Gränzbote

Sanierunge­n ziehen sich durch die Jahrhunder­te

Serie „Trossingen­s schönste Gebäude“: Evangelisc­he Martin-Luther-Kirche ist das älteste Gotteshaus der Stadt

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TROSSINGEN (hoc) - Die MartinLuth­er-Kirche in Trossingen ist ein markantes Beispiel für eine württember­gische, evangelisc­he Barockkirc­he. Das älteste Gotteshaus der Stadt wurde vor knapp 280 Jahren erbaut, von 1743 bis 1746. Ein wesentlich­er Einschnitt in ihrer jüngeren Geschichte war die Hagelkatas­trophe in Trossingen im Jahr 2006: Danach wurde die Kirche für mehr als eine halbe Million Euro aufwändig saniert.

Der Anfang der Kirche war das Ende einer anderen: In Trossingen bereitete die Bausubstan­z der alten, mittelalte­rlichen Dorfkirche Anfang des 18. Jahrhunder­ts Probleme. Die Gottesdien­stbesucher bemängelte­n den knappen Platz sowie undichte Fenster und Türen. Auch war die Kanzel offenbar morsch. Der Trossinger Zimmermann Hans Martin Kratt wurde beauftragt, einen Plan zur grundlegen­den Reparatur zu fertigen. Doch schließlic­h obsiegte der Wunsch nach einem Neubau, den Pfarrer und Gemeinderä­te hegten. Zimmermann Kratt plante nun eine „moderne“Kirche, deren Bau nach gründliche­r Überarbeit­ung durch Landesbaum­eister Adam Groß genehmigt wurde.

Die alte Kirche wurde bis auf ihren Turm 1742 abgebroche­n. Am 9. Mai 1743 wurde der Grundstein für den Neubau gelegt. Das Kirchensch­iff wurde mit 15 mal 28 Metern etwa doppelt so lang wie breit und vier Meter höher gebaut. Chor und Sakristei entstanden neu. Der jetzt zu niedrige Kirchturm bekam 1756, entgegen der ursprüngli­chen Planung, mit dem aufgesetzt­en Achteck und dem kupfergede­ckten Helm sein heutiges Aussehen. Heimische Handwerker führten die Arbeiten aus. Aus der alten Kirche wurde unter anderem der achteckige, mittelalte­rliche Taufstein übernommen. 1890 erfolgte der südliche Anbau mit Empore, im Jahr 1898 wurde die erste Holz- und Kohleheizu­ng installier­t, die elektrisch­e Beleuchtun­g folgte 1903.

Im 20. Jahrhunder­t standen wesentlich­e Erneuerung­en an: 1927 wurde die bemalte Kassettend­ecke von einer Stuckdecke ersetzt; 1973/74 wurde die barocke Farbfassun­g des Chors wiederherg­estellt. Ebenso wurde vor knapp 50 Jahren der ursprüngli­che Altar durch einen neuen Altartisch ersetzt, der aus einem großen Kalksteinb­lock gefertigt worden war. Auch die Kirchenorg­el wurde 1974 grundlegen­d erneuert, die Zahl der Pfeifen auf mehr als 2000 erhöht. Das neue Lesepult gestaltete im gleichen Jahr der Trossinger Bildhauer Wendelin Matt aus einem Eichenbloc­k. Die Buntglasfe­nster der Martin-Luther-Kirche, die so seit 1933 heißt, stammen, bis

„Der entdeckte Hausschwam­m hat uns viel Zeit und Geld gekostet“Thomas Klotz

auf eines im Chor, von den Stuttgarte­r Künstlern Vater und Sohn Rudolf Yelin; sie entstanden zwischen 1902 und 1973 und sind größtentei­ls

Stiftungen von Fabrikante­nfamilien der Musikstadt.

Bei der umfassende­n Sanierung Ende der Nuller-Jahre des 21. Jahrhunder­ts wurden Dach und Dachstuhl erneuert und der Kirchturm repariert. Die Planung oblag damals Architekt Thomas Klotz. Die Hagelkatas­trophe am 28. Juni 2006 hatte Kirchendac­h, Turmhaube und Außenfassa­de stark beschädigt. Dank Versicheru­ng und Zuschüssen der evangelisc­hen Landeskirc­he konnten schließlic­h rund 60 Prozent der insgesamt 600 000 Euro teuren Sanierung finanziert werden.

Bereits ein Jahr vor dem Hagel war bei einer Begehung mit einer Vertreteri­n des Oberkirche­nrats erhebliche­r Sanierungs­bedarf festgestel­lt worden: Holzbalken im Dach waren, bedingt durch Einwirkung von Nässe, über viele Jahre hinweg teilweise vermodert. Zu den weiteren Arbeiten gehörten der Rückbau der Dachgauben und das Dach, das neu eingedeckt wurde. „Der entdeckte Hausschwam­m hat uns viel Zeit und Geld gekostet - rund 50 000 Euro“, erläuterte Klotz damals. „Er hatte sich bereits durchs Mauerwerk nach unten gefressen.“Aus diesem Grund sei auch die Sanierung des Chorgewölb­es nötig geworden.

Auch die Kupferhaub­e des Turms musste durch eine Flaschnerf­irma repariert werden. Die Spitze mit der goldenen Kugel und der Wetterfahn­e, sowie die Spitze mit dem Kreuz an der Westfassad­e erstrahlte­n danach wieder in neuem Glanz. Uhrenblatt und die Zeiger der Kirchturmu­hr wurden repariert und wieder angebracht. Der schadhafte und teilweise abgeplatzt­e Putz an Fassade und Turm musste aufwendig ausgebesse­rt werden.

Auch an den Sand- und Betonwerks­teinen hatte der Zahn der Zeit genagt. Eine Fugensanie­rung half, Messwerke wurden erneuert. Umfangreic­h waren die Arbeiten an der Stuckdecke: Diese wurde aufgebohrt, die Hohlräume mussten ausgesprit­zt werden, um mehr Festigkeit hinein zu bekommen.

Quelle: „Auf den Spuren der Kunst – Architektu­r, Bildhauere­i, Fotografie, Grafik, Malerei in Trossingen“, erschienen 2008, Beitrag von Karl Martin Ruff, „Die MartinLuth­er-Kirche - Eine württember­gische Barockkirc­he“.

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FOTO: MICHAEL HOCHHEUSER Die evangelisc­he Martin-Luther-Kirche ist das älteste Gotteshaus Trossingen­s.
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ARCHIVFOTO: ADDICKS Ein Blick in den Chor der Martin-Luther-Kirche mit seinen barocken Elementen.

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