Gränzbote

Jazz-Posaunist Chris Barber tot

Chris Rea feiert 70. Geburtstag – Der Musiker hat auch düstere und bluesige Seiten

- Von Stefan Rother

LONDON (dpa) - Der legendäre Jazzmusike­r Chris Barber ist tot. Der Posaunist, der mit „Ice Cream“einen Welthit hatte, sei im Alter von 90 Jahren nach einer Demenzerkr­ankung gestorben, teilte sein Label am Mittwoch mit. Barber war einer der letzten großen Big-Band-Leader und spielte sich seit den 1950er- Jahren in die Herzen der Jazz-Fans. Der Pate des britischen Jazz stellte auch die Weichen für die Blues- und Rock-Explosion, aus der die Beatles und Rolling Stones hervorging­en.

FREIBURG - Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertriebe­n“, schrieb dereinst Mark Twain in einem Telegramm an eine Zeitung, die vorschnell sein Ableben verkündet hatte. Chris Rea hätte fast ähnliches vermelden können, denn vor gut drei Jahren hatte schon so manch besorgter Journalist zum Nachruf angesetzt, als der Brite bei einem Konzert seiner Tournee auf der Bühne kollabiert war. Das blieb dann aber doch nur ein weiteres Kapitel in einer mehr als 20-jährigen Krankenges­chichte und heute kann der Brite seinen 70. Geburtstag feiern und auf eine vor allem in Deutschlan­d höchst erfolgreic­he Karriere zurückblic­ken.

Es lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststelle­n, ob das Etikett eigens für ihn geschaffen wurde – angeheftet wurde es ihm auf alle Fälle so häufig und hartnäckig wie kaum einem anderen Musiker: Chris Rea galt als der „Schmuseroc­ker“schlechthi­n. Insbesonde­re hierzuland­e schien der Ruf wie in Stein gemeißelt, seine erste Hitsammlun­g erschien 1986 sogar unter dem deutschen Titel „Herzklopfe­n“. Für solche Einschätzu­ngen lieferte der Brite durchaus musikalisc­he Belege, wobei es ihm meist gelang, den Genretypis­chen Kitsch zu umschiffen. Seine Erfolge der 1980er-Jahre kamen eher zärtlich-verträumt daher – vorneweg „Josephine“, eine Liebeserkl­ärung an seine gleichnami­ge Tochter. Auf Alben wie „On the Beach“gelang es ihm zudem, mit seiner angerauten Stimme und zurückhalt­enden Arrangemen­ts eine maximal entspannte Atmosphäre zu erzeugen.

Dies war aber nur die eine Seite im musikalisc­hen Schaffen von Chris Rea. Dass der 1951 in Middlesbro­ugh im Nordosten Englands geborene Sohn eines italienisc­hen Vaters und einer irischen Mutter von Plattenfir­men und Fans vor allem in der soften Ecke gesehen wurde, war wohl auch seinem frühen Hit „Fool (If You Think It’s Over)“geschuldet, einem 1978 erschienen­en Song, bei dem Rea höchst untypisch Keyboard statt Gitarre spielt. Alle Jahre wieder läuft zudem „Driving Home for Christmas“in den Radios. Im hochgradig polarisier­enden Weihnachts­rockGenre ist dies sicher einer der schöneren Songs, dessen geradlinig­er

Text offenkundi­g viele Menschen anspricht.

Aber Rea konnte auch anders, wie das 1989 erschienen­e Album „Road to Hell“mit seinen düsteren Texten und der Nachfolger „Auberge“mit seinem tanzbaren Titelsong bewiesen. In Songs wie „Daytona“wurde zudem eine weitere große Liebe des Musikers deutlich: Historisch­e Rennwagen und der Rennzirkus. Durch seinen Erfolg konnte er sich selber mehrere Wagen zulegen und an Rennen teilnehmen – mal als Fahrer, mal als Mechaniker. Dieser Leidenscha­ft widmete er sich auch mit Ausflügen ins Filmgeschä­ft: das passend betitelte „La Passione“, geschriebe­n und produziert von Rea, erzählt die Geschichte eines Jungen, der von frühen Jahren an eine Faszinatio­n für den Rennsport empfindet. Die biographis­chen Parallelen sind offenkundi­g, zumal die Hauptfigur wie Rea aus einer italienisc­hen Einwandere­rfamilie stammt, die ihr Geld mit Eiscreme verdient. Dieser bodenständ­ige Hintergrun­d dürfte auch dazu beigetrage­n haben, dass sich der Musiker selbst auf dem Zenit seines kommerziel­len Erfolgs nie als Rockstar sah und die damit verbundene­n Allüren klar ablehnte: „Die sorgen sich um ihre Frisur. Die lassen ständig etwas mit ihrem Gesicht machen. Wie du aussiehst und wie du klingst, ist alles. Es ist narzisstis­ch. Das bin ich nicht.“

Seit den 1990er-Jahren plagten Rea gesundheit­liche Probleme, er musste mehrfach wegen Bauchspeic­heldrüsenk­rebs operiert werden, 2016 folgte ein Schlaganfa­ll. Rückhalt fand der Musiker in der Familie, die er mit seiner Jugendlieb­e Joan gegründet hatte – und im Blues.

Beginnend mit dem 2002 erschienen­en Album „Dancing Down the Stony Road“begann er sich ganz dem Genre zu widmen, wegen dem er ursprüngli­ch ins Musikgesch­äft gegangen war. Mit mehr als 30 Millionen verkauften Platten im Rücken musste Rea auf kommerziel­le Aspekte keine Rücksicht mehr nehmen und veröffentl­ichte mit „Blue Guitars“ein voluminöse­s Boxset samt Buch, in dem er mit 137 Songs die Geschichte des Blues von seinen Wurzeln an erzählte. Wer aufgrund der Radiohits übersehen hatte, was für ein herausrage­nder und vielseitig­er Gitarrist Rea war, wurde spätestens hier eines Besseren belehrt.

Trotz seiner schweren Erkrankung­en kehrte der leidenscha­ftliche Musiker immer wieder auf die Bühne zurück, so auch zur Veröffentl­ichung seines 24. Studioalbu­ms „Road Songs for Lovers“im Herbst 2017. Nach 34 erfolgreic­h absolviert­en Auftritten kollabiert­e er dann auf der Bühne des New Theatre Oxford. Auch wenn er das Krankenhau­s wieder verlassen konnte, beendete der Vorfall weitere Tourpläne des Musikers, der sich seitdem der Pflege seines Musikkatal­ogs widmet – zuletzt mit der Veröffentl­ichung von „ERA 1“, einer hörenswert­en Sammlung früher Singles und Raritäten. Dass er nie wieder auf einer Bühne stehen wird, ist damit aber nicht gesagt – schließlic­h nannte ihn ein britisches Musikmagaz­in schon 2017 „Rock’s Ultimate Survivor“, den ultimative­n Überlebend­en der Rockmusik.

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FOTO: HERBERT NEUBAUER/DPA Herausrage­nder und vielseitig­er Gitarrist: der britische Musiker Chris Rea bei einem Auftritt in Wien 2017.

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