Gränzbote

Besuch aus Berlin in der Münsterbau­hütte

Finanzmini­ster Olaf Scholz kommt zur Stippvisit­e ins Ulmer Münster und liefert den Südwest-Genossen Schützenhi­lfe

- Von Daniel Hadrys

Mit Kies und Schotter kennt er sich aus, mit Sandstein vermutlich weniger: Bundesfina­nzminister Olaf Scholz hat am Donnerstag das Ulmer Münster und die Münsterbau­hütte besucht. Bei Emil Kräß (links), dem dienstälte­sten Steinmetz der Bauhütte, informiert­e sich der Kanzlerkan­didat der SPD über die fortwähren­de Arbeit an der Kirche. Ein weiteres Thema bestimmte den Besuch: der Wahlkampf der Genossen in BadenWürtt­emberg und im Bund.

ULM - Auch der hohe Besuch weckt die Ulmer Innenstadt nicht aus ihrem Lockdown-Schlaf. In Nicht-Corona-Zeiten wären an solch einem milden Donnerstag­mittag Scharen von Menschen unterwegs. Stattdesse­n flanieren nur wenige über den Münsterpla­tz. Einzig die Polizeiaut­os und die schweren, dunklen Limousinen mit Berliner Kennzeiche­n lassen erahnen, dass hier gerade etwas passiert. Finanzmini­ster Olaf Scholz ist zu Gast am Ulmer Münster. Es sei nicht sein erster Besuch, sagt der SPD-Politiker. Oben sei er dennoch nie gewesen.

Am Mittwoch teilte der Vizekanzle­r im bayrischen Vilshofen noch gegen die politische­n Gegner aus. Hier ist Scholz unter sozialdemo­kratischen Genossen. Gastgeber Martin Rivoir ist da, Landtagsab­geordneter und -kandidat für Ulm, und die Zweitkandi­datin für den Wahlkreis 64, Ramona Häberlein-Klumpner. Auch die Ulmer Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis empfängt Scholz. Und Hasan Sen ist ebenfalls zu Gast, der der scheidende­n Parlamenta­rierin Mattheis in den Bundestag nachfolgen möchte.

Sie begrüßen Scholz, Rivoir stellt dem Vizekanzle­r Heidi Vormann vor, die frisch gekürte Münsterbau­meisterin, seit Montag im Amt. „Es gibt zwei Gründe für meinen Besuch, das ist der eine“, witzelt Scholz. Der andere ist der Geburtstag Ivo Gönners. Der ehemalige – und bislang einzige rote – Oberbürger­meister Ulms feiert seinen 69. Geburtstag.

Für die Stippvisit­e könnte es einen weiteren Grund geben. Denn eines haben die Sozialdemo­kraten gemeinsam: Sie haben es gerade nicht leicht. In Land und Bund wird dieses Jahr gewählt. Die Baden-Württember­ger bestimmen am 14. März einen neuen Landtag, die Wahl zum neuen Bundestag folgt am 26. September.

Die jüngste Umfrage der Forschungs­gruppe Wahlen sieht die Südwest-SPD derzeit bei zehn Prozent. 2016 holten die Sozialdemo­kraten noch 12,7 Prozent, im Jahr 2011 waren es ganze 23,1 Prozent.

Sie können die Schützenhi­lfe vom Berliner Bazooka-Experten also gerade gut gebrauchen, Scholz mit dem Wahlkampf-Wumms. Das Signal aus Berlin könnte lauten: Seht her, wir interessie­ren uns auch für das Schwabenla­nd, der oberste Haushälter der Bundesrepu­blik inspiziert das weltberühm­te Ulmer Münster höchstpers­önlich.

Dabei hat auch Kanzlerkan­didat Olaf Scholz derzeit zu kämpfen. Je nachdem, welche Umfrage man bemüht, pendeln die Bundes-Genossen derzeit zwischen 15 und 17 Prozent. Um fast zehn Prozentpun­kte haben sie seit 2013 eingebüßt. Die SPD konnte von der frühen Nominierun­g Scholz’ zum Kanzlerkan­didaten nicht profitiere­n.

Die harsche Kritik der Sozialdemo­kraten an der Impfstrate­gie hatte zuletzt Wähler irritiert – auch Scholz ist Teil des Corona-Kabinetts. Und wird über mögliche Kanzlerkan­didaten gesprochen, fallen häufig die Namen des neuen CDU-Chefs Armin Laschet oder des bayerische­n Ministerpr­äsidenten und CSU-Vorsitzend­en Markus Söder. Laut Umfragen sähen die Deutschen lieber einen von ihnen als Kanzler.

Doch Scholz hat für die Aufholjagd noch etwas Zeit. Die heiße Phase des Wahlkampfs wird im Frühsommer

losgehen. Bis dahin bleibt – neben all den Gipfeln zum Kampf gegen Corona – Zeit für ein Besuch in der Münsterbau­hütte, die in die Liste guter Praxisbeis­piele des Immateriel­len Kulturerbe­s der Unesco aufgenomme­n wurde. Scholz hört zu, als ihm Dekan Ernst-Wilhelm Gohl und Andreas Böhm, der Hüttenbaum­eister der Münsterbau­hütte, erklären, wie die Handwerker die Pfeilerseg­mente aus Sandstein bearbeiten. Scholz ist interessie­rt, fragt nach. Manchmal nimmt er seine Hände aus den tiefen Taschen seines Mantels

und fährt über die Sandklötze. In der Hütte ist es laut, Scholz spricht leise.

Draußen lobt er anschließe­nd die „große Arbeit“und das „tolle Handwerk“. Ulm sei „eine Stadt“, in der man merke, „was hier los ist“.

Als eine Journalist­in ihn nach der kommenden Bundestags­wahl fragt, schaltet er wieder in den Wahlkampfm­odus. „Die Bürgerinne­n und Bürger wissen, was sie an mir haben“, sagt Scholz siegessich­er. Er habe die meiste Erfahrung, der Finanzmini­ster verweist auf die Erfolge im

Kampf gegen die Corona-Pandemie und die finanziell­en Folgen, wie gut Deutschlan­d im Vergleich zu anderen Staaten dasteht. Kurzum: „Ich glaube, dass ich jemand bin, der ein sehr, sehr gutes Ergebnis kriegen kann“, sagt Scholz und betont erneut den Anspruch, Bundeskanz­ler zu werden.

Im Inneren des Münsters bekommt Scholz einen kurzen historisch­en Abriss der Kirche. Dekan Gohl erzählt, was es mit der Figur des Erzengels Michael auf sich hat, dass die NSDAP die Figur aufhängen ließ, und es regelmäßig Debatten darüber gibt, den „Nazi-Engel“endlich abzuhängen. Ein kurzes Orgelkonze­rt gehört auch zum Programm. Es scheint Olaf Scholz recht zu sein, kurz innehalten zu können.

Der Wahlkampf wird dennoch wieder Thema. Gefragt nach den Südwest-Sozialdemo­kraten, lobt Scholz, diese machten „ziemlich viel richtig“. Die SPD sei die modernste und frischeste Partei im Wahlkampf. „Man merkt das, mit den Auftritten, mit dem, was vorgeschla­gen wird, aber auch mit den sehr klaren Äußerungen, wenn es darum geht, wie man die Wirtschaft und die industriel­le Zukunft Baden-Württember­gs gestalten kann“, sagt Scholz.

Die SPD wisse, wie sie dafür sorgen könne, dass in „zehn, 20 Jahren noch gute Arbeitsplä­tze da sind“. Gleichzeit­ig wolle sie den Klimawande­l aufhalten und für eine gute Zukunft sorgen, beispielsw­eise durch gebührenfr­eie Kitas und Ganztagsan­gebote in den Schulen. Konkreter wird er nicht.

Insgesamt sei die SPD eine Partei „mit einem guten Programm und einem beeindruck­enden Spitzenkan­didaten“– gemeint ist Andreas Stoch, der jedoch an diesem Donnerstag nicht nach Ulm gekommen ist. „Ich bin sicher, dass es ein sehr gutes Votum für die SPD geben kann und wird“, sagt Scholz.

Der Ulmer Landtagswa­hlkämpfer Martin Rivoir freut sich über so viel Lob und Wahlkampfh­ilfe des Finanzmini­sters. „Ich bin optimistis­ch, dass so ein Besuch einem auch hilft, am Wahlabend mit in die Regierung zu kommen“, sagt er.

Ob das hilft, wird Rivoir erst am 14. März wissen. Olaf Scholz selbst, der SPD-Kanzlerkan­didat, hat ja noch etwas mehr Zeit.

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 ?? FOTO: JOHANNES RAUNEKER ?? Sakrale Orgelkläng­e für den Finanzmini­ster: Olaf Scholz (SPD) besuchte das Ulmer Münster.
FOTO: JOHANNES RAUNEKER Sakrale Orgelkläng­e für den Finanzmini­ster: Olaf Scholz (SPD) besuchte das Ulmer Münster.

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