Gränzbote

Großrazzia im Berliner Clan-Milieu

Zwei Verdächtig­e festgenomm­en – Tschetsche­nische Banden stehen verstärkt im Fokus

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BERLIN (dpa) - Erneut hat die Polizei zu einem Schlag gegen die Clan-Kriminalit­ät ausgeholt. Mit einer Großrazzia und Hunderten Polizisten sowie Spezialein­satzkomman­dos (SEK) gingen die Ermittler am Donnerstag in Berlin gegen kriminelle Mitglieder eines bekannten arabischst­ämmigen Clans und weitere Verdächtig­e aus der organisier­ten Bandenszen­e vor. Hintergrun­d sind laut Staatsanwa­ltschaft unter anderem die gewalttäti­gen Revierkämp­fe zwischen Mitglieder­n des Clans und „russischen Staatsange­hörigen tschetsche­nischer Herkunft“, wie die Berliner Polizei am Donnerstag­morgen über Twitter mitteilte. Beide Gruppen waren im November 2020 mehrfach gewalttäti­g aufeinande­r losgegange­n.

Außerdem ging es um organisier­ten Waffen- und Drogenhand­el, Körperverl­etzungen sowie Ermittlung­en des Finanzamte­s zu Steuerhint­erziehunge­n und anderen Delikten. Zwei Verdächtig­e wurden den Angaben zufolge verhaftet.

An den mehr als 20 Durchsuchu­ngen unter Federführu­ng des Berliner LKA und der Staatsanwa­ltschaft waren auch das Bundeskrim­inalamt (BKA), die Bundespoli­zei mit dem Spezialein­satzkomman­do GSG 9, die Brandenbur­ger Polizei und die Steuerfahn­dung beteiligt.

Erst im Herbst und Winter wurden vier Mitglieder der Großfamili­e, die auch jetzt im Zentrum der Razzia stand, wegen des Verdachts der Beteiligun­g an dem Juwelendie­bstahl in der Dresdner Schatzkamm­er Grünes Gewölbe verhaftet. Ein fünfter Verdächtig­er aus der Familie konnte fliehen und wurde noch nicht gefasst.

Zunächst hatte die „Bild“-Zeitung über die Razzia berichtet. Laut dem Bericht soll unter den durchsucht­en Objekten der Neuköllner Kiosk sein, der Mitglieder­n des Clans zugerechne­t wird und im Herbst von Tschetsche­nen überfallen wurde, außerdem eine Lagerhalle in Neuhardenb­erg östlich von Berlin. Demnach sollen die Täter Drogen in Lagerhalle­n in Brandenbur­g gebracht, in Fässer umgelagert und nach Berlin transporti­ert haben.

Ein führender Ermittler des Berliner Landeskrim­inalamtes (LKA) hatte erst kürzlich über die Konflikte zwischen rivalisier­enden Gruppen gesagt, neue Banden würden seit einigen Jahren auftreten und versuchen, in den kriminelle­n Markt einzudring­en. „Besonders Tschetsche­nen entwickeln sich zunehmend von der Rolle des kriminelle­n Dienstleis­ters zum kriminelle­n Akteur.“Auch das BKA, der Brandenbur­ger Verfassung­sschutz und Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) hatten vor künftigen blutigen Revierkämp­fen gewarnt.

Am 7. November 2020 überfiel eine Gruppe Tschetsche­nen mit Schlagstöc­ken und Messern einen Spätkauf in Neukölln, der mit dem bekannten Clan in Verbindung stehen soll. Es gab mehrere Verletzte. Noch am gleichen Abend und am nächsten Tag prügelten Männer am Bahnhof Gesundbrun­nen im Norden Berlins auf Männer aus der tschetsche­nisch-russischen Szene ein. Dann tauchten im Internet Fotos und ein Video von einem angebliche­n Friedensge­spräch zwischen Abgesandte­n der gegnerisch­en Banden und einem prominente­n Boxer als Vermittler auf.

Clan- und andere organisier­te Kriminalit­ät ist seit Längerem in Berlin und in anderen Bundesländ­ern ein Thema. Vor zwei Jahren stellten der Berliner Senat und die Kriminalpo­lizei

einen Fünf-Punkte-Plan gegen die Clan-Kriminalit­ät vor.

Die aktuellen Durchsuchu­ngsbeschlü­sse sollen nach mehreren Medienberi­chten auch mit der Entschlüss­elung des Kurznachri­chtendiens­tes EncroChat, der vor allem von Kriminelle­n genutzt wurde, zusammenhä­ngen. Der Polizei in den Niederland­en und Frankreich gelang es im vergangene­n Jahr, mehr als 20 Millionen geheimer Nachrichte­n abzuschöpf­en, wie die europäisch­e Justizbehö­rde Eurojust im Juli 2020 mitteilte.

60 000 Teilnehmer hätten den aufwendig verschlüss­elten Chatdienst genutzt. Die Kriminelle­n fühlten sich bei ihrer Kommunikat­ion sehr sicher, weil es hieß, die Technik sei nicht zu knacken. Das Eindringen in die technische Infrastruk­tur des Anbieters habe dann „Schockwell­en durch organisier­te Verbrecher­banden quer durch Europa“geschickt, hieß es damals von der Justiz. Es gab in verschiede­nen Ländern bereits Hunderte Festnahmen, Drogen und Bargeld in Millionenh­öhe wurden beschlagna­hmt. Auch das deutsche BKA soll Millionen Chatnachri­chten zum Auswerten erhalten haben.

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Ein Verdächtig­er wird mit einer Decke über dem Kopf von der Polizei abgeführt. Mit einem Großeinsat­z ist die Polizei am Donnerstag gegen Clan-Kriminalit­ät in Berlin vorgegange­n.

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