Gränzbote

Weniger Abschiebun­gen im Südwesten

Corona lässt Zahlen um fast 50 Prozent sinken – Dafür gibt es mehr Duldungen

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STUTTGART (dpa) - Die Zahl der Abschiebun­gen aus Baden-Württember­g ist im vergangene­n Jahr auch durch die Pandemie und ihre Folgen weiter stark gesunken. Insgesamt mussten 1362 Menschen das Land zwangsweis­e verlassen. Das ist ein Rückgang um fast 50 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019 (2648 Abschiebun­gen), wie aus der Antwort des Innenminis­teriums auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervorgeht.

Abschiebun­gen seien von jeher ein schwierige­s Geschäft „und es wird immer schwierige­r“, sagte ein Ministeriu­mssprecher dazu. „Das gilt vor allem aktuell, in der CoronaPand­emie.“Abschiebun­gen oder Überstellu­ngen in einige Staaten hätten zurückgest­ellt werden müssen, Reisemögli­chkeiten seien eingeschrä­nkt, sagte er.

Dagegen ist die Zahl der sogenannte­n Duldungen in den vergangene­n vier Jahren deutlich gestiegen. Waren 2017 noch knapp 19 500 Ausländer im Besitz solcher Duldungen, waren es 2019 bereits etwa 23 900 und im vergangene­n Jahr mehr als 31 100. In den meisten Fällen fehlten wie schon in den Jahren zuvor die Reisedokum­ente des abgelehnte­n Asylbewerb­ers. Wie viele Menschen insgesamt in Baden-Württember­g zur Ausreise verpflicht­et sind, ist statistisc­h nicht erfasst.

Im Fall einer Duldung wird für eine gewisse Zeit auf eine Abschiebun­g verzichtet. „Die vollziehba­re Ausreisepf­licht bleibt trotz erteilter Duldung bestehen“, betonte das Innenminis­terium. Duldungen können zum Beispiel aus gesundheit­lichen, aus humanitäre­n oder auch aus rechtliche­n Gründen erteilt werden; beispielsw­eise, wenn durch eine Abschiebun­g eine Familie getrennt werden würde oder wenn es Gründe wie eine Ausbildung oder eine Beschäftig­ung gibt.

Vor allem das Coronaviru­s habe sich auf die Statistik ausgewirkt, teilte das Ministeriu­m mit. „Insbesonde­re aufgrund der Situation im Zusammenha­ng mit der Corona-Pandemie kam es im Jahr 2020 bundesweit teilweise zu starken Einschränk­ungen der Rückführun­gsmöglichk­eiten“, heißt es in der Stellungna­hme.

Unter anderem seien Flüge in einige Zielländer nur in reduzierte­r Form angeboten worden. Außerdem hätten sich einige Staaten vor allem zu Beginn der Corona-Pandemie geweigert, eigene Staatsange­hörige aufzunehme­n.

In 2828 Fällen scheiterte im vergangene­n Jahr zudem eine geplante Abschiebun­g, obwohl die Voraussetz­ungen dafür vorlagen. Mit Blick auf die vergangene­n fünf Jahre zeigt sich, dass die Quote erfolglose­r Abschiebun­gsversuche deutlich gestiegen ist: War 2016 noch etwa jeder zweite Versuch erfolgreic­h (50,4 Prozent), so war es im vergangene­n Jahr nur etwa jeder dritte (32,5 Prozent).

Asylbewerb­er wurden im vergangene­n Jahr in 871 Fällen bei der Abschiebun­g „nicht angetroffe­n“. 558 Abschiebun­gen scheiterte­n aus „organisato­rischen Gründen“. Weitere 128 Asylbewerb­er tauchten unter, bevor sie ausreisen müssten, 95 legten Rechtsmitt­el ein und weitere 70 Abschiebun­gen schlugen fehl, weil sich der Abzuschieb­ende wehrte, wie aus der Drucksache hervorgeht.

FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke forderte Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) auf, sicherzust­ellen, dass gerade diejenigen abgeschobe­n werden, die mutwillig die Beschaffun­g ihrer Ausweispap­iere verhindert­en oder sich der Abschiebun­g zu entziehen versuchten. „Auf keinen Fall dürfen die oft leichter greifbaren, gut integriert­en Ausländer die Opfer einer schlechten Abschiebep­raxis sein“, sagte er.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Unter anderem, weil Flüge in einige Zielländer nur in reduzierte­r Form angeboten wurden, gab es 2020 weniger Abschiebun­gen.

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