Mülldeponie wird zum Aufreger-Thema
Kreis Schwarzwald-Baar ärgert sich über Kreis Tuttlingen – Zum Zahlmeister degradiert?
TALHEIM/SCHWARZWALD-BAARKREIS (sbo) - Zwischen den Landkreisen Tuttlingen und Schwarzwald-Baar knirscht es im Gebälk gewaltig. Grund ist nicht die Sache an sich – es geht um mineralischen Abfall -, sondern vielmehr die „abfällige“Art, wie der Bruderlandkreis zahlungskräftige Partner zum Weiterbetrieb und Ausbau der Talheimer Deponie sucht.
Die Landkreise Rottweil und Schwarzwald-Baar sollen mit dem Landkreis Tuttlingen gemeinsame Sache machen, um ihren insgesamt 500 000 Einwohnern eine besondere Deponie bieten zu können: Eine Deponie für mineralische Abfälle bis zur Deponieklasse II ist der Plan. Die Landkreise befinden sich dafür in Gründung eines Zweckverbands „Regionale Deponie SchwarzwaldBaar-Heuberg“, der die Gesamtdeponie Talheim, also sowohl die Bestandsdeponie als auch die künftige Deponieerweiterung, übernehmen soll.
Spannend wird es im Kleingedruckten der künftigen Zweckverbandssatzung: Von brüderlichem Teilen nämlich sind die Landkreise darin meilenweit entfernt. Weil der Schwarzwald-Baar-Kreis einwohnermäßig der größte der drei „Partner“wäre, soll auf ihn auch das Gros der Kosten entfallen: In der Satzung ist ein Verteilungsschlüssel festgelegt, der für Umlagen und andere zur
TRAUERANZEIGEN
Verrechnung anstehenden Kosten gelten soll. Maßgeblich ist die Einwohnerzahl wodurch 43,09 Prozent auf den Schwarzwald-Baar-Kreis entfallen, 28,55 Prozent trägt der Landkreis Tuttlingen und 28,36 Prozent der Landkreis Rottweil. Aufwendungen des Landkreises Tuttlingen für die Deponieerweiterung, die vor Gründung des Zweckverbands geleistet worden sind, soll der Landkreis Tuttlingen dem Zweckverband teilweise in Rechnung stellen dürfen – sofern sie nicht mit der Ausgleichszahlung abgegolten werden.
Es ist genau diese harmlos klingende, so genannte „Ausgleichszahlung“, die nun vielfach als „Eintrittsgeld“bezeichnet wird und welche die Emotionen im Kreistag Schwarzwald-Baar
in Wallung versetzte: Der Landkreis Tuttlingen verlangt von den Landkreisen Schwarzwald-Baar und Rottweil insgesamt eine halbe Million Euro dafür, dass er dem Zweckverband ein „planfestgestelltes Deponiegelände zur Verfügung stellt“: 300 000 davon entfallen auf den Schwarzwald-Baar-Kreis, 200 000 auf den Landkreis Rottweil.
Fast schon zur Nebensache geriet dabei, dass die Kreise auch im Zweckverband nicht gerade gleichberechtigt sein sollen: Aufgrund der Belegenheit der Deponie Talheim soll der Landkreis Tuttlingen zwei Stimmen und die anderen Landkreise jeweils nur eine Stimme in der Verbandsversammlung haben.
Mancher Kreisrat tendierte, konfrontiert mit diesen Forderungen, zur Schnappatmung und dazu, den Tuttlingern einen Korb zu geben und den Schwarzwald-Baar-Kreis einfach sein eigenes Ding machen zu lassen, vor lauter Empörung über das unbrüderliche Verhalten des Nachbarlandkreises Tuttlingen, mit dem man über so viele Jahre in diesem Punkt positiv zusammengearbeitet hatte. Doch Landrat Sven Hinterseh und Abfallwirtschaftsamtsleiter Martin Fetscher appellierten an Vernunft und Weitsicht der Kreisräte und erläuterten, warum es so einfach dann doch nicht ist: „Am Ende muss man schauen, was man im Rahmen der Daseinsvorsorge für die Region bieten kann“, so Hinterseh, verhehlte aber nicht: „Natürlich hätte ich mir in dem Prozess auch das eine oder andere anders vorgestellt, klar.“
Unter dem Strich aber, so Hinterseh und Fetscher, sei die Ausgangssituation des Schwarzwald-BaarKreises für einen möglichen Alleingang schlichtweg nicht rosig: Der Landkreis Schwarzwald-Baar verfüge nicht einmal über ein entsprechendes Grundstück – der Nachbarlandkreis Tuttlingen hingegen schon. Und selbst wenn: Der Schwarzwald-Baar-Kreis würde, so die Einschätzung von Martin Fetscher, ohnehin keine Genehmigung für den Betrieb einer solchen Deponie erhalten, wenn der Landkreis Tuttlingen bis dahin seine Deponie in Talheim längst betreibt, dafür wäre das Einzugsgebiet zu klein, so Fetscher.
Eine langfristige Entsorgungsmöglichkeit für mineralische Abfälle aber will man den Bürgern natürlich gerne bieten – für Adolf Baumann (FDP) ist das auch mit Blick auf die Wirtschaft unbedingt notwendig.
Die Tuttlinger also halten die Fäden in der Hand – und die Landkreise Schwarzwald-Baar und Rottweil haben, unter dem Strich, kaum eine andere Wahl, als das stattliche „Eintrittsgeld“in Höhe von 300 000 Euro (beziehungsweise 200 000 Euro im Fall Rottweils) zu bezahlen, um sich damit quasi in die Deponie einzukaufen. Beifall für einen gelungen Coup gab es also nicht. Stattdessen: Villingen-Schwenningens Oberbürgermeister Jürgen Roth geriet geradezu in Rage ob der „Kröte“, die der Schwarzwald-Baar-Kreis hier schlucken solle. „Ich kann meiner Fraktion nur zähneknirschend empfehlen, zuzustimmen“, räumte er dennoch ein. Das Projekt an sich sei schließlich positiv zu bewerten. Ein Angebot zur Teilhabe gemäß dem Prinzip Frissoder-stirb entbehrte für Roth aber des guten Tons und des respektvollen Umgangs, den man eigentlich unter „Brüdern“, wie man sich mit dem Landkreis Tuttlingen eigentlich verbunden fühle, pflegen sollte.
Gab es für das, so Freie-WählerFraktionssprecher Walter Klumpp, „eigentlich alternativlose“Projekt an sich durchaus Anerkennung, weil es Planungssicherheit für Unternehmen aus dem Baugewerbe und langfristige Entsorgungsmöglichkeiten für mineralische Abfälle schafft, so überwog der bittere Nachgeschmack.
Und Christian Kaiser von den Grünen ahnt Böses, weshalb er die vorgeschlagene Lösung nur schwer verdauen kann: Er sah neben den emotionalen auch technische, und sogar rechtliche Abgrenzungsprobleme in dem Konstrukt, wenn die mineralische Deponie auf einer ehemaligen Restmülldeponie betrieben werden soll.
Das Zähneknirschen im Ausschuss für Umwelt und Technik also war laut vernehmbar – trotz des befürworteteten Beschlusses bei vier Enthaltungen, der nun an den Kreistag weitergegeben wurde.