Gränzbote

Angriffe sind Alltag

DRK-Studie bestätigt häufige Gewalt gegen Sanitäter – Deeskalati­onstrainin­g soll helfen

- Von Michael Gabel

BERLIN - Beschimpfe­n, Androhen von Gewalt, körperlich­e Übergriffe – fast vier von fünf Angriffen auf Rettungskr­äfte gehen von Menschen aus, denen eigentlich geholfen werden soll. Das geht aus einer Befragung von Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) hervor, die am Donnerstag veröffentl­icht wurde. Man wolle die Beschäftig­ten künftig durch Schulungen besser auf schwierige Situatione­n vorbereite­n, kündigte DRK-Präsidenti­n Gerda Hasselfeld­t an. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wie groß ist das Problem?

Sehr groß. Die Befragung ergab, dass Rettungskr­äfte des DRK im Schnitt mindestens einmal pro Jahr beschimpft, bedroht oder sogar körperlich angegangen werden. Hasselfeld­t wertete das als erschrecke­ndes Ergebnis. Es zeige, dass „Beleidigun­gen, Beschimpfu­ngen und auch körperlich­e Übergriffe mittlerwei­le zum Alltag im Rettungsdi­enst gehören“. Für die Studie wurden 425 Fragebögen von DRK-Beschäftig­ten ausgewerte­t.

Wie sieht die Gewalt gegen Rettungskr­äfte aus?

Die häufigsten Formen körperlich­er Gewalt waren Schlagen, Treten (32,7 Prozent) sowie Schubsen (31,5 Prozent). Bei den verbalen Übergriffe­n liegen Beschimpfu­ngen und Beleidigun­gen mit 91,1 Prozent weit vorn, gefolgt von der Androhung von Gewalt (55,3 Prozent). Nicht immer richtete sich die Gewalt gegen Personen. Auch das Einsatzfah­rzeug oder Ausrüstung­sgegenstän­de waren Ziel der Aggression­en.

Welche Situatione­n sind besonders gefährlich?

Oft kommt es schon direkt nach dem Eintreffen des Rettungsdi­enstes zu Problemen oder dann während der Behandlung eines Patienten. Einsätze am Abend oder in der Nacht sind deutlich gefährlich­er als am Morgen oder am Tag.

Was hat die Gesetzesve­rschärfung von 2017 bewirkt?

Seit 2017 drohen härtere Strafen: Seither müssen Personen, die Rettungskr­äfte oder Feuerwehrl­eute angreifen, mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen. Außerdem stellt das Gesetz das Gaffen an der Unfallstel­le oder Blockieren einer Rettungsga­sse

unter Strafe. Welchen Effekt diese höheren Strafandro­hungen genau haben, ist bislang schwer zu sagen. Immerhin: Laut polizeilic­her Kriminalst­atistik ist die Zahl von Straftaten gegenüber Rettungskr­äften nicht weiter gestiegen. Sie verbleibt mit bundesweit rund 1500 Angriffen pro Jahr aber auf hohem Niveau. Beim DRK heißt es, mit dem Strafrahme­n sei man zufrieden und eine weitere Erhöhung nicht nötig. Aber angezeigte Straftaten müssten besser von den Ermittlern verfolgt werden.

Mit welchen Mitteln wäre der Gewalt gegen Rettungskr­äfte besser beizukomme­n?

Die Autoren der Studie fordern vor allem Schulungen des Personals in Deeskalati­on und Kommunikat­ion. Aber auch der Selbstschu­tz der Beschäftig­ten müsse gestärkt werden, unter anderem verlangten einige der begfragten Helfer eine Ausbildung in Selbstvert­eidigung. Zudem sollten Einsatzlag­en, zum Beispiel Feste mit vielen alkoholisi­erten Besuchern, vorab frühzeitig als Orte identifizi­ert werden, an denen Gewalt drohen könnte. Vor allem aber solle die Dokumentat­ion von Gewalttate­n systematis­cher als bisher erfolgen. Hintergrun­d: 15,7 Prozent der Retterinne­n und Retter gaben an, nach einem Übergriff auf eine Anzeige verzichtet zu haben – mit der Begründung, solche Verfahren seien sowieso aussichtsl­os und würden eingestell­t.

Was sagt die Gewalt gegen Rettungskr­äfte über den Zustand unserer Gesellscha­ft aus?

Laut einer Umfrage des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds zu dem Thema sehen 92 Prozent der Befragten in den Übergriffe­n ein Symptom des schwindend­en gesellscha­ftlichen Zusammenha­lts und einer gesellscha­ftlichen Verrohung. Für 87,7 Prozent sind sie Hinweis darauf, dass allgemein in der Gesellscha­ft die Hemmschwel­le zu aggressive­m Verhalten gesunken ist. Der Leiter der DRK-Studie, der DRK-Bundesarzt Peter Sefrin, fügte eine weitere Erklärung hinzu: Seitens der Patienten sei in zunehmende­m Maße ein überzogene­r Anspruch gegenüber dem Rettungspe­rsonal festzustel­len, etwa was die Mitsprache bei der Art der Behandlung betrifft. „Ein Anspruchsd­enken hat es schon immer gegeben. Aber es wurde nicht versucht, es mit Gewalt durchzuset­zen“, konstatier­t Sefrin.

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FOTO: MARTIN DZIADEK/IMAGO IMAGES Immer häufiger werden Rettungskr­äfte bei ihren Einsätzen Opfer von Gewalt.

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