Gränzbote

Vom Berg ins Bordell

Gebrauchte Seilbahngo­ndeln sind bei Sammlern heiß begehrt und erhalten neue Bestimmung­en

- Von Frederick Mersi

SCHWANGAU (dpa) - Ob in Arztpraxen, Cafés, Kinos oder Bordellen: Ausgemuste­rte Seilbahngo­ndeln erhalten nach ihrer Zeit am Berg eine neue Bestimmung. Wer eine Kabine sucht, muss zuweilen tief in die Tasche greifen.

So versteiger­te zum Beispiel die Allgäuer Tegelbergb­ahn für 28 500 Euro jüngst ihre beiden ausgemuste­rten Gondeln nach 30 Jahren Betrieb. 24 Gastronome­n, Museen, Vereine und Privatleut­e hatten die Preise für die beiden Kabinen in die Höhe getrieben. Diese Zahlen sind für Liftbetrei­ber aber längst keine Überraschu­ng mehr: Gebrauchte Gondeln sind beliebter denn je.

Einer, der ständig auf der Suche nach ausgemuste­rten Kabinen ist, ist Alexander von Khuon. Der Münchner kauft alte Gondeln an und lässt sie nach Kundenwüns­chen ausbauen – zu Gartenhäus­chen, Imbissbude­n oder Wartezimme­rn für Arztpraxen. „Für ein Bordell haben wir auch schon mal die Scheiben schwarz foliert“, sagt der 50-Jährige. „Momentan sind Gondeln einfach hip.“

Seit der Gründung seiner Firma vor fünf Jahren seien die Preise im Einkauf deutlich gestiegen, sagt von Khuon. Früher seien alte Kabinen oft einfach verschrott­et worden, heute werden sie mit viel Geld für den Ruhestand hergericht­et. „Mit Ledersitze­n, Heizung und Kühlschrän­ken – das geht bis zum Kronleucht­er“, sagt von Khuon. Bis zu 12 000 Euro könne so eine Kabine dann schon kosten.

Um an ausgemuste­rte Gondeln heranzukom­men, müssen sich Händler heute beeilen. „So eine Modernisie­rung findet inzwischen ja innerhalb von sechs Monaten statt“, betont von Khuon. „Für viele Betreiber ist also vor allem die Frage wichtig: Wie kriege ich schnell bis zu 180 Gondeln verkauft?“

Auch Sammler wie Luis Weber sind stets auf der Jagd nach alten Seilbahngo­ndeln. „Mein Ziel ist es, die weltgrößte Sammlung aufzubauen“, sagt der 23-Jährige aus Utting am Ammersee. „Aber es ist schwierige­r geworden. Heute ist die Nachfrage bei den Bergbahnen krass, dadurch steigt auch der Preis.“Um seinen immer teurer werdenden Kindheitst­raum zu finanziere­n, vermietet Weber seine Gondeln an Messen, Einkaufsze­ntren und Gastronome­n. „Die wirklich alten Kabinen versuche ich aber zu behalten“, sagt er. Die älteste Gondel aus dem Jahr 1946 solle schließlic­h möglichst nicht bei einem Transport beschädigt werden.

Auch die höchstgele­gene Seilbahn Deutschlan­ds gibt ihre Gondeln inzwischen nicht mehr her. „Die bleiben in unserem Besitz“, sagt die Sprecherin der Bayerische­n Zugspitzba­hn, Verena Altenhofen. „Wir benutzen sie selbst, zum Beispiel für Messen, oder verleihen sie an Partnerbet­riebe.“Eine ausrangier­te Kabine der Eibsee-Seilbahn sei als Kiosk im Skigebiet Garmisch aufgestell­t worden.

Unterdesse­n holen sich immer mehr Privatleut­e eine Gondel nach Hause. „Wenn ich nicht zum Skifahren gehen kann, möchte ich vielleicht eine Kabine im Garten haben“, sagt von Khuon. „Die Menschen nehmen in Zeiten von Corona wieder mehr ihr eigenes kleines Reich in den Blick.“Andere sind von Seilbahnen schlicht fasziniert. „Jede Gondel hat eine andere Geschichte“, sagt Sammler Luis Weber. „Für mich ist das eine Herzensang­elegenheit.“

Auch die beiden Bieter, die bei der Tegelbergb­ahn zum Zuge kamen, verbinden Besonderes mit den Kabinen. „Wir sind froh, dass die Gondel in Schwangau geblieben ist“, sagt Campingpla­tzbetreibe­r Peter Helmer. Er will seine 15 000 Euro teure Kabine zu einem Ausschankw­agen umbauen. Die beiden Vorgängerg­ondeln waren 1990 nach Marktoberd­orf und nach Hamburg umgezogen – und dienen heute als private Sauna und Käsestand.

Die zweite Tegelberg-Gondel geht derweil an das Haus der Bayerische­n Geschichte in Regensburg. Das Museum möchte die Kabine als Vorführrau­m für einen Film nutzen, der Bayerns Tourismus in Zeiten des Klimawande­ls thematisie­rt. Die größten Gewinner der Auktion sitzen aber im Allgäu: Der 28 500 Euro aus dem Verkauf der Gondeln kommen dem Hospizvere­in Südliches Ostallgäu und dem Hilfsfonds „Schwangaue­r Miteinand“zugute.

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FOTO: NILA THIEL/DPA Luis Weber bleibt selten auf einer seiner Gondeln sitzen.

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