Wenig Abneigung, viel Wehmut – 180. Revierderby ist anders
Schalke 04 trifft auf Borussia Dortmund – Champions-League-Aspirant gegen Abstiegskandidat
GELSENKIRCHEN (SID) - Selbst der erklärte Schalke-Hasser Kevin Großkreutz leidet mit, und auch für BVBBoss Hans-Joachim Watzke wäre es „ein Drama“: Das 180. Revierderby zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund elektrisiert wieder eine ganze Region – doch sehr wahrscheinlich zum vorerst letzten Mal in der Fußball-Bundesliga. „Für alle ist es das größte Spiel. Es würde nicht nur im Ruhrpott, sondern allen Menschen fehlen“, sagt Rio-Weltmeister Großkreutz vor dem ungleichen Duell am Samstag (18.30 Uhr/Sky).
Nicht nur der Ex-Borusse, der einst als junger Profi sagte, er „hasse Schalke wie die Pest“, drückt dem tief gestürzten Erzrivalen gar nicht so heimlich die Daumen. Roman Weidenfeller, BVB-Rekordspieler im Derby (24 Einsätze), wünscht sich sogar „sehr, dass Schalke erstklassig und das Derby ein fester Bestandteil der Bundesliga bleibt“. Auch Watzke hofft noch, „dass der Club die dafür nötigen Punkte sammelt – außer am Samstag“. Doch sollte Schalke nicht gegen den BVB endlich mit dem Punktesammeln anfangen, wäre der vierte Abstieg in der Vereinsgeschichte wohl unausweichlich.
Das wissen auch die Königsblauen, die in höchster Not die DerbyNostalgie bemühen. Torhüter Ralf Fährmann, der seinen zwölften Ruhrpottklassiker bestreitet, stellte
„ein paar Videos in den Mannschafts-Chat“, um seine Mitspieler „heiß zu machen“. Mit dabei die Aufholjagd beim schon legendären 4:4 nach 0:4 vor dreieinhalb Jahren oder der 4:2-Sieg im April 2019, der Schalke zum Klassenerhalt verholfen hat.
Diesmal ist die Lage ungleich prekärer: Von den letzten 37 Bundesligaspielen
hat Schalke nur eines gewonnen, der Rückstand auf den Relegationsplatz ist auf neun Punkte angewachsen, selbst ein Derbysieg würde die Gelsenkirchener nicht vom Tabellenende wegführen. „Wir brauchen Punkte“, sagt Fährmann, der mit diversen Unterbrechungen seit 2003 bei den Königsblauen ist. „Ein Sieg am Samstag wäre ein super Einstieg in eine kleine Serie.“
Nur wie? In den letzten sechs erfolglosen Punktspielen hat Schalke ganze drei Tore geschossen. Auch Christian Gross, der vierte Trainer der Saison, hat den Absturz nicht gestoppt. Rückkehrer Klaas-Jan Huntelaar, der mit seinen Toren den vierten Abstieg nach 1981, 1983 und 1989 verhindern sollte, fehlt weiter mit Wadenproblemen. „Wir haben mehr Punkte nötig als die Dortmunder“, meinte Gross, „das Spiel hat eine extrem hohe Brisanz.“BVB-Sportdirektor Michael Zorc entgegnete, es gebe „keine Geschenke zu verteilen“.
Die Dortmunder „Krise“ist vergleichsweise komfortabel. Nach nur einem Sieg aus den vergangenen sechs Bundesligaspielen ist die neuerliche Champions-League-Teilnahme in Gefahr. Beim 3:2 beim FC Sevilla im Achtelfinale der Königsklasse zeigten Erling Haaland und Co. aber wieder einmal, wozu sie fähig sind. „Ein Spiel reicht nicht, um das wiedergutzumachen“, meinte BorussenKapitän Marco Reus allerdings. „Im Derby müssen wir mindestens das Gleiche auf dem Platz zeigen wie in Sevilla in der ersten Halbzeit.“Trainer Edin Terzic ist da zuversichtlich: „Die Fans wollen sehen, dass man sich für dieses Trikot zerreißt und gewinnt. Wir werden da sein.“
Während es für Dortmund „nur“um die Extramillionen aus der Champions League und den Verbleib des größten Juwels Erling Haaland geht, kämpft Schalke ums nackte Überleben. Der Absturz in die 2. Liga hätte für den mit 240 Millionen Euro verschuldeten Traditionsclub existenzbedrohende Folgen. Nicht nur die Revierderbys würden künftig fehlen.