Gränzbote

AfD-Kandidat Gögel revidiert Wahlziel

AfD-Spitzenkan­didat Bernd Gögel glaubt, dass die Zeit für seine Partei kommt – Aber noch nicht nach der Landtagswa­hl im März

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STUTTGART (sz) - Baden-Württember­gs AfD rückt vom Ziel ab, bei den Landtagswa­hlen im März 19 Prozent plus x zu erzielen. „Wir wären sehr zufrieden, wenn wir das Ergebnis von 2016 erreichen würden“, sagte AfD-Spitzenkan­didat Bernd Gögel der „Schwäbisch­en Zeitung“. 2016 kam seine Partei auf 15 Prozent, derzeit liegt sie in Wählerbefr­agungen bei elf Prozent. Gögel macht die Corona-Pandemie verantwort­lich. In Krisen profitiert­en die Regierungs­parteien, außerdem sei kein normaler Wahlkampf möglich.

- Die AfD hat ihr Ziel für die Landtagswa­hl Mitte März nach unten korrigiert. Warum das so ist und was seine Partei in der Corona-Krise besser machen würde, hat Spitzenkan­didat Bernd Gögel im Interview Theresa Gnann und Kara Ballarin erklärt.

Herr Gögel, vergangene­n Sommer sagten Sie uns, dass die AfD für die Landtagswa­hl 19 Prozent plus X anstrebt. Inzwischen würden Sie sich über 15 Prozent freuen – so viel wie bei der Wahl vor fünf Jahren, sagten Sie jüngst. Warum schwindet Ihr Rückhalt in der Bevölkerun­g?

Damals gingen wir noch von anderen Voraussetz­ungen für den Wahlkampf aus. Wir dachten, dass wir in Hallen, Lokalen und an Ständen für unsere Themen werben können. Das alles findet aber nicht statt, alles ist von Corona überlagert. In solchen Krisenzeit­en profitiert in der Regel die Regierung. Deshalb müssen wir unsere Erwartunge­n nach unten korrigiere­n. Wir wären sehr zufrieden, wenn wir das Ergebnis von 2016 erreichen würden.

Sie sagen, in Krisenzeit­en profitiert die Regierung. Von der Flüchtling­skrise hat die AfD 2016 aber deutlich profitiert.

Mit Sicherheit. Aber das ist nicht vergleichb­ar mit dieser aktuellen Gesundheit­skrise. Damals hatte der Wahlkampf noch andere Möglichkei­ten.

Als stärkste Opposition­sfraktion ist die AfD 2016 mit 23 Abgeordnet­en in den Landtag eingezogen. Nun sind es noch 15. Wird sich der Schwund in der nächsten Legislatur­periode wiederhole­n?

Wir waren 2016 sicher noch relativ unerfahren. Bis auf wenige Ausnahmen hatten unsere Abgeordnet­en keine Vorerfahru­ng. Viele wussten gar nicht, wie die Arbeit in einer Fraktionsg­emeinschaf­t funktionie­rt und sind davon ausgegange­n, dass sie nur ihrem Gewissen unterworfe­n sind. Das hat sich natürlich auf die Fraktionsa­rbeit ausgewirkt. Das wird in der nächsten Legislatur­periode sicher anders.

Sie haben uns vor zwei Jahren erklärt, dass Sie Ihre Partei 2021 in eine Koalition mit der CDU führen wollen. Danach sieht es nicht aus. Was haben Sie versäumt?

Koalitions­fähig zu sein hat zunächst nichts mit den anderen Parteien zu tun. Man muss bei anderen Parteien und der Bevölkerun­g den Eindruck erwecken, dass man seriös arbeitet. Inzwischen haben wir bewiesen, dass wir das können. Wir unterschei­den uns jedoch in unserer Programmat­ik generell von allen anderen Parteien. Das gilt leider auch für die CDU. Im Wahlprogra­mm hat sie zwar einige Positionen von uns übernommen, aber aktuell steht eine Koalition mit ihr nicht zur Debatte. Wenn man Koalitione­n anstrebt, muss man auch sicher sein, einen Großteil seiner eigenen Programmat­ik durchsetze­n zu können. Es nutzt nichts, ein Appendix einer anderen Partei zu sein. Mit hoher Wahrschein­lichkeit werden wir also auch nach der Wahl in der Opposition sein. Aber ich glaube, die nächste Legislatur dauert keine fünf Jahre.

Warum das?

Die Kollateral­schäden der CoronaKris­e werden in den nächsten Jahren sichtbar werden. Ich glaube, die Menschen werden mit der Zeit erkennen, was bei der Bewältigun­g der Krise alles schiefgela­ufen ist. Dann werden sie einen Neuanfang wollen.

Im Wahlkampf stellen Sie den Protest gegen Maßnahmen zum Infek

tionsschut­z ins Zentrum. Was würden Sie besser machen, wenn Sie an der Regierung beteiligt wären? Schon vor einem Jahr, als die ersten Meldungen aus China kamen, dass sich da was zusammenbr­aut, hätte ich nach Plänen für eine solche Situation gefragt. Und dann wäre herausgeko­mmen, dass in den letzten Jahren zum Beispiel in der Bevorratun­g von Schutzausr­üstung nichts passiert ist. Das hätten wir besser gemacht. Der Regierung blieb aufgrund dieser Versäumnis­se vor einem Jahr aber gar nichts anderes übrig, als erst mal alles zu stoppen. Hätten wir vulnerable Gruppen explizit geschützt, wäre ein zweiter Lockdown gar nicht nötig gewesen. Außerdem hätte es mit uns schnelle Abschlagsz­ahlungen gegeben, um die laufenden Kosten der belasteten Gesellscha­ftsgruppen zu decken. Auch das mit dem Impfstoff hätten wir besser gemacht – nicht über die EU. Kleine Länder, die ihre Verträge mit den Lieferante­n direkt abgeschlos­sen haben, impfen jetzt sauber durch.

Wie wollen Sie die vulnerable­n Gruppen schützen, wenn laut wissenscha­ftlichem Institut der AOK mehr als jeder vierte Mensch eine einschlägi­ge Vorerkrank­ung hat und so das Risiko eines schweren Verlaufs von Covid-19 erhöht ist?

Es hat jetzt ein Jahr gedauert, bis unsere Regierunge­n auf die Idee gekommen sind, dass Schnelltes­ts gut einsetzbar sind. Wenn jemand zur vulnerable­n Gruppe gehört und er kann sich morgens testen, geht er doch mit einem anderen Gefühl aus dem Haus. Wir können doch nicht sagen, wir separieren alles und dann stirbt das Virus schon ab.

Im Wahlprogra­mm sprechen Sie sich unter anderem für Kern- und Kohlekraft­werke aus und verteidige­n den Diesel. Passt das zum heutigen Baden-Württember­g?

Die Umweltbila­nz eines Diesels neuester Technik ist mindestens so gut wie die eines Elektrofah­rzeugs. Wir wollen eine Technologi­eoffenheit. Wir brauchen auch die Wasserstof­fläuft. technik oder die E-Fuels. Die Gelder müssen paritätisc­h in die Forschung gehen. Das Thema Nullemissi­on ist für mich eine Utopie. Das schaffen wir wirtschaft­lich und sozial nicht. Es nützt doch nichts, wenn die Menschen nachher ihren Strom nicht mehr zahlen können. Und die Energiewen­de nach Fukushima halten wir in dieser Radikalitä­t für falsch. Wir als AfD haben nichts gegen erneuerbar­e Energien. Aber Baden-Württember­g ist ein windarmes Land. Anlagen sind hier nicht wirtschaft­lich zu betreiben. Bei Solarenerg­ie ist man darauf angewiesen, dass die Sonne scheint. Aber wenn wir bedarfsger­echt Strom haben wollen, brauchen wir für die Grundlast entweder saubere Kern- oder Kohleenerg­ie.

Und wohin mit dem Atommüll?

Auch ich will natürlich unter meinem Haus kein Endlager für Atommüll, der 500 000 Jahre strahlt. Aber es gibt inzwischen Anlagen, in denen diese Abfälle nicht mehr anfallen. Wir müssen Geld investiere­n, damit diese Forschung vorankommt.

In einem Interview mit uns vor zwei Jahren sagten Sie: „Wir müssen steuernd eingreifen als Politik, wie viel auf Bio umgestellt werden soll.“Im Wahlprogra­mm verdammt die AfD nun jegliche Vorgaben. Wie passt das zusammen?

Vor anderthalb Jahren war ich dazu vielleicht noch nicht gut genug informiert. Aber ich bin ja nicht beratungsr­esistent. Die EU steuert in der Landwirtsc­haft viel. Von vielen Subvention­en profitiere­n vor allem große Landwirtsc­haftsunter­nehmen. Gerade Baden-Württember­g besteht aber aus mittelstän­dischen Landwirtsc­haftsunter­nehmen. Wenn wir die jetzt noch in den Bio-Anbau zwingen, gehen sie ganz in die Knie.

Die AfD in Sachsen-Anhalt wird seit Januar vom Landesverf­assungssch­utz mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln beobachtet. Das ist nur möglich, wenn der Behörde genügend Anhaltspun­kte vorliegen, dass die Partei verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en verfolgt. Andere Landesämte­r und das Bundesamt für Verfassung­sschutz prüfen denselben Schritt. Macht Ihnen das Sorge?

Mir macht Sorge, dass diese Maßnahme inflationä­r verwendet wird. Ich habe den Verdacht, dass vieles politisch motiviert ist. Seitdem Thomas Haldenwang Chef des Bundesverf­assungssch­utzes ist, bin ich nicht mehr der Meinung, dass dort alles neutral und im Sinne des Grundgeset­zes ab

Wenn Menschen in dieser Republik nicht auf dem Boden dieser Verfassung stehen, hat man die natürlich zu beobachten und zu ahnden. Ich warne aber vor Pauschalve­rurteilung­en.

Offenbar ist nicht jeder Ihrer Parteifreu­nde davon begeistert, sich klar von Faschisten wie Björn Höcke zu distanzier­en – und diese auszuschli­eßen. Auch Ihre Fraktionsk­ollegin Christina Baum wird namentlich im Verfassung­sschutzber­icht von Baden-Württember­g erwähnt. Wenn sich Einzelfäll­e häufen, ist es nicht logisch, Gruppen zu beobachten?

Ich bestreite nicht, dass es auch bei uns hier in Baden-Württember­g Menschen gibt, die nicht unbedingt zu unserer Partei gehören. Da hat die Partei aber auch in der Vergangenh­eit entspreche­nd reagiert. Ich unterstütz­e die Prozesse, die der Bundesverb­and oder auch die Landesverb­ände eingeleite­t habe und stehe auch zu den Ergebnisse­n. Frau Baum zum Beispiel hat sicher in vielen Dingen andere Meinungen als ich. Aber ich habe noch keine verfassung­swidrige Äußerung von ihr gehört.

Interviews mit anderen Spitzenkan­didaten und vieles mehr zur Landtagswa­hl gibt es online:

●» www.schwäbisch­e.de/ltw

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