Unsinniges Regelwerk?
Landesliga-Trainer sprechen über die fragwürdigsten Fußballregeln – Was sie wirklich auf die Palme bringt und was sie ändern würden
Drei Fußballtrainer sprechen über Regeln, die sie bei diesem Sport nerven.
TUTTLINGEN/MÜHLHEIM/TROSSINGEN - Starre Regeln treffen auf ungebändigte Emotionen: So stehen beim Fußball nicht selten die 22 Feldspieler und ihre Trainer im Fokus, sondern häufig genug die Unparteiischen. Die Schiedsrichter sollen sich an das feste Regelwerk halten, um die Ordnung auf dem Platz zu wahren. Wahrlich einfach ist das nicht, denn manche „eiserne Fußballregel“lässt sich unterschiedlich auslegen – zum Ärger von Zuschauern, Spielern und Trainern. So mancher Spieler und nicht wenige Trainer würden am liebsten die eine oder andere Regel ihres Lieblingssports verändern, anpassen oder ganz aus dem Regelkatalog tilgen lassen. Redakteur David Zapp hat sich mit den Landesliga-Trainern Andreas Keller (SC 04 Tuttlingen), Maik Schutzbach (VfL Mühlheim) und Andreas Probst (SpVgg Trossingen) über besonders nervige Regeln und Änderungswünschen fürs Regelwerk ausgetauscht.
Mit welcher Fußballregel haben Sie als aktiver Spieler am meisten und häufigsten hadern müssen? Hätten Sie konkrete Änderungsvorschläge?
Andreas Keller: Als körperlich großer Spieler war meine Stärke das Spiel mit dem Rücken zum Tor. Leider wurde mir oft Klammern abgepfiffen. Mein Änderungsvorschlag: Klammern für große Mittelstürmer erlaubt. (lacht)
Maik Schutzbach: Dass ich mich mit meiner geringen Körpergröße im Kopfballduell nicht beim Gegner aufstützen durfte. Spieler unter 1,75 Meter sollten das das in Zukunft dürfen. (lacht)
Andreas Probst: Mit dem Einwurf hatte ich wirklich meine Probleme, aber zum Glück wurde diese Regel ja etwas entschärft. Früher wurde ja jeder zweite Einwurf abgepfiffen.
Welche Spielsituationen regten Sie
als Spieler und dann als Trainer am meisten auf, wenn diese nicht oder doch vom Schiedsrichter abgepfiffen wurden? Welche Regel ist da fehl am Platze?
Andreas Keller: Früher gab es die Regel, dass Torhüter im Fünf-Meter-Raum nicht angegangen werden dürfen. Das hat dazu geführt, dass regelmäßig bereits der kleinste Kontakt abgepfiffen wurde – für mich als Stürmer relativ ungünstig. Maik Schutzbach: Die „Spielvorteil“-Regel führt immer wieder zu kritischen und diskussionswürdigen Situationen. Da kann es schon mal vorkommen, dass man sich ärgert. Ändern würde ich die Regel dennoch nicht. Es ist gut, dass die Schiedsrichter die Möglichkeit haben, der Ball besitzenden Mannschaft einen Vorteil laufen zu lassen. Dass es hier hin und wieder auch zu Fehleinschätzungen kommt, ist menschlich – und trotzdem manchmal verdammt ärgerlich. Wenn man seinen Unmut mit dem gebotenen Respekt kundtut, ist das aber okay.
Andreas Probst: Zeitspiel nervt einfach unglaublich. Ich würde als Schiedsrichter zehn oder auch 15 Minuten nachspielen lassen. Auch bei den Profis sieht man, wie oft durch den Videobeweis unterbrochen wird, dann noch auf Zeit gespielt wird und der Schiri gibt nur drei bis vier Minuten Nachspielzeit.
Welche Regel würden Sie sofort ersatzlos streichen? Andreas Keller: Elfmeter gegen
Tuttlingen! (lacht) Im Ernst, in der Summe finde ich das Regelwerk im Amateurfußball in Ordnung.
Maik Schutzbach: Keine! Andreas Probst: Also, diese Handelfmeter, bei denen der Spieler nicht mal den Ball sieht und dann einen Elfer gegen sich bekommt, sind eigentlich total verrückt. Jeder, der Fußball gespielt hat, sieht ganz genau, ob es Absicht war oder nicht. Aber diese Regel „Unter-Oberarmgrenze“ist meines Erachtens fehl am Platz und birgt einfach zu viel Diskussionsstoff. Wenn jemand bewusst seine Hand zum Ball bewegt, dann ist das ja auch okay, aber nicht wenn der Spieler zum Beispiel mit dem Rücken zum Gegner steht und am Ellenbogen angeschossen wird.
Welche Regel würden Sie einführen, um das Spiel attraktiver oder fairer oder auch schneller zu machen?
Andreas Keller: Ich würde keine neue Regel einführen, aber im Profibereich den Videobeweis anpassen. Die Unterbrechungen sind teilweise zu lang. Wenn man sich mehrere Minuten ein Video anschauen muss, um eine Szene bewerten zu können, kann es sich nicht um eine klare Fehlentscheidung handeln. Im Zweifel dann lieber zum Beispiel nach maximal 60 Sekunden weiterspielen und auf die Intuition des Schiedsrichters vertrauen.
Maik Schutzbach: Die TorabstoßRegelung: Eigene Spieler dürfen in den Strafraum. Diese Regel wurde jüngst bereits geändert beziehungsweise eingeführt. Das hat im Spielaufbau neue Möglichkeiten eröffnet und macht das Spiel ansehnlicher. So kann trotz Gegnerpressing versucht werden, den Spielaufbau spielerisch zu lösen.
Andreas Probst: Ich würde beim Elfmeterschießen auf den Elfmeterpunkt verzichten und den Spieler von der Mittellinie aus aufs Tor laufen lassen. Wie beim Eishockey. In
Südamerika gibt es ja auch solche Szenarien.
Welche Regel bringt Sie als Trainer am häufigsten zur Weißglut? Andreas Keller: Wie gesagt. Alles in allem finde ich das Regelwerk in Ordnung. Zur Weißglut bringt mich diesbezüglich nichts.
Maik Schutzbach: Die Nachspielzeit, wenn wir knapp in Führung liegen.
Andreas Probst: Puh, eine Regel eigentlich nicht. Mich bringen andere Situationen zur Weißglut. (lacht)
Welche Regel könnte oder sollte der Fußball aus anderen Sportarten übernehmen?
Andreas Keller: Aus anderen Sportarten fällt mir spontan nichts ein. Ich finde allerdings die aktuelle Regelung aus dem Profibereich mit bis zu fünf Einwechselspielern bei maximal drei Einwechslungen auch für den Amateurfußball interessant. Maik Schutzbach: Vielleicht keine konkrete Regel, aber wir können uns in puncto Fairness und Verhalten vor allem vom Handball eine Menge abschauen. Ein körperlich hartes Spiel, bei dem durch diverse strenge Regelauslegungen unsportliches Verhalten minimiert wird. So wird schon den Kindern und Jugendlichen klargemacht, dass unfaires Verhalten in der Regel zum eigenen Nachteil führt und die Sportler so zu fairen Sportlern erzogen werden. Es wäre schön, wenn die Schauspielereien aus dem Fußball verschwinden würden.
Andreas Probst: Zeitstrafen nach zwei gelben Karten und danach erst die rote Karte. Das würde es mit dem sogenannten Powerplay attraktiver machen. Das Auswechselkontingent sollte auf fünf bis sechs Spieler erhöht werden. Im Amateursport sowieso, wo das ja wirklich jeder als Hobby betreibt. Wer möchte schon am Sonntag nur auf der Bank sitzen und zuschauen...?