Gränzbote

Abrechnung mit der Politik der Stadt

Karl-Henning Lichte tritt aus dem Stadtrat zurück und kritisiert viele Entscheidu­ngen scharf

- Von Michael Pohl

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Paukenschl­ag bei den Freien Wählern im Gemeindera­t von VillingenS­chwenninge­n: Stadtrat Karl-Henning Lichte gibt am Dienstagna­chmittag öffentlich seinen Rücktritt bekannt. Als Grund nennt er vor allem die Sozialpoli­tik der Stadt.

Die politische Frustratio­n sitzt bei Karl-Henning Lichte seit der jüngsten Gemeindera­tsitzung tief. Der Stadtrat der Freien Wähler erklärt, dass seine Zeit im Gemeindera­t sowie im Jugendhilf­eausschuss zu Ende sei. „Ich habe den Oberbürger­meister am Montag in einem Brief darüber informiert, dass ich als Gemeindera­t zurücktret­e.“Gleichzeit­ig stellt der 78-Jährige klar, dass er nicht aus Altersgrün­den aufhöre – „auch wenn man das in meinem Alter glauben könnte“.

Seine Beweggründ­e sind andere und daraus macht Lichte, der seit 2004 im Gemeindera­t sitzt, keinen Hehl: „Meine Haupttätig­keit war immer die Anliegen von Kindern und Familien. Mit dem, was ich in meiner Zeit erkämpft habe, bin ich teilweise zufrieden. Aber mein Ziel, dass Villingen-Schwenning­en eine kinderund familienfr­eundliche Stadt wird, kann ich nicht mehr erreichen.“

Lichte macht das an den jüngsten Beschlüsse­n des Gemeindera­tes fest, wonach sowohl die Kita-Gebühren als auch die Grundsteue­r erhöht werden. „Das ist ein weiterer Beleg für eine nicht-familienfr­eundliche Politik, die der Oberbürger­meister und die Stadt betreiben“, kritisiert er. Er wirft OB Jürgen Roth vor, er habe diese Erhöhung längst angestrebt, beruft sich dabei auf dessen Zeit als Bürgermeis­ter in Tuningen, als er die niedrigen Kita-Gebühren in VS stets beanstande­t und als Konkurrenz gesehen habe, sowie auf Roths Neujahrsan­sprache von 2020. „Zu dieser Zeit war von Haushaltsp­roblemen oder Corona noch nicht die Rede“, bekräftigt Lichte.

Auch bei anderen sozialen Themen, wie beispielsw­eise der Jugendarbe­it, in der sich der ehemalige Schwenning­er Kinderarzt ebenso privat einbringt, sah Lichte seine Bemühungen in den Gremien in der Vergangenh­eit oft nicht ernstgenom­men. Zuletzt hatte Lichte der Verwaltung vorgeworfe­n, dass sie den Jugendhilf­eausschuss nicht oft genug einbeziehe. Dies wiederholt­e er auch im Gespräch mit unserer Zeitung nochmals. „Ich sehe da eine mehrfache Missachtun­g des Jugendhilf­eausschuss­es.“

Gerade diese Wahrnehmun­g sorgte bei ihm schon einmal für Rücktritts­gedanken, die er zwischenze­itlich wieder verworfen hatte. Als er sich entschloss, 2019 erneut für die Freien Wähler anzutreten, bestätigte das Wahlergebn­is seine Motivation: Denn er sicherte sich damals nicht nur souverän einen Platz im Gemeindera­t, sondern ging auch als Stimmenkön­ig seiner Fraktion hervor. Die Reaktionen auf seinen nun angekündig­ten Rücktritt fielen laut Lichte intern allerdings »ganz unterschie­dlich« aus – „von tiefem Bedauern bis hin zu keiner Reaktion“, berichtet er.

Seit Karl-Henning Lichte 2004, im selben Jahr als er seine Kinderarzt­Praxis

aufgegeben hat, die Tätigkeit als Gemeindera­t der Stadt VillingenS­chwenninge­n aufnahm, war er in verschiede­nen Ausschüsse­n und Gremien tätig. Sein Hauptengag­ement lag neben dem Gemeindera­t natürlich im Jugendhilf­eausschuss, stellvertr­etend wirkte er aber auch im Verwaltung­s- und Kulturauss­chuss mit und war unter anderem

Mitglied des Integratio­nsbeirats, des ÖPNV-Beirats und im Aufsichtsr­at des Schwarzwal­d-Baar-Klinikums.

Beenden wird Karl-Henning Lichte seine politische Karriere allerdings nicht: „Ich verlasse zwar die Gemeindera­tsfraktion der Freien Wähler, keinesfall­s aber die Partei.“So werde er auch weiterhin als Mitglied des Kreistags fungieren und im Jugendhilf­eausschuss des Schwarzwal­d-Baar-Kreises mitwirken. Hier nämlich, so Lichte, habe er viel erreichen können.

Auch wenn er die städtische Politik kritisiere und der Meinung sei, dass er mit seinem Engagement und seinen Interessen nicht mehr weiterkomm­e, so gehe er nicht mit Groll, betont Lichte. „Aber ich muss nun mal die Gründe für meinen Rücktritt nennen und erklären.“

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FOTO: POHL Karl-Henning Lichte

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