Entlassungen und Leiharbeit bei IMS Gear
IMS Gear-Vorstand Wolfgang Weber rechtfertigt die Zeitarbeit mit notwendigen Flexibilitätsreserven
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (sbo) - Nur schwer lässt sich bei IMS Gear aus Sicht der Unternehmensspitze die weitere Entwicklung vorhersagen – an dem geplanten Stellenabbau hält man deshalb fest. Dennoch werden auch im VS-Werk Leiharbeiter eingesetzt. Der Automobilzulieferer hat für diesen Gegensatz eine Erklärung.
Es sind erneut irritierte Mitarbeiter, die sich bei der Zeitung melden. Nachdem im vergangenen Herbst trotz Entlassungen bei IMS Gear plötzlich Sonderschichten anfielen, wird nun der Einsatz von Leiharbeitern moniert.
Und tatsächlich bestätigt der Zahnrad- und Getriebespezialist auf Anfrage, dass Zeitarbeit eingeführt wurde. „Ja, wir greifen derzeit in sehr überschaubarem Maß und abgestimmt mit unserem Betriebsrat auf Zeitarbeit zurück“, erklärt IMS GearVorstand Wolfgang Weber. Demnach seien an den deutschen Standorten in der Spitze 40 Zeitarbeiter im Einsatz, davon rund 15 im Werk in Villingen-Schwenningen. Auch seien erneut Sonder- und Wochenendschichten gefahren worden.
Der Grund seien weiterhin Auftragsspitzen, die das Unternehmen seit September vergangenen Jahres abfedern müsse. Mit „kurzfristig auftretenden und sehr ausgeprägten temporären Umsatzschwankungen“sei weiterhin zu rechnen, macht der Vorstand deutlich. Weber: „Die Kundenabrufe können quasi über Nacht durch die Decke gehen, aber auch ebenso schnell auf ein Minimum absacken, um sich dann wieder auf einem ›normalen‹ Level einzupendeln.“Man behalte sich deshalb diese „Flexibilitätsreserve“vor.
In diesem Zusammenhang sei auch in Zukunft die Ausweitung von Kurzarbeit, die derzeit nur im Formenbau eingesetzt wird, ein Thema. „Sollte sich die Auftragslage wesentlich ändern, stünde das für alle Unternehmensbereiche als eine Möglichkeit zur Verfügung, flexibel zu reagieren“, so der Vorstand.
Die Auftragsspitzen seien nach wie vor Nachhol-Effekte – so sei die Automobilindustrie nach Auskunft von Weber immer noch dabei, nach dem kompletten Stillstand die Rückstände aufzubauen. „Zum anderen stehen die deutschen Automobilhersteller unter gewaltigem Druck, Elektrofahrzeuge kurzfristig in den Markt zu drücken, um Strafzahlungen wegen Überschreitung der CO2Flottengrenzwerte zu vermeiden“, so der 62-Jährige.
Franz Ritter, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall, hat die derzeitige Lage bei IMS Gear ebenfalls im
Blick und kann von Gesprächen mit dem Betriebsrat berichten. „Dieser bestätigt die Auftragsspitzen“, so Ritter. Leiharbeiter zum Abfedern zu nutzen, sieht die IG Metall grundsätzlich nicht als Ideallösung an, allerdings müsse diese Vorgehensweise zunächst vom Betriebsrat genehmigt werden. Ritter: „Und der Betriebsrat hat das genehmigt.“
Was den Blick in die Zukunft des Automobilsektors betrifft, so ist Vorstand Weber der Meinung, dass sich die Entwicklungen in diesem Bereich nur noch „sehr eingeschränkt prognostizieren“lassen. Eines zeichnet sich aus seiner Sicht aber ab: „Anders als bei der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008 wird sich eine nachhaltige konjunkturelle Entwicklung dieses Mal nur langsam einstellen.“Überhaupt sei fraglich, „ob und wann der Automobilmarkt wieder die Größenordnung erreicht, die er vor der Corona-Krise hatte“.
Vor diesem Hintergrund rechnet das Unternehmen für das Jahr 2021 zwar mit einem im Vergleich zum Vorjahr leicht gesteigerten Umsatz, aber keine nachhaltige, konjunkturelle Erholung „auf dauerhaft hohem Niveau“. Es sei daher neben den positiven ebenso mit negativen Umsatzschwankungen zu erreichen.
Auch aus diesem Grund hält der Zahnrad- und Getriebespezialist am Abbau von 140 Stellen fest. Dadurch verschaffe man dem Unternehmen, so erklärt der Vorstand, „die Robustheit, auch Jahre mit schwachem oder leicht rückläufigem Wachstum zu bewältigen, ohne einen weiteren Stellenabbau in Angriff nehmen zu müssen“.
Grundsätzlich sieht die IG Metall ebenfalls einen „riesigen Umbruch“in der Branche und deshalb gleichzeitig eine Transformation. Ritter: „Diese Transformationen sind die
Herausforderungen der Zukunft.“Wie sieht das IMS Gear? Sollte sich das Unternehmen angesichts der schwierigen Prognosen im Automobilsektor dann zukünftig nicht andere Schwerpunkte setzen? „Mittel- bis langfristig bietet uns dieser Markt weiterhin Wachstumschancen“, erklärt der IMS Gear-Vorstand in diesem Zusammenhang. Denn eines der Vorteile des Unternehmens sei, dass die Produktpalette unabhängig vom Antrieb des Fahrzeugs sei – egal ob Verbrennungsmotor, Hybrid-Technik oder reiner Elektroantrieb.
Allerdings stärke man tatsächlich den „Non-Automotive-Bereich“. Im Bereich der Industrieanwendungen, hier setzt IMS Gear auf Planetengetriebe, möchte man den Umsatz von heute rund zehn auf etwa 30 Prozent erhöhen. Auch Antriebslösungen für autonom fahrende Kleinfahrzeuge würden abgedeckt.
Die IG Metall sieht dies als richtigen und wichtigen Weg an, wie der Gewerkschaftssekretär erklärt. „Wir haben in Gesprächen auch darauf hingewiesen, dass man sich mit neuen Produkten intensiv beschäftigen sollte“, so Ritter. Die Hoffnungen ruhen nun darauf, dass man sich auch in dieser Branche im Markt etablieren und größere Umsätze generieren kann.„Um diese Wachstumspotenziale in bestehenden und neuen Geschäftsfeldern erschließen zu können, müssen wir unsere betrieblichen Prozesse optimieren“, betont Weber in diesem Zusammenhang. Deshalb werde die Produktion von Planetengetrieben am Standort in Villingen-Schwenningen konzentriert – dort wird derzeit eine große Erweiterung realisiert. Gleichzeitig führe das Unternehmen bislang ausgelagerte Bereiche im Technologiezentrum in Donaueschingen zusammen.