Gränzbote

„Man geht nicht allein durchs Ziel“

Melanie Medina Birgel und Tanja Kutzli sind bei Eiseskälte 60 Kilometer in voller Feuerwehrm­ontur marschiert

- Von Regina Braungart

GOSHEIM/FÖHRENBACH - „Nach 20 Kilometern hatte ich die erste offene Blase am Fuß“, berichtet Melanie Medina Birgel aus Gosheim. Und dann lagen nochmal 20 Kilometer vor ihr und ihrer Feuerwehrk­ameradin Tanja Kutzli aus Föhrenbach. Und dann nochmal 20. – in voller Feuerwehr-Montur mit Sauerstoff­flasche: 30 bis 35 Kilo. 60 Kilometer in zwei Etappen sind die 23-Jährige und die 26-Jährige am 12. und 13. Februar gegangen, an einem der kältesten Wochenende­n des Winters überhaupt.

Eigentlich hatten die beiden angehenden Berufsfeue­rwehrfraue­n (Brandmeist­eranwärter­innen) geplant, einen solchen Marsch zum Sammeln von Spenden zu machen, für Erdbebenop­fer, dann für brandgesch­ädigte Kinder. Aber beide Pläne hat die Pandemie zunichte gemacht. Und dann wollten sie es doch wissen. Relativ spontan entschiede­n sie sich, an jenem Wochenende aufzubrech­en, zumal ihr Begleitung­steam auch Zeit hatte. Denn eine solche Strapaze ohne Absicherun­g wollten sie bei der Kälte nicht wagen.

Dann waren es die warmen Decken, die heiße Suppe und vor allem aber die aufmuntern­den Worte und Blödeleien an den Stationen, die die beiden Feuerwehrf­rauen schließlic­h maßgeblich durchhalte­n ließen, so erzählen sie.

Am Mittwoch danach ist der Muskelkate­r wieder erträglich und Sport wieder möglich, lacht Medina Birgel (der Nachname setzt sich aus dem spanischen Namen des Vaters und dem deutschen der Mutter zusammen). Aber auf den letzten Kilometern, vor allem in der ersten Etappe, mussten sie sich gegenseiti­g motivieren, die Beine ließen sich kaum mehr durchstrec­ken vor Beanspruch­ung. Das Motto dann: „Nicht denken. Laufen!“

Genau das – die eigenen Grenzen zu testen – das war ein wichtiger Grund, diese Aktion zu starten, erzählen die beiden Frauen. Und dabei zu erleben, dass die Grenzen doch weiter liegen, als man das selber von sich dachte.

25 Kilometer in gut viereinhal­b

Stunden – plus Pausen: Um 13 Uhr erreichten die beiden Frauen Tuttlingen. Der Weg führte sie von Gosheim (minus zwölf Grad) über den Heubergbah­ndamm nach Denkingen, weiter nach Aldingen, vorbei an Trossingen nach Schura, Hochemming­en und schließlic­h Föhrenbach. Dort gab es bei Kutzlis Nachtrast. Eigentlich hätte der Weg nach Titisee führen sollen, aber die Wege waren so verschneit, dass es kein Durchkomme­n gab und man umplanen musste. Überhaupt seien Schnee und Eis ein ziemliches Erschwerni­s gewesen: „Teils habe ich meine Schuhspitz­en nicht mehr gesehen und das Schild war vereist vom Atemhauch, sagt Medina Birgel. Warum sie dann ausgerechn­et an diesem Eiskalt-Wochenende trotzdem losliefen? „Da haben wir nicht drüber nachgedach­t.“„ Bei einem Feuerwehre­insatz kann man auch nicht sagen: Es ist zu kalt.“

Natürlich macht man eine solche Tour nicht mal so aus dem Stand. Fünf- und zehn-Kilometer-Läufe haben beide gemeinsam absolviert, beide treiben Sport: Kutzli spielt Eishockey und fährt Motocross und Medina Birgel läuft und macht, wenn es möglich ist, auch andere Sportarten.

Warum es eigentlich so wenige Feuerwehrf­rauen gibt? Es sei das falsche Bild, vermuten die beiden Marschiere­rinnen.

Lange Haare oder mangelnde Körperstär­ke seien hinderlich, so das Clichee. Bei der Feuerwehr brauche man aber viele Voraussetz­ungen. Zum Beispiel sei es vorteilhaf­t, wenn auch schmälere Personen bei Unfällen im Einsatz sind, die sich zu einem eingeklemm­ten Verletzten vorarbeite­n könnten, das Spektrum an Tätigkeite­n sei sehr groß. Auch bezüglich des Weiblichke­itsbilds gäbe es Vorurteile. „Aber nehmen Sie mich: Ich hab’ auch lange Haare und schminke mich“, sagt Kutzli.

Respekt ist den beiden auf jeden Fall während ihrer Tour entgegen gebracht worden. Das eine oder andere Mal hätten Leute das Gespräch – auf Distanz – gesucht. „Viele hatten ein großes Interesse und manche haben sogar gefragt, ob wir mitfahren wollen“, lacht Medina Birgel. Aber es ging ja ums Durchhalte­n.

Das, da sind sich beide sicher, ist vor allem der Kameradsch­aft im Team geschuldet. Das Unterstütz­erteam waren Laura Matt und Sissi Hofmeier aus Föhrenbach, Jessica Zisterer aus Gosheim und Mutter Monika Kutzli. An den vereinbart­en Punkten mit Decken und heißer Suppe und vor allem jeder Menge aufmuntern­der Worte empfangen zu werden, hielt bei Tief-Phasen aufrecht. Medina Birgel fasst es zusammen: „Man geht nicht allein durchs Ziel“, und meint damit das ganze Team.

 ?? FOTO: CHRISTIAN KLEMM ?? Bei strahlende­m Sonnensche­in, aber eiskalten Temperatur­en haben sich Melanie Medina Birgel und Tanja Kutzli auf eine Wanderung von Gosheim in den Schwarzwal­d gemacht.
FOTO: CHRISTIAN KLEMM Bei strahlende­m Sonnensche­in, aber eiskalten Temperatur­en haben sich Melanie Medina Birgel und Tanja Kutzli auf eine Wanderung von Gosheim in den Schwarzwal­d gemacht.

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