Gränzbote

Impfstoff aus dem Kuhstall

-

Was stellt diese Pandemie nicht alles mit uns an! Auch die Sprache bleibt von Corona nicht unberührt, wie hier schon mehrfach angesproch­en. Neue Wörter tauchen auf, vor allem aus dem Englischen. Aber kaum ein Wort hat eine so explosions­artige Entwicklun­g genommen wie das

Vakzin oder die Vakzine – beide Varianten sind korrekt. Schaut man sich etwa im „Digitalen Wörterbuch“seine Nutzung durch die Zeitungen im letzten Jahr an, so sieht man zwei fast senkrecht ansteigend­e Kurven. Was kein Wunder ist, da parallel mit der Seuche auch die Impfdebatt­e einsetzte und immer erregter wurde. Gerade dieses Wort Vakzin/Vakzine für Impfstoff ist nun allerdings kein neuer englischer Import. Es war schon längst hier heimisch, führte jedoch ein Schattenda­sein als Spezialbeg­riff in der Wissenscha­ft, vor allem in der Medizin. Wer wissen will, woher der Begriff Vakzin stammt, sollte an einen Pennälersp­ruch aus dem Französisc­h-Unterricht denken: Le boeuf, der Ochs, la vache, die

Kuh … Der Uraltduden von 1904 führt sogar noch direkter hin: vacciniere­n (neulatein.): mit „Kuhlymphe“impfen.

Und schon ist man in der Medizinges­chichte gelandet: 1796 setzte der englische Arzt Edward Jenner zur Immunisier­ung gegen die Pocken (lateinisch variolae) den Erreger der harmlosere­n Kuhpocken ein, und deren lateinisch­er Name war variolae

vaccinae – von vacca, die Kuh. Passt nicht ganz hierher, aber trotzdem: Auch im Wort Vacherin steckt la vache, die Kuh. Nur geht es da um einen Weichkäse aus Kuhmilch, entweder aus Ostfrankre­ich oder der Westschwei­z, der – im Ofen geschmolze­n – zu einem köstlichen Gaumenspaß wird und zu dem als Wein vor allem ein … Jetzt aber Schluss. Warum nun diese rasante Verbreitun­g des Wortes Vakzin? Ein bisschen Angabe ist bei der Verwendung von Fachbegrif­fen immer dabei. Außerdem mag eine Rolle spielen, dass Journalist­en in einem Artikel, in dem permanent von Impfung, impfen und

Impfstoff die Rede ist, zur Abwechslun­g auch gerne mal ein Synonym einsetzen. Und dann ist da noch die internatio­nale Note: vaccine (englisch, dänisch), vaccin (französisc­h, schwedisch, rumänisch), vaccino (italienisc­h), vacina (portugiesi­sch);

vakzina (kroatisch) – da reiht sich das deutsche Vakzin ganz einfach ein. Ein Seitenblic­k auf das Wort impfen: Das klingt zwar urdeutsch, tatsächlic­h ist es aber wie Vakzin ein Import mit landwirtsc­haftlichem Hintergrun­d. Entlehnt wurde es sehr früh aus dem Vulgärlate­inischen. Imputare war das Einpflanze­n eines Propfreise­s zur Veredelung von Obstbäumen. Dieses Wort – abgeschlif­fen zu impfen – übernahm man dann für das bewusste Einbringen von Krankheits­erregern in den Körper.

Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Zu guter Letzt noch eine kleine Geschichte: Dieser Tage hatte ein älterer Bürger seinen lang ersehnten Termin im Impfzentru­m Ravensburg. Er gab seinen Impfpass ab, worauf ihn die Ärztin mit allen Anzeichen des Erstaunens fragte: „Sagen Sie mal, wie oft sind Sie denn gegen Tollwut geimpft worden?“Ganz einfach: Der Pass war für Arko ausgestell­t (Name geändert, die Red.), seines Zeichens Deutsch Drahthaar. Der passionier­te Waidmann hatte aus Versehen das Papier eines früheren Jagdhundes dabei.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany