Weite Wege in Tuttlinger Impfzentrum
Vor allem Erzieher und Lehrer aus dem Kreis Konstanz fahren ins KIZ nach Tuttlingen
Fast 50 Prozent des Astrazeneca-Serums geht an Menschen anderer Landkreise.
TUTTLINGEN - Fast 50 Prozent des Astrazeneca-Impfstoffs, den das Kreisimpfzentrum (KIZ) in Tuttlingen seit Montag verimpfen kann, geht an Menschen aus anderen Landkreisen. Allen voran an Lehrer und Erzieher des Kreises Konstanz, erklärt Bernhard Flad vom Leitungsteam des KIZ. Doch auch viele Tuttlinger nehmen für das Impfen weite Wege auf sich.
330 Impfdosen von Astrazeneca, einem Impfstoff, der in Deutschland momentan nur für Menschen unter 65 Jahren zugelassen ist, werden an sechs Tagen pro Woche im KIZ verimpft. Dazu kommen rund 150 Dosen des Biontech-Impfstoffs, der für über 80-Jährige reserviert ist. Ab 8. März steigen die Impfkapazitäten in Tuttlingen dann weiter an. Das liegt daran, dass die Arbeit der mobilen Impfteams weitgehend abgeschlossen ist. Das Serum des Biontech-Impfstoffs steht damit dem KIZ zur Verfügung. Um den erwarteten Ansturm in der Kreissporthalle – dort ist das Impfzentrum untergebracht – zu bewältigen, wird eine sechste Impfstraße in Betrieb genommen werden.
Der Astrazeneca-Impfstoff findet reißenden Absatz. Dabei halte sich die Zahl der Abnehmer aus dem Kreis Tuttlingen und anderen Landkreisen fast die Waage – rund 50:50. Flad: „Von den Fremdkreisen nehmen die Menschen aus dem Kreis Konstanz mit Abstand den höchsten Anteil ein.“Das wird in den sozialen Medien heiß diskutiert. So schreibt ein User in Instagram, dass Singener Pädagogen jetzt nach Tuttlingen geschickt würden, weil es in Singen keinen Impfstoff gebe. „Ich kann immer noch nicht fassen, wie kreuzdämlich sich dieses Land anstellt“, heißt es in einer Antwort darauf.
Politisch sei dieser Impftourismus von Anfang an einkalkuliert worden, erklärt Bernhard Flad. „Wir handeln im KIZ im Auftrag des Landes. Dessen Philosophie ist es, dass es im Grunde egal ist, wo sich die Landesbürger impfen lassen.“
Baden-Württemberg stelle jedem KIZ dieselbe Anzahl an Impfdosen zur Verfügung. Das heißt: Das KIZ im Kreis Eßlingen (529 000 Kreisbewohner) wird gleich behandelt wie das in Singen im Kreis Konstanz (286 000 Kreisbewohner) und Tuttlingen (rund 140 000 Kreisbewohner). Klar sei damit aber auch, dass es deutlich entspannter sei, in Tuttlingen einen
Impftermin zu bekommen als im Nachbarkreis Konstanz.
„Die Menschen sind total gefrustet und hängen nächtelang am Telefon“, beschreibt der Leiter des Impfzentrums den Kampf um einen Termin. Deshalb werde auch eine längere Anfahrt in Kauf genommen, falls es das Angebot gebe. Für Menschen aus Stockach oder Engen mache es ohnehin kaum einen Unterschied, ob sie nach Singen oder Tuttlingen fahren würden. Doch auch die Tuttlinger gehen wegen des Impfens auf die Reise. Singen, Stuttgart, Ulm – viele nehmen den ersten Termin, den sie bekommen können.
Beim Biontech-Impfstoff, der momentan für Menschen ab 80 Jahren reserviert ist, verhält sich das ein wenig anders. Da sei der Anteil an auswärtigen Senioren, die meist mit Hilfe ihrer Angehörigen zur Erstoder Zweitimpfung in die Donaustadt kommen, geringer. Auf 82 Prozent Kreisbewohner und 18 Prozent Auswärtige schätzt Flad die Verteilung ein.
Conny Altmann aus der Nähe von Singen hat sich für ihre Eltern – 84 und 85 Jahre alt – um einen Impftermin bemüht. In Singen habe sie keine Chancen gehabt, aber in Villingen-Schwenningen und Tuttlingen sei was frei gewesen. „Da habe ich Tuttlingen gewählt“, sagt sie. Am 13. März ist der
Ersttermin, Anfang April der zweite. Ihr Mann ist diese Woche mit seiner Mutter unterwegs: in Freiburg zum Impfen. Im Kreis Konstanz ist der Frust beim Thema Impfen besonders groß. So hat sich der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchhardt an das Landes-Sozialministerium gewandt, und um Unterstützung bei der Einrichtung einer Impf-Außenstelle in Konstanz gebeten. Knackpunkt sei dabei die Verkehrsanbindung über die im Ausbau befindliche B33 – der ÖPNV sei zu Coronazeiten keine Alternative.
Wie geht es in Tuttlingen weiter? Momentan plant das Team des KIZ die kommenden drei Wochen durch. Ab 8. März rechnet der Leiter mit 550 Impfungen pro Tag, an sechs Tagen die Woche, täglich 8 bis 16 Uhr. Macht 3300 Dosen. Dieser Impfstoff sei gesichert.
Und dann? „Du musst jeden Tag mit einer Überraschung rechnen“, stellt Flad fest. Sollte das KIZ noch mehr Impfstoff bekommen, würden die Öffnungszeiten auf 8 bis 17 Uhr ausgeweitet. Ein nächster Schritt wäre, den Sonntag als weiteren Impftag einzuplanen und im Zwei-SchichtSystem zu impfen. Flad: „Aber da muss ich mir momentan noch keinen Kopf darüber zerbrechen.“
Das entsprechende Personal sei auf alle Fälle da, sodass sukzessive hochgefahren werden könne. Darum kümmere sich das Personalamt des Landratsamts.