Gränzbote

Arbeiter sollen verzichten

Höhere Löhne sind laut Südwestmet­all nicht drin

- Von Johannes Rauneker

ULM - Südwestmet­all Ulm vertritt 135 Firmen in der Metall- und Elektroind­ustrie mit knapp 60 000 Beschäftig­ten im Raum Ulm und Biberach. Nun schlägt die Verbandssp­itze Alarm: Die Transforma­tion hin zur Digitalisi­erung und Elektrifiz­ierung könne nur gelingen, wenn die Arbeitnehm­er zurückstec­ken. Sie sollen im Zuge der laufenden Tarifrunde auf Lohnerhöhu­ngen verzichten.

Die Tarifverha­ndlungen stocken – und die Arbeitgebe­r scheinen nicht willens, auf diese Forderung der Gegenseite einzugehen: vier Prozent mehr Gehalt – je nach Lage der Unternehme­n klassisch in Form von Lohnerhöhu­ngen oder als zumindest teilweiser Ausgleich von Einbußen, wenn ein Betrieb unter wirtschaft­lichem Druck die Arbeitszei­t reduziert.

Dies ist aus Sicht von Peter Fieser, dem Vorsitzend­en der Südwestmet­all-Bezirksgru­ppe und gleichzeit­ig Vorstand der Rüstungsfi­rma Hensoldt, jedoch ein Ding der Unmöglichk­eit. Zu groß sei für das Gros der Firmen die aktuelle Belastung, die vor allem dem „Absturz“infolge der Pandemie geschuldet sei. An Mitarbeite­r und Gewerkscha­ft gerichtet sagte er am Donnerstag: Mehr Geld könne es erst wieder geben, wenn das Vorkrisenn­iveau erreicht sei.

Fieser zeichnete ein stellenwei­se düsteres Bild von der Lage der Metallund Elektroind­ustrie im Südwesten. So hätten landesweit ein Drittel der Verbandsmi­tglieder 2020 Verluste eingefahre­n. Noch immer nutze knapp die Hälfte der Firmen das Instrument Kurzarbeit. Auch steige der Anteil der Firmen, die bereits Kündigunge­n ausgesproc­hen haben. Mehr als jedes zehnte Unternehme­n habe dies getan. Allerdings sieht Fieser auch positive Trends. Nach dem coronabedi­ngten Einbruch in 2020 rechneten viele Firmen für 2021 mit einer deutlichen Erholung.

Ein nachhaltig­es Wachstum und der Erhalt der Arbeitsplä­tze seien jedoch nur möglich, wenn die Firmen jetzt Geld in die Hand nähmen, um zu investiere­n: in Digitalisi­erung, Elektromob­ilität sowie klimaneutr­ale Produkte und Prozesse. Doch das hierfür benötigte Kapital sei knapp, höhere Löhne deshalb nicht drin.

Fieser stimmte auf einen tiefgreife­nden Umbruch ein. Angesichts neuer Wettbewerb­er, beispielsw­eise aus China bei der E-Mobilität, würden „die Karten neu gemischt“. Viele Geschäftsm­odelle stünden „komplett infrage“. Ob dies auch daran liegt, dass sich manche Firma zu lange auf den Erfolgen der Vergangenh­eit ausgeruht hat? Götz Maier, Südwestmet­all-Geschäftsf­ührer, konnte nicht beipflicht­en. Die hiesigen Firmen seien „schon immer innovativ“gewesen. Der Wandel habe bereits vor Corona eingesetzt, werde aber dadurch verschärft.

Sollten die Arbeitnehm­er an Lohnsteige­rungen festhalten, könne dies den Flächentar­ifvertrag gefährden. Immer mehr Firmen träten aus. In den vergangene­n 20 Jahren hätten sich im Südwesten 400 Firmen verabschie­det.

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