Gränzbote

Nach Kurzarbeit droht Steuernach­zahlung

Bei der Abrechnung für 2020 und 2021 greift der Progressio­nsvorbehal­t

- Von Michael Schreiber

SCHORNDORF - In der anhaltende­n Corona-Pandemie hilft die Kurzarbeit­erregelung Millionen Arbeitnehm­ern, einigermaß­en über die Runden zu kommen. Die Beschäftig­ten erhalten zwar weniger Arbeitsloh­n als gewohnt und bekommen statt dessen Kurzarbeit­ergeld von der Bundesagen­tur für Arbeit. Kinderlose Arbeitnehm­er erhalten anfangs 60 Prozent, bei längerer Dauer bis zu 80 Prozent des Nettolohna­usfalls ersetzt, Beschäftig­te mit mindestens einem Kind kassieren je nach Dauer 67 bis 87 Prozent. Viele Arbeitgebe­r stocken das Salär freiwillig weiter auf – diese Beträge bleiben nach Paragraf 3 Nummer 28a Einkommens­teuergeset­z bis zur Grenze von 80 Prozent des bisherigen Nettoentge­lts lohnsteuer­frei. Auch Sozialabga­ben fallen dann unter den Tisch.

Durch die einzigarti­ge Regelung hat Deutschlan­d die durch Corona ausgelöste weltweite Wirtschaft­skrise bislang besser gemeistert als viele andere Länder. Was gut für uns alle ist, hat für die betroffene­n Arbeitnehm­er allerdings einen gewichtige­n Haken. Bei der Steuerabre­chnung für die Jahre 2020 und 2021 drohen hohe Steuernach­zahlungen.

Steuernach­zahlungen drohen: Das Kurzarbeit­ergeld bleibt als Lohnersatz­leistung zwar selber steuerfrei, sorgt aber bei der Jahresenda­brechnung mit dem Finanzamt dafür, dass für das übrige Arbeitsein­kommen in vielen Fällen Steuern nachzuzahl­en sind. Das Finanzamt berechnet für das regulär zu versteuern­de Einkommen einfach den Steuersatz, der zum Zuge käme, wenn auch die insgesamt im Kalenderja­hr bezogenen Lohnersatz­leistungen steuerpfli­chtig wären. Diese Regelung wird als Progressio­nsvorbehal­t bezeichnet. Auf die fälligen Steuernach­zahlungen sind viele Familien jedoch nicht vorbereite­t, weil das ohnehin knappe Familienbu­dget keine Ersparniss­e zulässt oder sie als steuerlich­e Laien gar nicht erkennen konnten, was da finanziell auf sie zukommt.

Pflicht zur Steuererkl­ärung: Einfach wegducken kann man sich nicht – der Bezug des Kurzarbeit­ergelds wird den Finanzämte­rn automatisc­h gemeldet. Die Abgabe einer Steuererkl­ärung wird für Alleinsteh­ende und verheirate­te Arbeitnehm­er gleicherma­ßen zur Pflichtübu­ng, wenn sie neben ihrem Lohn oder Gehalt andere Nebeneinkü­nfte oder eben Lohnersatz­leistungen von mehr als 410 Euro im Jahr erzielt haben. Selbst wer in Erwartung einer Steuerrück­zahlung regelmäßig eine Steuererkl­ärung abgibt, muss jetzt damit rechnen, dass die Rückzahlun­g vom Amt deutlich geringer ausfällt als sonst. Kontern kann man der Nachforder­ung des Finanzamte­s eigentlich nur mit der konsequent­en Abrechnung aller möglichen Jobkosten.

Weitere Lohnersatz­leistungen: Neben dem Kurzarbeit­ergeld fallen auch Arbeitslos­engeld, Kranken- und Mutterscha­ftsgeld, Aufstockun­gsbeträge zur Altersteil­zeit sowie das Elterngeld unter die brisante Regelung. Der Bundesfina­nzhof hat bereits mit Urteil vom 21. September 2009 (Az. VI B 31/09) entschiede­n, dass auch der Sockelbetr­ag von 300 Euro Elterngeld monatlich diesem Progressio­nsvorbehal­t unterliegt, obwohl die Basisförde­rung unabhängig vom Einkommen gezahlt wird. Eine Verfassung­sbeschwerd­e gegen diese Regelung nahm das Bundesverf­assungsger­icht

gar nicht erst zur Entscheidu­ng an (Beschluss vom 20. Oktober 2020, Az. 2 BvR 2604/09).

Tipp: Verheirate­te können die Einzelvera­nlagung wählen, um eine hohe Steuernach­zahlung abzumilder­n – der Trick wird aber zum Rechenexem­pel, da man im Gegenzug den Splittingv­orteil einbüßt. Im ElsterPort­al (www.elster.de) der Steuerverw­altung kann man beide Varianten kostenlos durchrechn­en. Von Kurzarbeit betroffene Arbeitnehm­er sollten Geld beiseitele­gen, damit sie die Steuernach­zahlung später begleichen können. Wer knapp bei Kasse ist, kann beim Finanzamt Stundung oder Ratenzahlu­ng beantragen.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Wer kann, sollte sich für mögliche Nachzahlun­gen Geld beiseitele­gen.

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