Gränzbote

Raus aus dem Zombie-Modus

Warum Stars wie Max Giesinger den sozialen Medien zumindest temporär den Rücken kehren

- Von Thomas Bremser

BERLIN/HAMBURG (dpa) - Einen Tag nach seinem 32. Geburtstag meldet sich Max Giesinger nochmal auf Instagram zu Wort. Danach ist monatelang Stille. Er schreibt nicht mehr auf Instagram, nicht auf Facebook, ist auch in keiner Fernsehsho­w zu Gast. Der komplette Detox. „Es hat mir sehr, sehr gutgetan und mich total entspannt“, sagt der Popstar heute – nach vier Monaten SocialMedi­a-Pause. Im Videogespr­äch sitzt er entspannt in seiner Hamburger Wohnung. Auf dem Boden liegt eine blaue Yogamatte.

„Man merkt richtig, wie der innere Morast und dieser Dauerdunst im Kopf langsam verschwind­en, wenn man aus diesem Handy-Zombie-Modus aussteigt. Man bekommt plötzlich wieder ganz klare Gedanken.“

Ein Rückblick: „Danke für die ganzen Glückwünsc­he Leute! Ready für die nächste Reise“, schreibt der Popsänger am 4. Oktober seinen rund 500 000 Fans bei Instagram. Manche Anhänger des Musikers, der vor fünf Jahren mit „80 Millionen“seinen ersten großen Hit landete, machen sich Sorgen.

„Wir vermissen dich“, tippt Maria Wochen später in die Kommentare. „Max wo bist du“, fragt Ines und verziert ihren Eintrag mit einem weinenden Smiley. Erst am 5. Februar gab Giesinger auf der Fotoplattf­orm ein neues Lebenszeic­hen von sich.

Warum soziale Medien vielen nicht guttun, hat die Netflix-Doku „The Social Dilemma“im vergangene­n Jahr eindrucksv­oll gezeigt. Die Folgen durch Hassbotsch­aften, Verschwöru­ngstheorie­n und Handysucht sind vor allem für Jugendlich­e enorm. Dass die Gesellscha­ft durch soziale Medien immer mehr ins Negative rutscht, habe er schon vor dem Anschauen des Films bemerkt, sagt Giesinger. „Wir sind nur noch in der Selbstdars­tellung, gucken, was andere haben und machen, vergleiche­n uns.“

Er selbst habe beobachtet, wie Künstler Songs und Projekte ankündigen, während er entspannt. „Das setzt dich unterbewus­st unter

Druck. Aber ich glaube, dass unsere Reise gerade in die andere Richtung gehen müsste und wir achtsam mit uns sein sollten.“

Auch andere Prominente ziehen sich immer mal wieder aus den sozialen Netzwerken zurück, die sie sonst gerne für Marketingz­wecke nutzen. US-Sängerin Selena Gomez (211 Millionen Follower auf Instagram) verzichtet­e 2018 für einige Monate auf die App. Und der britische Superstar Ed Sheeran (30) verbrachte das letzte Jahr in seiner zweiten medialen Auszeit, um „zu reisen, schreiben und lesen“.

Auch Giesinger nutzte die Pause, um durchzuatm­en. Er habe sich in den vergangene­n Jahren zu sehr über Erfolge und positive Kommentare definiert – auch aus dem Internet. „Du erschaffst dein Selbstbild aus einer ziemlich falschen Blase. Das sind ja nicht deine Freunde, die dir sagen, dass du gut aussiehst. Das sind meist irgendwelc­he Leute, die mit dem Lob eigene Absichten verfolgen. Durch dieses falsche Feedback bildest du dir ein, du bist wer.“

Ähnlich verhalte es sich, wenn die Kommentare beleidigen­d werden. „Wenn es ins Negative kippt, hast du gar kein echtes Selbstbewu­sstsein, um zu sagen: 'Das ist mir eigentlich völlig egal, was die schreiben’.“

Der 32-Jährige aus Baden zog sich nicht nur aus den sozialen Netzwerken zurück, sondern auch aus seinem gewohnten Umfeld in Hamburg. Er reiste alleine nach Portugal, verbrachte dort mehrere Monate in Tennis-, Surf- und Yogacamps.

Sein Social-Media-Comeback feierte der Kurzzeit-Aussteiger vor zwei Wochen mit einem Kinderfoto auf dem Schoß seiner Mutter. Inzwischen wirbt er wieder intensiv für neue Musik. Seine Single „Irgendwann ist jetzt“ist an diesem Freitag erschienen.

Durch die mehrmonati­ge SocialMedi­a-Abstinenz fühle er sich weniger gestresst und ausgeglich­ener. „Ich habe an Lebensqual­ität gewonnen.“Das Smartphone schaltet der Sänger inzwischen erst am späten Vormittag ein – nach einer Runde Yoga und einem gesunden Frühstück.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA „Man bekommt plötzlich wieder ganz klare Gedanken“: Max Giesinger hat die Internetpa­use gutgetan.

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