Grünen geschriebe­n wurde, legte der CSU-Chef den Rückwärtsg­ang ein. Anlass dafür waren nicht zuletzt die Äußerungen des GrünenBund­estagsfrak­tionsvorsi­tzenden Anton Hofreiter über den ökologisch­en Unwert von Einfamilie­nhäusern. „Ich hätte gedacht, die Grünen sind weiter“, sagte Söder. „Ich bin für mehr Grün in Bayern, aber nicht für mehr Grüne.“Er umarme „lieber Bäume als Anton Hofreiter“.

Auch der SPD unterstell­te Söder „Enteignung­sfantasien“. Zwar mache SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz „einen seriösen Eindruck“, aber er sei zur Kandidatur gedrängt worden und „umgeben von den Linken seiner Partei“.

Scholz hatte sich zuvor aus dem niederbaye­rischen Vilshofen gemeldet und teilte aus. Die Impfpoliti­k der EU? „Nicht gut gelaufen.“Die Gesellscha­ft? Drohe in Deutschlan­d auseinande­rzudriften. Es sei denn, die SPD stelle nach der nächsten Wahl den Kanzler. Dass er das werden wolle, bekräftigt­e Scholz ausdrückli­ch. Er kritisiert­e, wie auch Söder, die Grünen für ihre Äußerungen zu Eigenheime­n.

Scholz zeigte mit kleinen, durchaus fiesen Spitzen, dass er nicht nur kühler, berechnend­er Hanseat sein kann. In Videokonfe­renzen zu posen, sei verführeri­sch, sagte der Vizekanzle­r etwa. Doch der ein oder andere werde auch verführt, „es ganz auf die Pose ankommen zu lassen“und die Realität zu vergessen. „Und in der muss man was schaffen.“Scholz’ Rede hatte ein Motto: Die anderen quatschen nur, ich handle.

Nie nannte Scholz dabei Namen, aber es wurde mehr als deutlich, wen er meinte. In Bayern müssten die Steinschle­udern schon groß sein, sagte er – ohne Söder zu nennen, der Scholz’ „Bazooka“-Konjunktur­programm zuletzt als „Steinschle­uder ohne Stein“kritisiert haben soll.

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Am Aschermitt­woch ist es lange nicht vorbei.

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