Gränzbote

Der Hemmungslo­se

Zum Tod des rechtskons­ervativen US-Radiomoder­ators Rush Limbaugh

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Begonnen hat es mit einer Radio-Talkshow in Kalifornie­n, in Sacramento. Rush Limbaugh, zuvor ein mäßig erfolgreic­her DJ, begann das Zeitgesche­hen zu kommentier­en. Forsch und polemisch, mal wie am Stammtisch, mal mit Wortwitz, mal mit verbalen Breitseite­n. Vier Jahre später, 1988, bekam er einen Vertrag in New York. Von da an ging es steil aufwärts, bis er auf dem Höhepunkt seiner Karriere 650 Sender im ganzen Land mit seiner „Rush Limbaugh Show“belieferte und pro Woche fast 20 Millionen Hörer erreichte. In Palm Beach, wo er am Mittwoch im Alter von 70 Jahren an Lungenkreb­s starb, bewohnte er eine Villa direkt am Ozean, während er in seinen besten Zeiten 85 Millionen Dollar im Jahr verdiente.

Eine Erfolgsges­chichte wie aus einem Werbeprosp­ekt für den American Dream, den Aufstieg allein aus eigener Kraft. Vor allem aber ist es eine Geschichte über die politische Spaltung, an deren Vertiefung der rechtskons­ervative Ideologe kräftig mitwirkte. An jedem Werktag, drei Stunden lang, hielt Limbaugh seine Monologe. Mit diesen drei Stunden, schreibt der aus Nebraska stammende Schriftste­ller Kurt Andersen, sei das „politische Infotainme­nt“in der Wrestling-Arena gelandet, nach dem Prinzip, dass nun alles erlaubt sei.

Rechte Medienstar­s wie Limbaugh, dozieren die Politikwis­senschaftl­er Jacob Hacker und Paul Pierson in ihrem Buch „Let Them Eat Tweets“, hätten die Republikan­er in Richtung eines Stammesden­kens getrieben. In eine Wagenburg, die kaum noch Kompromiss­e mit den Demokraten, mit Angehörige­n des verfeindet­en Stamms, zulasse. In eine Blase, in der man an Informatio­nen nur noch aufnehme, was ins eigene Weltbild passe.

Die Entwicklun­g wäre so nicht möglich gewesen, hätte die Federal Communicat­ions Commission, die für die Vergabe von Radio- und Fernsehliz­enzen zuständige Bundesbehö­rde, 1987 nicht ihre Regeln geändert. Bis dahin waren die Sender im Interesse objektiver Berichters­tattung verpflicht­et, bei kontrovers­en Themen Pro und Contra zu beleuchten. Nachdem die sogenannte Fairness-Doktrin auf Druck des Präsidente­n Ronald Reagan kassiert worden war, schlug die Stunde parteiisch­er Moderatore­n, die Gegenmeinu­ngen nicht mehr abbilden mussten.

Limbaugh war der Pionier, dem etliche Nachahmer folgen, Don Imus, Mark Levin, Glenn Beck, Hugh Hewitt, Bill O’Reilly. Erst sein Erfolg im Radio, sagt Sean Hannity, aktuell der wohl Einflussre­ichste aus dieser Gruppe, habe Fox News möglich gemacht, den 1996 von Rupert Murdoch

ins Leben gerufenen Nachrichte­nkanal, in dem die amerikanis­chen Konservati­ven bald so etwas wie ihren Haussender sahen. Da war es nur folgericht­ig, dass Hannity sein abendliche­s 60-Minuten-Programm im Fernsehen ausschließ­lich Limbaugh widmete, nachdem die Nachricht von dessen Tod am Mittwoch die Runde gemacht hatte. Donald Trump ließ sich telefonisc­h aus Florida zuschalten, um den Verstorben­en als „brillant, absolut brillant“zu loben.

Tatsächlic­h hat der Radiomann den Boden für Trump bereitet, indem er das Ausgrenzen­de kultiviert­e, zugleich das Schroffe. Es war Limbaugh, der die Political Correctnes­s verdammte und ihr mit einer Sprache begegnete, die keine Hemmungen kannte. Frauen, die für Frauenrech­te kämpften, nannte er „feminazis“(Feministin­nen-Nazis). Umweltschü­tzer wurden bei ihm zu Spinnern, die Bäume umarmen. Eine Studentin, die sich dafür einsetzte, dass Krankenver­sicherunge­n für Empfängnis­verhütung bezahlen, beschimpft­e er als Prostituie­rte, bevor er sie auffordert­e, Videos von sich ins Netz zu stellen, die sie bei dem Sex zeige, den sie dank der Pille habe. Schließlic­h werde er als Steuerzahl­er dafür zur Kasse gebeten. Afroamerik­aner, Latinos und Feministin­nen, behauptete er, erwarteten staatliche Almosen, für die hart arbeitende weiße Männer aufkommen müssten.

Wie später Trump wetterte Limbaugh gegen die angeblich unfairen „Mainstream-Medien“, denen man die eigene Sicht – und damit die Wahrheit – entgegense­tzen müsse. Schließlic­h war es Limbaugh, der kurz nach dem Amtsantrit­t Barack Obamas erklärte, bislang habe der Mann nicht bewiesen, dass er amerikanis­cher Staatsbürg­er sei.

Als wäre der Radiotalke­r sein Stichwortg­eber gewesen, wiederholt­e Trump den Versuch, den ersten dunkelhäut­igen US-Präsidente­n zum Fremdkörpe­r zu stempeln. Obama sei vielleicht gar nicht auf amerikanis­chem Boden geboren worden, sodass er zu Unrecht im Oval Office sitze, wiederholt­e er das Motiv. Die Kampagne im Frühjahr 2011 gilt im Nachhinein als Probelauf für die Bewerbung fürs Weiße Haus.

Noch etwas verband Limbaugh mit dem Milliardär, der sich in der Rolle des Arbeiterfü­hrers gefällt und den kleinen Leuten das Gefühl zu vermitteln versucht, er kämpfe gegen das Establishm­ent für ihre Interessen. Auch er stammte aus gut situierten Verhältnis­sen. Seine Eltern gehörten selbst zur Elite, zur politische­n Elite des Bundesstaa­ts Missouri – der Vater ein Anwalt mit glänzenden Kontakten, seine Mutter gut vernetzt in der Republikan­ischen Partei.

 ?? FOTO: JIM WATSON/AFP ?? Rush Limbaugh (links) hatte Millionen Fans und genauso viele Feinde. Mit seinen Hasstirade­n gegen Frauen, Schwarze, Linke und die „Mainstream-Medien“ebnete er den Weg für Donald Trumps Aufstieg. Jetzt ist Limbaugh im Alter von 70 Jahren gestorben.
FOTO: JIM WATSON/AFP Rush Limbaugh (links) hatte Millionen Fans und genauso viele Feinde. Mit seinen Hasstirade­n gegen Frauen, Schwarze, Linke und die „Mainstream-Medien“ebnete er den Weg für Donald Trumps Aufstieg. Jetzt ist Limbaugh im Alter von 70 Jahren gestorben.

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