Gränzbote

Zahl der Verkehrsto­ten auf historisch­em Tief

Historisch­er Knick in der Statistik durch die Corona-Pandemie

- Von Sandra Trauner

WIESBADEN (epd) - Die Zahl der Verkehrsto­ten in Deutschlan­d ist – vor allem aufgrund der Corona-Pandemie – auf den niedrigste­n Stand seit Beginn der Statistik vor mehr als 60 Jahren gesunken. Im Jahr 2020 kamen 2724 Menschen bei Unfällen im Straßenver­kehr ums Leben, wie das Statistisc­he Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Bundesweit gab es 322 Todesopfer weniger (minus 10,6 Prozent) als 2019 (3046 Tote). In absoluten Zahlen betrachtet waren die Rückgänge am stärksten in Baden-Württember­g (minus 107). Auch die Zahl der Verletzten ging massiv zurück.

WIESBADEN (dpa) - Es sind die positiven Seiten der Pandemie: Seit das Statistisc­he Bundesamt die Verkehrsto­ten zählt, starben niemals weniger Menschen im Straßenver­kehr als im vergangene­n Jahr. „Dies ist insbesonde­re darauf zurückzufü­hren, dass wegen der Corona-Pandemie 2020 auf deutschen Straßen deutlich weniger Kilometer zurückgele­gt wurden als im Vorjahr“, berichtete das Statistisc­he Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag.

2020 kamen nach vorläufige­n Zahlen 2724 Menschen bei Unfällen im Straßenver­kehr ums Leben. Das waren 322 Todesopfer oder 10,6 Prozent weniger als im Jahr 2019 – der niedrigste Stand seit Beginn der Zählung vor mehr als 60 Jahren. Auch die Zahl der Verletzten ging gegenüber dem Vorjahr deutlich zurück: um 14,7 Prozent auf rund 328 000 Personen. Insgesamt hatte die Polizei 2020 rund 2,3 Millionen Unfälle aufgenomme­n – 15,8 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Dass das dauerhaft so bleibt, halten Verkehrsex­perten für unwahrsche­inlich. Die Zahlen seien erfreulich, „zeichnen aber ein falsches Bild der Verkehrssi­cherheit“, sagt der Präsident der Deutschen Verkehrswa­cht, Prof. Kurt Bodewig. TÜV-Bereichsle­iter Richard Goebelt glaubt, dass die Zahlen wieder steigen, „sobald eine Normalisie­rung des Verkehrsge­schehens nach den CovidEinsc­hränkungen einsetzt“.

Unfallfors­cher Siegfried Brockmann vom Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) hofft, dass sich der Trend zumindest im ersten Halbjahr fortsetzt. „Ich gehe fest davon aus, dass wir auch in diesem Jahr auf dem Niveau des Vorjahres verharren werden“, sagt er. Wenn sich die Corona-Lage im Sommer entspannt, könnte der Effekt aber schnell weg sein. „Sobald der Verkehr wieder zunimmt, werden sich die Menschen verhalten wie zuvor. Am Charakter hat sich durch Corona nichts verändert.“

In den Bundesländ­ern sieht die Entwicklun­g auf den ersten Blick unterschie­dlich aus: In Brandenbur­g, Berlin, Schleswig-Holstein und Bremen wurden 2020 mehr Verkehrsto­te gezählt als 2019. Den stärksten Rückgang in absoluten Zahlen hatte Baden-Württember­g, wo 107 Menschen

weniger starben. Auch in Niedersach­sen und Bayern sanken die Zahlen.

Der Effekt ist laut Brockmann „zufallsbed­ingt“. Angesichts der relativ kleinen Fallzahl gebe es statistisc­he Verzerrung­en – bei den Unfällen mit Verletzten sehe man in den Ländern keinen Unterschie­d. Einen Zusammenha­ng mit den jeweiligen CoronaEins­chränkunge­n oder deren Befolgunge­n will er auf keinen Fall konstruier­en.

Unterschie­de gibt es auch bei den Verkehrsmi­tteln. Hier liegen detaillier­tere Ergebnisse zwar erst bis November 2020 vor, aber der Trend ist klar. Den stärksten prozentual­en Rückgang gab es bei Personenkr­aftwagen: Tödliche Autounfäll­e gingen um 14,3 Prozent oder 176 Getötete zurück. Den zweitstärk­sten Rückgang verzeichne­ten die Krafträder mit minus 8,6 Prozent oder 51 Getöteten weniger. Danach folgten Fußgängeri­nnen und Fußgänger mit 9,1 Prozent beziehungs­weise 33 Getöteten weniger.

Besonders aufschluss­reich sind die Unfallzahl­en bei Fahrrädern. 271 Menschen starben bis November 2020 auf Fahrrädern ohne Hilfsmotor. Das waren 40 Getötete beziehungs­weise 12,9 Prozent weniger als im selben Zeitraum 2019. Ganz anders die Entwicklun­g bei den Rädern mit Motor: Die Zahl der getöteten Pedelec-Fahrer stieg um 19,1 Prozent auf 137. Das waren 22 tödlich verunglück­te E-Bike-Fahrer mehr als im Vorjahresz­eitraum.

Unfallfors­cher Brockmann findet das „alarmieren­d“: „Jeder dritte Radverkehr­stote ist inzwischen ein Pedelec-Fahrer“, rechnet er vor. „Das ist Wahnsinn“, vor allem wenn man sich den Bestand anschaue: Das Verhältnis von Fahrrädern zu Pedelecs in Deutschlan­d sei etwa eins zu zehn. Das liege vor allem an den Nutzern, glaubt Brockmann.

Pedelec-Fahrer seien älter, ohne Unterstütz­ung würden viele gar nicht oder eher langsam fahren, mit Motor erreichten sie hohe Geschwindi­gkeiten. Außerdem seien ERäder schwerer. „Tempo und Gewicht, das sind die entscheide­nden Faktoren“, sagt Brockmann. Die hohe Zahl der Unfälle führt er darauf zurück, dass die Nutzer die Fahrzeuge nicht unter Kontrolle haben – und fordert, die Endgeschwi­ndigkeit an die Tretleistu­ng zu koppeln.

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