Gränzbote

Vorwürfe gegen Impfherste­ller Biontech

Diskussion um erstes Angebot des Vakzin-Produzente­n an die EU – Neue Studie belegt hohe Wirksamkei­t

- Von Dieter Keller, Benjamin Wagener und Agenturen

BERLIN/RAVENSBURG - Vorwürfe gegen Biontech: Das Mainzer Unternehme­n soll den gemeinsam mit dem US-Konzern Pfizer entwickelt­en Corona-Impfstoff der EU im Sommer für 54,08 Euro pro Dosis angeboten und damit einen mehr als 20-mal so hohen Preis verlangt haben als der Konzern Astra-Zeneca für sein Vakzin. Das berichten NDR, WDR und „Süddeutsch­e Zeitung“und berufen sich auf vertraulic­he Angebotsun­terlagen. Zum Vertrag zwischen Brüssel und Biontech/Pfizer kam es erst mehrere Monate später, als die EU das Vakzin zu einem Preis von 15,50 Euro pro Dosis bestellte. Die Medien erwecken in ihrer Argumentat­ion den Anschein, dass das zögerliche Vorgehen der EU und die späte Bestellung an der anfangs hohen Preisforde­rung gelegen habe.

Der „Spiegel“schreibt allerdings, dass der später in dem Vertrag festgeschr­iebene Preis schon im Juli festgestan­den habe. „Die Preisfindu­ng kann bei der Verzögerun­g der Verhandlun­g also keine Rolle gespielt haben“, heißt es beim Hamburger Nachrichte­nmagazin.

Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Branchenkr­eisen ist der Preis von rund 54 Euro pro Dosis eine Überschlag­srechnung für den Fall gewesen, dass nur ein Staat Impfdosen in zweistelli­ger Millionenh­öhe bestellt. Biontech selbst wollte sich auf Anfrage am Freitag nicht zu dem Vorgang äußern. Biontech und Pfizer argumentie­rten in dem Angebot, auf das NDR, WDR und „Süddeutsch­e Zeitung“sich beziehen, nicht mit den Forschungs­oder den Produktion­skosten, sondern mit dem ökonomisch­en Nutzen des Impfstoffs. Der wirtschaft­liche Schaden durch Corona für die EU betrage 3,8 Milliarden Euro pro Tag. Würde man dies in ein „traditione­lles Kosten-Wirksamkei­ts-Modell“übertragen, komme ein unangemess­en hoher Preis heraus. Das Angebot beinhalte bereits „den höchsten prozentual­en Rabatt“, der einem Industriel­and weltweit angeboten worden sei.

Einer neuen Studie zufolge ist der Impfstoff von Biontech und seinem Partner Pfizer schon nach der ersten Dosis hochwirksa­m. Bereits zwei bis vier Wochen nach der ersten Spritze liege die Wirksamkei­t bei 85 Prozent, heißt es in einer im Fachjourna­l „The Lancet“veröffentl­ichten Untersuchu­ng. Die Studie basiert auf den Daten von medizinisc­hem Personal des größten israelisch­en Krankenhau­ses, das in den vergangene­n Wochen mit dem Vakzin geimpft wurde. Untersucht

wurden mehr als 9000 Mitarbeite­r des Sheba-Krankenhau­ses bei Tel Aviv, von denen rund 7000 geimpft wurden. Der Studie zufolge lag die Effektivit­ät des Vakzins einen bis 14 Tage nach der Impfung bei 47 Prozent und stieg zwischen dem 15. und 28. Tag auf 85 Prozent.

Der Impfstoff kann außerdem bei geringeren Minustempe­raturen gelagert werden als bisher bekannt. Der Impfstoff sei auch bei minus 25 bis minus 15 Grad stabil, so Biontech und Pfizer am Freitag. „Diese Temperatur­en können von gängigen pharmazeut­ischen Gefrier- und Kühlschrän­ken aufrechter­halten werden.“Die neuen Daten seien bereits bei der US-Arzneimitt­elbehörde FDA eingereich­t worden, sagten die Unternehme­n. Damit solle die Notfallzul­assung dahin gehend ergänzt werden, dass der Impfstoff „für zwei Wochen bei diesen Temperatur­en“gelagert werden könne. Dies sei „eine Alternativ­e oder Ergänzung zur Lagerung in Ultra-Tieftemper­atur-Gefriersch­ränken“, wie sie bisher nötig ist.

 ?? FOTO: BORIS ROESSLER/DPA ?? Biontech soll der EU seinen Impfstoff zu einem extrem hohen Preis angeboten haben.
FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Biontech soll der EU seinen Impfstoff zu einem extrem hohen Preis angeboten haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany