60 Prozent machen 2020 keinen Gewinn
Südwestmetall: Vertreter blicken auf ein turbulentes Jahr zurück
REGION - Keine Lohnerhöhung, dafür mögliche Einschnitte bei Sozialleistungen wie Urlaubsgeld – mit diesen Positionen gehen die Arbeitgeber des Verbandes Südwestmetall in die Tarifrunde 2021. Die Firmen der Metall- und Elektroindustrie verweisen auf eine doppelte Belastung: die Pandemie einerseits und die Transformationsprozesse in der Branche in Richtung Digitalisierung andererseits.
In einer Online-Medienkonferenz nahmen Vertreter der Südwestmetall-Bezirksgruppe SchwarzwaldHegau Stellung zu den bevorstehenden Verhandlungen mit der IG Metall (wir berichteten). Ende Februar findet die nächste Runde statt. Dann endet auch die Friedenspflicht – im März wären Warnstreiks möglich.
Die Arbeitgeber geben sich dabei kämpferisch. Allen voran Marquardt-Chef Harald Marquardt, der angesichts von Transformationsprozessen – weg von den Verbrennern, hin zur E-Mobilität in der Autoindustrie
– davor warnte, „Transplantationen“von Arbeitsplätzen ins Ausland oder andere Bundesländer in Kauf zu nehmen. Marquardt: „Arbeitsplätze, die unseren Standort verlassen, kehren nie mehr zurück.“Seine Firma habe 2020 etwa 15 Prozent an Umsatz verloren, obwohl „wir es nicht schlecht hingebracht haben.“Zudem erklärte der Rietheimer Unternehmer, dass er aus dem eigenen Betrieb heraus eine nie dagewesene „Diskrepanz“zwischen der Belegschaft und den (IG-Metall-)Funktionären spüre: In der Belegschaft stehe die Sicherung der Arbeitsplätze an erster Stelle, nicht das Geld. Die Gewerkschaft dagegen sei „nicht Motor der Transformation, sondern Bremser.“
Zuvor hatte Aesculap-Chef Jochen Schulz, zugleich regionaler Vorsitzender von Südwestmetall, auf die Lage in der Branche aufmerksam gemacht. Zwei Entwicklungen laufen derzeit parallel: die Belastungen durch Corona und eben jene strukturelle Veränderung, die schon 2018, spätestens 2019, eingesetzt und die Firmen unter Druck gesetzt hat. 2020 dann ein regelrechter Absturz: die Hälfte der Produktion habe zeitweise stillgestanden, Lieferketten waren unterbrochen, Kurzarbeit auf hohem Niveau. In dieser Phase, so Schulz haben die Firmen ihre Leute weitgehend gehalten: Die Zahl der Beschäftigten sei kaum gesunken, während die Produktion im Vergleich zum Jahr 2018 auf knapp 81 Prozent zurückgegangen sei.
Schulz‘ Blick in die Zukunft gestaltete sich aber skeptisch: Vor Mitte 2022 werde der Aufschwung nicht kommen – und das heißt für die Arbeitgeber: Dann werden sie, vom Ausgangspunkt 2018 aus, vier Krisenjahre hinter sich haben. Südwestmetall-Sprecher und Geschäftsführer Markus Fink ergänzte das Szenario um eine weitere Zahl: etwa 60 Prozent der Unternehmen haben im vergangenen Jahr keinen oder nur einen geringen Gewinn unter zwei Prozent (Nettoumsatzrendite) gemacht.
Schulz: „Wir sind noch lange nicht über dem Berg.“Zwar gebe es Hinweise, dass es wieder etwas besser läuft, aber als wären der schlechten Nachrichten nicht genug, werden einige Betriebe, etwa Autozulieferer, jetzt auch noch von den MikrochipsLieferengpässen getroffen. Noch eine aktuelle Zahl: 13 Prozent der SWM-Firmen werden Stellen abbauen, 30 Prozent denken zumindest daran, immerhin 57 Prozent haben das derzeit nicht vor.
Zu den Herausforderungen zählt Schulz die Digitalisierung und die politische Forderung nach mehr klimaneutraler Produktion. An diesem Prozess will SWM die Arbeitnehmer beteiligen – sie sollen auf Lohnzuwächse verzichten, da in Deutschland die Lohnstück- und die Arbeitskosten (zu) hoch seien. Baden-Württemberg sei da aktuell ein „besseres Schlaraffenland“, wenn hier etwa bereits ab 12 Uhr Schichtzuschläge gezahlt werden müssen. Für die Arbeitgeber sind solche Sozialleistungen nicht mehr darstellbar. Südwestmetall fordert zudem auch, dass einzelne Firmen vom Flächentarifvertrag nach unten abweichen dürfen, wenn es die Situation erfordert.