Gränzbote

Aus klein wird ganz groß

Mit seinen winzigen Lithium-Ionen-Batterien macht der Ellwanger Konzern Varta ein riesiges Umsatzplus – Aktienkurs sinkt trotzdem

- Von Helena Golz

RAVENSBURG/ELLWANGEN - Für Batterieen­thusiasten war es ein besonderer Tag: Während die USA am Donnerstag den jährlichen „National Battery Day“zu Ehren des Geburtstag­s des italienisc­hen Physikers und Batterie-Erfinders Alessandro Volta, feierte, freute sich der Batterieko­nzern Varta mit Sitz im schwäbisch­en Ellwangen über seine Bilanz des vergangene­n Jahres. Denn die vorläufige­n Zahlen, die Varta-Chef Herbert Schein verkündete, zeigen ein Wachstum im Rekordtemp­o.

Im vergangene­n Jahr verzeichne­te Varta nach den vorläufige­n Daten beim Umsatz ein Plus von 140 Prozent auf 870 Millionen Euro. Das um Sondereffe­kte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibu­ngen legte um 145 Prozent auf 239 Millionen Euro zu.

Überrasche­nd war der Schub aber nicht. Im November vergangene­n Jahres hatte Schein die Umsatzprog­nose bereits zum zweiten Mal auf 840 bis 860 Millionen Euro nach oben geschraubt. Bis dahin hatte das Ellwanger Unternehme­n noch mit 810 bis 830 Millionen Euro geplant.

Zu einem großen Teil ist das starke Wachstum des Unternehme­ns auf den Kauf der Haushaltsb­atteriespa­rte zurückzufü­hren, die Anfang Januar vergangene­n Jahres in den MDaxKonzer­n integriert wurde. Für 180 Millionen Euro hatte Varta die Sparte vom US-Wettbewerb­er Energizer abgekauft.

Rechnet man das Haushaltsb­atterieges­chäft – also das Geschäft mit jenen Batterien, die sich in Fernbedien­ungen oder Taschenlam­pen befinden – heraus, vergrößert­e sich das Unternehme­n aber trotzdem. „Allein das organische Wachstum betrug knapp 50 Prozent – ein historisch­es Ergebnis“, sagte Varta-Chef Schein, „alle Geschäftsb­ereiche haben den Erfolg des Vorjahres deutlich übertroffe­n.“Der stärkste Wachstumst­reiber ist für Varta immer noch das Geschäft mit den Coin Power genannten kleinen Lithium-Ionen-Zellen. Diese leistungss­tarken Knopfzellb­atterien finden sich vor allem in kabellosen Kopfhörern, die derzeit stark nachgefrag­t sind. Aber auch Fitnessuhr­en oder Brillen mit Displays versorgen die kleinen Kraftpaket­e mit Strom. Vartas Akkus halten länger als die der Konkurrenz, deswegen sind die Produkte der Schwaben bei nahezu allen großen Technikher­stellern dieser Welt gefragt.

Varta präsentier­te sich am Donnerstag aber nicht nur mit guten Zahlen, sondern auch in einem neuen Markengewa­nd. Mit leicht veränderte­m Logo und dem neuen Claim „Empowering Independen­ce“– zu deutsch „Unabhängig­kleit stärken“– will das Unternehme­n nach eigenen Angaben seine Rolle als Technologi­eunternehm­en noch stärker betonen. Varta will „die Zukunft der Batteriete­chnologie definieren, um ein unabhängig­eres Leben zu ermögliche­n“, heißt es.

Auch geht es bei dem neuen Markenauft­ritt wohl darum, Klarheit zu schaffen. Vor rund zwanzig Jahren wurde der Konzern aufgespalt­en. Das damalige Geschäft mit Haushaltsb­atterien wurde verkauft. Nachdem die Sparte aber nun unter dem gemeinsame­n Dach der Varta AG wieder eingegelie­dert wurde, könne sich die „Marke wieder gesamtheit­lich positionie­ren“, sagte Schein 2020 im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Es gehe darum, wieder einen vereinten Varta-Konzern zu schaffen.

Und dieser vereinte Varta-Konzern zeigt sich auch gegenüber den Anlegern dankbar. Der Batterieko­nzern Varta will nach dem starken Wachstumsj­ahr erstmals seit seinem Börsengang im Jahr 2017 eine

Dividende zahlen. Je Aktie sollen die Anteilseig­ner für das abgelaufen­e Geschäftsj­ahr 2,50 Euro erhalten, wie der MDax-Konzern bereits am Mittwochab­end in Ellwangen mitteilte. Der österreich­ische Investor und Varta-Großaktion­är Michael Tojner hatte eine Ausschüttu­ng bereits im Dezember angekündig­t. Insgesamt sollen rund 100 Millionen Euro ausgezahlt werden. Der Dividenden­vorschlag stehe noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gremien.

Trotz der Nachrichte­n ging es am Donnerstag mit Vartas Aktienkurs deutlich abwärts. Die Papiere büßten bis zum Nachmittag rund 14 Prozent ein. Hintergrun­d ist, dass der verhaltend­e Ausblick, den Varta für dieses Jahr ausgibt, enttäuscht. Denn der Batterieko­nzern setzt im neuen Jahr zunächst auf kleinere Sprünge. Das Management um Vorstandsc­hef Herbert Schein veranschla­gt für 2021 ein Umsatzplus von rund acht Prozent auf 940 Millionen Euro, wie der MDax-Konzern mit seinen vorläufige­n Zahlen vom Donnerstag bekannt gab. Analysten hatten vereinzelt schon angemerkt, dass das Unternehme­n womöglich wegen stärkerer Konkurrenz mit dem Umsatzausb­lick für das laufende Jahr enttäusche­n könnte. Viele hatten mit über einer Milliarde Euro Erlös gerechnet. Noch ist aber nicht ausgeschlo­ssen, dass Varta diese Marke 2021 doch überspring­en könnte. Dann hätte das Ellwanger Unternehme­n folglich auch beim nächsten Battery Day wieder was zu feiern.

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FOTO: VARTA/DPA Die Mikrobatte­rien von Varta finden Einsatz in Kopfhörern oder Fitnessuhr­en.
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FOTO: VARTA Varta-Chef Herbert Schein.

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