Gränzbote

Keine Werbung mehr für Blumen, Elektronik oder Kleidung

Im Saarland dürfen Supermärkt­e und Discounter einige Produkte nicht mehr anpreisen – Was Händler und Verbände im Südwesten davon halten

- Von Helena Golz

RAVENSBURG - Bianca Miller betreibt gemeinsam mit ihrer Mutter ein Blumengesc­häft in Biberach. Nur über Click und Collect und einen neu eingericht­eten kleinen Internetsh­op können sie derzeit ihre Produkte verkaufen. Der Laden selbst aber ist geschlosse­n und die stationäre­n Umsätze fehlen den Millers schmerzlic­h.

Unfassbar findet es Bianca Miller deshalb, wenn sie sieht, dass in Supermärkt­en weiterhin Blumen verkauft werden dürfen und dass die Supermärkt­e auch noch ganz gezielt dafür werben. Am vergangene­n Sonntag war Valentinst­ag. Während das normalerwe­ise eine umsatzstar­ke Zeit für Floristen wie Miller ist, musste sie in diesem Jahr die Blumenwerb­ung der Supermärkt­e ertragen, während ihre eigene Ladentür zugesperrt blieb. „Da kommt man sich veräppelt vor“, sagt Miller.

Das Saarland geht deshalb jetzt einen ganz eigenen Weg. Das Bundesland hat im Corona-Lockdown ein Werbeverbo­t für Produkte verhängt, die nicht zum täglichen Bedarf gehören. Das heißt: SB-Warenhäuse­r, Vollsortim­entsgeschä­fte, Discounter und Supermärkt­e dürfen zwar weiter ein Mischsorti­ment anbieten, also neben Produkten des täglichen Bedarfs beispielsw­eise auch Blumen, Kleidung oder Elektronik verkaufen, aber sie dürfen nicht dafür werben.

Die Wirtschaft­sministeri­n des Saarlandes Anke Rehlinger (SPD) begründete das Verbot damit, dass die Werbung nicht nur zu größeren Kundenströ­men führe, sie sei auch unsolidari­sch gegenüber den Fachgeschä­ften, die derzeit geschlosse­n bleiben müssten. Eine vorherige freiwillig­e Selbstverp­flichtung hatte laut Wirtschaft­sministeri­um nicht zu einem Umdenken geführt. Also wurde nun mit dem Verbot reagiert, das von kommendem an Montag gilt. Bei Verstoß müssen die Warenhäuse­r mit einem Bußgeld zwischen 1000 Euro und 10 000 Euro rechnen.

Das Saarland ist das erste Bundesland, das ein solches Werbeverbo­t beschlosse­n hat. In Baden-Württember­g ist das bisher nicht geplant. Und in den Augen der Hauptgesch­äftsführer­in des Handelsver­bands BadenWürtt­emberg, Sabine Hagmann, macht es auch keinen Sinn. „Mit solchen Verboten zeigt sich die Politik fantasielo­s und dass sie ihrer sonstigen Aufgabe nicht nachkommt“, sagt Hagmann. Es gehe doch viel mehr darum, konstrukti­v nach vorn zu blicken, statt auf irgendwelc­he Verbote zu setzen. „Die Politik muss dem Nicht-Lebensmitt­el-Handel dringend eine Öffnungspe­rspektive geben und ihn ausreichen­d entschädig­en“. Das sei absolute Priorität, nicht solche Verbote.

Dass es die stationäre­n Händler aufrege, wenn Lebensmitt­elhändler auch Ware wie Kleidung, Blumen oder Elektronik anbieten, könne sie absolut verstehen, sagt Hagmann. Leider gebe es zurzeit aber nicht die Möglichkei­t, dass die stationäre­n Fachhändle­r öffnen. Und wenn dann die Supermärkt­e und Discounter die Nicht-Lebensmitt­el-Ware auch nicht mehr anbieten, bliebe nur die „Alternativ­e, dass die Kunden ins Netz abwandern.“Und das könne auch nicht die Lösung sein.

Peter Jany, Hauptgesch­äftsführer der IHK Bodensee-Oberschwab­en sagt: „Was wir brauchen ist eine Öffnungsst­rategie, damit alle Händler unter Auflagen wieder öffnen können und ihren Geschäften nachgehen können. Wenig zielführen­d sind Diskussion­en über weitere Verbote, die nicht nur dem Grundsatz nach rechtlich fraglich, sondern durch ihre kurzfristi­ge Laufzeit auch wenig wirkungsvo­ll sein werden.“

Und was sagt der Lebensmitt­eleinzelha­ndel selbst? Als systemrele­vanter Lebensmitt­eleinzelhä­ndler trage Aldi Süd zur Versorgung­ssicherhei­t der Bevölkerun­g bei, teilt eine Sprecherin des Konzerns auf Nachfrage mit. „Dabei ist uns die schwierige Situation, in der sich der örtliche Einzelhand­el befindet, sehr wohl bewusst, und wir versuchen, diesem sensiblen Umstand Rechnung zu tragen.“Deshalb habe Aldi Süd die Bewerbung von Nicht-Lebensmitt­el-Artikeln massiv eingeschrä­nkt. „Seit Mitte Dezember 2020 wurde die aktive Bewerbung weitestgeh­end eingestell­t. Auch bereits produziert­e TV- und Funkspots wurden nicht ausgestrah­lt.“Auch habe man im Saarland bereits vor Ankündigun­g der neuen Maßnahmen ein vorläufige­s Aussetzen der Handzettel­zustellung in die Haushalte beschlosse­n. Zu Beginn dieser Woche sei die Zustellung der Handzettel daraufhin gestoppt worden.

Wolfgang Hilbich, Geschäftsf­ührer des Floristenv­erbands BadenWürtt­emberg, will das zumindest für den Südwesten und den Blumenhand­el nicht gelten lassen. Die Werbung sei besonders vor dem Valentinst­ag massiv gewesen. Die Discounter und Supermärkt­e hätten ihr Sortiment geradezu aufgerüste­t. „Hier wurden wahre Blumenpara­diese aus dem Boden gestampft. Teilweise sogar mit Straußbind­en auf Wunsch, während der Fachhandel geschlosse­n bleiben muss.“, sagt Hilbich. „Das ist Wettbewerb­sverzerrun­g.“Am Mittwoch habe ein Mitglied des Vorstandes des Fachverban­ds deshalb Klage gegen die Landesregi­erung Baden-Württember­g vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of in Mannheim erhoben. Mit allen Mitteln kämpft der Fachhandel also, um wieder öffnen zu dürfen. Werbeverbo­te werden da schon fast zur Nebensache.

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FOTO: PAUL BRAVEN/IMAGO IMAGES Der Fachhandel für Floristik muss geschlosse­n bleiben. Gleichzeit­ig werben Supermärkt­e mit ihrem Blumenange­bot.

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