Die USA sind zurück
Erstmals spricht ein US-Präsident bei der Münchner Sicherheitskonferenz – Biden setzt auf Bündnispartner
BERLIN - Was für eine Wende: Seit Jahren war bei der Münchner Sicherheitskonferenz traurig über das Ende des Multilateralismus diskutiert und über die zunehmende Bedeutungslosigkeit des Westens lamentiert worden. Und nun das: Der neue US-Präsident Joe Biden machte am Freitag mit Schwung klar, dass er seine Ankündigung „We will be back“, die er vor zwei Jahren gemacht hat, ernst meint. „Ich halte mein Wort. Amerika ist zurück, das transatlantische Bündnis ist zurück. Und wir schauen nicht zurück. Wir schauen gemeinsam nach vorne“, sagte er in seiner Rede, die per Video nach München übertragen wurde.
Dass der US-Präsident wegen der Corona-Pandemie nicht persönlich vor Ort sein konnte, schmälerte die Freude des Leiters der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, kaum. Die Erleichterung darüber, dass die „America first“-Doktrin des früheren US-Präsidenten Donald Trump Geschichte ist, war selbst bei dem digitalen Format spürbar. Biden sprach als erster US-Präsident überhaupt bei der Konferenz, die vor 58 Jahren gegründet wurde. Als junger Senator, als Vizepräsident von Barack Obama war der neue Mann in Washington allerdings schon mehrfach Gast in München.
„Mit Angela und Emmanuel“, also mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, habe er bereits den Morgen beim G7-Treffen verbracht, sagte der US-Präsident in seiner Rede, mit der er sich erstmals an die europäischen Verbündeten wandte. Mit diesen wenigen Worten machte er klar, dass sich der Ton nach der Trump-Ära, in der gemeinhin wenig Gutes aus Washington Richtung Berlin und Brüssel gedrungen war, verändert hat. Sein Ziel sei es, eng mit den Partnern in der EU und den Hauptstädten der ganzen Welt zusammenzuarbeiten, betonte Biden. Die USA stünden zur Nato und seien fest entschlossen, sich wieder mit Europa zu engagieren. „Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle“, so der US-Präsident. Die USA würden der Verpflichtung zum militärischen Beistand nachkommen und das gemeinsame internationale Engagement fortsetzen – in Afghanistan und im Irak.
Vier Jahre lang hatten die Bundesregierung und andere europäische
Bündnispartner vergeblich auf solch verbindliche Worte gewartet. Das deutsch-amerikanische Verhältnis war nicht nur wegen der Debatte um die Verteidigungsausgaben vergiftet, Washington und Berlin lagen unter anderem auch wegen des Baus der Pipeline Nord Stream 2 im Clinch. Dass diese Streitpunkte sich künftig in Luft auflösen werden, ist zwar nicht zu erwarten. Aber die Gesprächsbasis wird eine andere sein. Merkel machte deutlich, dass sich Deutschland zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato bekenne und über die Militärausgaben hinaus international engagiere. „Deutschland ist bereit, auch länger in Afghanistan zu bleiben, wenn es der erfolgreichen Mission dient“, sagte sie.
Biden zeigte sich überzeugt, dass globale Herausforderungen und Krisen nur mit den demokratischen
Bündnispartnern der USA zu lösen seien – und nur dann, wenn Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Freiheit entschieden verteidigt würden. Auf wen er damit zielte: in erster Linie auf Russland – aber auch auf China. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin warf er vor, mit Cyberattacken gezielt die westlichen Demokratien aushöhlen zu wollen. Es gehe ihm nicht darum, den Kalten Krieg wieder aufleben lassen zu wollen, aber man müsse sich denen entgegenstellen, die Unterdrückung als etwas Normales empfinden, sagte Biden. Zugleich kündigte er an, wieder Verhandlungen über das internationale Atomabkommen mit Iran aufzunehmen, aus dem Trump ausgestiegen war. „Wir können es uns nicht erlauben, dass Selbstzweifel uns hindern, die Herausforderungen anzugehen“, betonte der US-Präsident. „Also, an die Arbeit.“
Dass er das Vorhaben, in der Weltgemeinschaft wieder präsent zu sein, angeht, hatte Biden bereits am Morgen beim virtuellen Treffen der G7Staaten bewiesen. Zwei Milliarden Dollar stellte er für die Impfkampagne in ärmeren Ländern zur Verfügung. Die EU verdoppelte ihre Hilfe um 500 Millionen Euro. Die Bundesregierung stellt zusätzliche Mittel von 1,5 Milliarden Euro bereit. Weitere zwei Milliarden US-Dollar wollen die USA über zwei Jahre freigeben, wenn andere Staaten ihre Zusagen erfüllt haben. Merkel zeigte sich zudem bereit, ärmeren Ländern etwas vom deutschen Impfstoffkontingent abzugeben. „Wichtig ist, dass Impfstoff ankommt und nicht nur Geldzusagen da sind“, sagte sie nach dem G7-Treffen.