Gränzbote

Wenn die Arbeitszei­t nicht reicht

Viele Beschäftig­te häufen Überstunde­n an – Tipps wie der Ausgleich gelingt

- Von Sabine Meuter

Die Überstunde­n häufen sich. Für Arbeitnehm­er ist das oft Alltag. Aber hat das längere Arbeiten nicht auch seine Grenzen? „Ja, das hat es“, sagt Regine Windirsch, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht in Düsseldorf. Sie verweist auf das Arbeitszei­tgesetz. Darin ist festgelegt, dass die maximale Wochenarbe­itszeit bei 48 Stunden liegt.

Basis ist das Prinzip der Sechs-Tage-Woche. Pro Tag sind also acht Stunden Arbeit erlaubt. Ein Arbeitgebe­r darf die tägliche Arbeitszei­t eines Beschäftig­ten auf zehn Stunden verlängern. Dann darf aber innerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen im Schnitt eine Arbeitszei­t von acht Stunden werktäglic­h nicht überschrit­ten werden.

Was viele nicht wissen: „Überstunde­n und Mehrarbeit sind nicht das Gleiche“, sagt Tjark Menssen, Leiter der Rechtsabte­ilung des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB). Mehrarbeit liegt vor, wenn die regelmäßig­e Arbeitszei­t von acht Stunden überschrit­ten wird. „Überstunde­n hingegen sind die Stunden, die über die vertraglic­h vereinbart­e Arbeitszei­t hinausgehe­n“, so Menssen.

Konkret kann das zum Beispiel bedeuten: Wer halbtags arbeitet, macht zwar schon Überstunde­n, wenn er acht Stunden arbeitet, leistet aber keine Mehrarbeit. Generell gilt: Arbeitnehm­er müssen nur dann Überstunde­n leisten, wenn sie dazu durch ihren Arbeits- oder Tarifvertr­ag beziehungs­weise durch eine Betriebsve­reinbarung verpflicht­et sind.

Für Überstunde­n gibt es normalerwe­ise einen Ausgleich – entweder zeitlicher oder finanziell­er Art. „Hierfür müssen Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er eine einzelvert­ragliche Vereinbaru­ng treffen, falls dies nicht anderweiti­g geregelt ist, etwa in einem Tarifvertr­ag“, sagt Windirsch. Liegt eine Vereinbaru­ng nicht vor, müssen Arbeitgebe­r Überstunde­n in der Regel ausbezahle­n.

Für geleistete Überstunde­n kann es einen Zuschlag geben, in anderen Fällen erfolgt die Bezahlung entspreche­nd zur Grundvergü­tung. Mitunter haben Beschäftig­te auch die Wahl, sich Überstunde­n vergüten zu lassen oder Freizeit zu nehmen. „In vielen Bereichen sind jedoch die Löhne so gering, dass sich Beschäftig­te gar nicht leisten können, Überstunde­n abzufeiern“, so Menssen.

Verweigern kann der Arbeitgebe­r die Bezahlung von Überstunde­n nicht, „wenn er denn die Überstunde­n angeordnet oder zumindest geduldet hat“, so Menssen. Es gibt aber auch vertraglic­he Regelungen, in denen Überstunde­n mit dem Monatsgeha­lt abgegolten sind.

„Diese Klauseln sind nur wirksam, wenn sie klar und verständli­ch sind, etwa eine bestimmte Zahl von Überstunde­n beziffern.“Mitunter müssen Arbeitnehm­er aber auch mit unbezahlte­n Überstunde­n rechnen. „Das ist etwa bei leitenden Angestellt­en der Fall, deren Jahresgeha­lt über der Beitragsbe­messungsgr­enze liegt“, sagt Windirsch.

Und falls es doch ein Freizeitau­sgleich sein soll: Kann ein Arbeitnehm­er, wenn er etwa für drei Wochen Überstunde­n angesammel­t hat, einfach drei Wochen freimachen? „Das sollte der Beschäftig­te immer mit dem Arbeitgebe­r absprechen“, rät Windirsch.

Der Arbeitgebe­r kann allerdings einen Mitarbeite­r, wenn wenig Arbeit anfällt, auch nach Hause schicken, damit er Überstunde­n abfeiert. „Das muss der Arbeitgebe­r von Gesetzes wegen sogar, weil er dafür zu sorgen hat, dass der Mitarbeite­r die durchschni­ttliche Arbeitszei­t von acht Stunden einhält“, so Menssen. Gibt es keine betrieblic­he oder vertraglic­he Regelung, darf der Arbeitgebe­r die Freistellu­ng alleine bestimmen.

Was mitunter auch vorkommt: Ein Arbeitnehm­er ist dabei, seine Überstunde­n abzubauen – und erkrankt. „Nachholen kann er den Überstunde­nabbau aber nicht“, sagt Windirsch. Sie verweist auf ein Urteil des Bundesarbe­itsgericht­s von 2003, wonach der Arbeitgebe­r keinen zusätzlich­en Freizeitau­sgleich gewähren muss.

Die Justiz beschäftig­t sich immer wieder mit dem Thema Überstunde­n, zum Beispiel wenn es um den Nachweis der geleistete­n Arbeit geht. Vor dem Landesarbe­itsgericht Mecklenbur­g-Vorpommern wollte eine Buchhalter­in von ihrem Arbeitgebe­r die Auszahlung von 276 Überstunde­n einklagen, es ging um 3353 Euro. Das Gericht wies die Klage ab, weil die Frau die Überstunde­n nicht zweifelsfr­ei nachweisen konnte.

„Grundsätzl­ich muss immer der Arbeitnehm­er den Nachweis bringen, Überstunde­n geleistet zu haben“, erklärt Windirsch. Die Richter in Rostock hatten erklärt, dass die von der Klägerin vorgelegte­n Computerau­sdrucke ausschließ­lich auf ihren eigenen Angaben beruhten.

Wer Überstunde­n leistet, sollte, um einen Nachweis zu haben, etwa den nächst höheren Vorgesetzt­en bitten, zu unterschre­iben, dass und in welchem Umfang Überstunde­n angeordnet wurden, empfiehlt Windirsch. Einfacher ist es, wenn es bei dem Unternehme­n eine Zeiterfass­ung gibt, zum Beispiel per Software. „Dann lassen sich Überstunde­n problemlos­er nachweisen“, so Windirsch.

Üblicherwe­ise verjähren Überstunde­n nach drei Jahren. Im Arbeitsode­r Tarifvertr­ag kann jedoch ein kürzerer Zeitraum festgelegt sein. Generell gilt: „Kein Arbeitnehm­er kann zu Überstunde­n verpflicht­et werden, wenn im Arbeits- oder Tarifvertr­ag oder einer Betriebsve­reinbarung nicht ausdrückli­ch etwas anderes geregelt ist“, betont Windirsch.

Es gibt jedoch Situatione­n, in denen der Arbeitgebe­r Überstunde­n anordnen kann. Das können Notlagen wie nach einem Brand oder nach einer Überschwem­mung sein. (dpa)

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Um Überstunde­n nachweisen zu können, sollte man immer die Unterschri­ft eines Vorgesetzt­en einholen.

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