Stimmen aus der Praxis
Mit der Fridays-for-Future-Bewegung haben Klimaschutz und Energieeffizienz eine enorme Dynamik bekommen. Dann kam Corona und ich dachte, dass sich der Fokus verschiebt. Im Gegenteil: Der Bedarf an unserer Beratung ist weiterhin immens. Wir haben inzwischen Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr. Das ist ein Zeichen dafür, dass das Thema in der Gesellschaft angekommen ist.
Unser größtes Sorgenkind ist die Mobilität. Da gehen die CO2-Emissionen in vielen Kommunen nach oben, weil mehr Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind. Mobilität gerade im ländlichen Raum in den Griff zu kriegen, ist meiner Meinung nach das dickste Brett, das wir bohren müssen. Vor Corona hatte ich die Idee, dass Kommunen „Fridays for Homeoffice“einrichten könnten. Dass Homeoffice vielerorts klappt, hat die Pandemie bewiesen.
Wärme ist die zweite große Herausforderung bei der Reduktion der Treibhausgase. Was die Landesregierung mit dem Klimaschutzgesetz vergangenes Jahr verabschiedet hat, ist der richtige Ansatz: Städte mit mehr als 20 000 Einwohner müssen bis Ende 2023 eine kommunale Wärmeplanung entwickeln. Mein Wunsch wäre, dass das auch kleinere Gemeinden machen.
Walter Göppel führt seit 2000 die Geschäfte der Energieagentur Ravensburg
Ich finde wichtig, dass wir ein Bewusstsein dafür schaffen, dass der Klimawandel uns alle betrifft – nicht nur uns Jüngere, sondern alle Generationen. Wir wissen viel über die dramatischen Folgen des Klimawandels, aber nicht alle haben dafür das Bewusstsein. Das ist aber wichtig, um handeln zu können. Auch der Klimawandel ist eine Pandemie.
Wir brauchen einen schnellen Kohleausstieg. Wir brauchen bessere und häufigere Busverbindungen. Gerade auf dem Land ist das Auto noch zu wichtig. Die Busfahrt muss sich jeder leisten können. Das gehört zur Klimagerechtigkeit. Wir sollten alle mehr vor Ort einkaufen und vor allem Bio-Lebensmittel essen, die auch bezahlbar sein müssen.
Zur Klimagerechtigkeit gehört auch, dass nicht der globale Süden für die Folgen der Krise zahlen muss, die hauptsächlich wir im globalen Norden verursacht haben.
Marlene Bühler, 16, Schülerin und Mitglied im Orga-Team von Fridays for Future in Isny im Allgäu
Der Strombedarf wächst, die E-Mobilität hat einen Hochlauf. Viele bei uns im ländlichen Raum denken beim Kauf eines E-Autos an die eigene Stromerzeugung. Wir verkaufen auch immer mehr Fotovoltaik-Anlagen mit Stromspeicher und einer Wallbox zum Laden des Autos. Und wir machen unseren Kunden ein Angebot zur Lieferung des restlichen Strombedarfs und speisen den übrigen Strom in unser Netz ein.
Die Schwierigkeit dabei ist, dass die Netze dabei stabil bleiben. Sie sind nicht dafür ausgelegt, dass der Strom in zwei Richtungen fließt – nicht nur zum Verbraucher, sondern auch von ihm zurück ins Netz. Heute geht es aber in alle Richtungen. Wenn ein ganzer Straßenzug über Nacht seine E-Autos laden will, könnte das zu Problemen führen. Aber überall dort, wo wir an die Netze rangehen, verstärken und stabilisieren wir diese. Das sind teils enorme finanzielle Vorleistungen für einen Energieversorger wie uns. Der Wandel an sich ist eine Herausforderung.
Manfred Henselmann, Bereichsleiter Vertrieb der Stadtwerke Sigmaringen