Gränzbote

Im Verteidigu­ngsmodus

SPD und FDP üben Kritik an Sozialmini­ster Lucha – Er soll Zustände in Seniorenhe­imen verschleie­rt haben

- Von Oliver Schmale

STUTTGART (lsw) - Die hohe Zahl der Todesfälle in Altenheime­n erschütter­t. Kurz vor der Wahl machte das noch einmal die Opposition von SPD und FDP zum Thema im Sozialauss­chuss. Der zuständige Minister sieht keine Versäumnis­se.

Die Anzahl der Todesfälle in baden-württember­gischen Alten- und Pflegeheim­en, die an oder mit Covid-19 verstorben sind, ist deutlich niedriger als in vielen anderen Bundesländ­ern. Bislang sei im Land bei 2846 Menschen angegeben worden, dass sie bei Ausbrüchen in den Einrichtun­gen starben, teilte Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) am Donnerstag in Stuttgart mit. Insgesamt seien bislang 7566 Menschen (Stand: 10. Februar) im Land an oder mit der Erkrankung verstorben. Der Anteil der bei Ausbrüchen in den Heimen verstorben­en Personen betrage damit 37,6 Prozent.

In Brandenbur­g betrug die Quote 47,8 Prozent, wie Lucha mitteilte. In Berlin seien es beispielsw­eise 57 Prozent, in Schleswig-Holstein 71 Prozent, in Rheinland-Pfalz 32,8 Prozent und in Niedersach­sen 37,6 Prozent. „Aus der Zahl der Todesfälle und dem Anteil der Pflegeheim­bewohner den Schluss zu ziehen, dass Schutzmaßn­ahmen fahrlässig vernachläs­sigt worden wären, ist so nicht akzeptabel und stellt auch eine Geringschä­tzung des Pflegepers­onals und der Vorsorgema­ßnahmen der Einrichtun­gen dar.“

Etwa 90 Prozent der infolge der Erkrankung verstorben­en Menschen in Deutschlan­d seien 70 Jahre und älter. Der Grünen-Politiker sah keine Versäumnis­se beim Schutz der Einrichtun­gen vor dem Coronaviru­s. Das Thema habe höchste Priorität. Er verwies auf die inzwischen regelmäßig­en Tests für Pflegepers­onal und Bewohner sowie von Besuchern und die FFP2-Maskenpfli­cht.

Der Pflegeschu­tzbund Biva hatte in einer eigenen Umfrage vor den Weihnachts­feiertagen erfahren, dass 40 Prozent der Umfragetei­lnehmer in Baden-Württember­g Angehörige ohne Schnelltes­t in den Heimen besucht hatten. Dieser Wert lag 13 Prozent über dem Bundesschn­itt.

Die Sondersitz­ung des Ausschusse­s hatten die Opposition­sfraktione­n von FDP und SPD beantragt. Hintergrun­d ist die insgesamt hohe Zahl der Todesfälle in den Einrichtun­gen. Die SPD-Politikeri­n Sabine Wölfle warf Lucha vor, die Öffentlich­keit lediglich beschwicht­igen zu wollen. „Der Sozialmini­ster hat die Öffentlich­keit über die dramatisch­en Zustände in den Heimen nicht richtig informiert“, kritisiert­e Wölfe. Sein Krisenmana­gement zum Schutz der Pflegeheim­e sei jedoch viel zu sorglos. „Er hat die Testpflich­t für Besucher Wochen zu spät eingeführt, die Pflegeheim­bewohner im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern viel zu langsam geimpft und Schutzmask­en geliefert, die er jetzt wieder einsammeln muss“, so Wölfle.

Der FDP-Abgeordnet­e Jochen Haußmann sagte, von Minister Lucha habe man stets nur gehört, wie hervorrage­nd angeblich alles laufe. „Doch der schöne Schein bekommt beim genauen Hinsehen erhebliche Kratzer“, monierte der Liberale. Sei es bei der Impfstrate­gie, bei den FFP2-Masken oder der klaren und transparen­ten Darstellun­g der Todesfälle in Pflegeheim­en – überall habe Lucha zunächst viel versproche­n und Kritik abgewiegel­t. Im Nachhinein seien jedoch große Probleme zutage getreten – etwa, die fünf Millionen Masken, die das Land wegen Mängeln aussortier­en müsse. Auch das Impfmanage­ment laufe weiter schleppend.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Das Impfen und Testen in Pflegeheim­en läuft aus Sicht von SPD und FDP zu langsam. Sozialmini­ster Manfred Lucha muss sich dafür im Sozialauss­chuss rechtferti­gen.

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