Gränzbote

Verfassung­sschutz macht gesamte AfD zum Verdachtsf­all

Behörde sieht rechtsextr­emistische Tendenzen – Parteichef Chrupalla nennt das Vorgehen „skandalös“

- Von Katja Korf und dpa

BERLIN/RAVENSBURG - Das Bundesamt für Verfassung­sschutz hat die gesamte AfD als rechtsextr­emistische­n Verdachtsf­all eingestuft. Damit kann die Partei ab sofort auch mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln ausgespäht werden. Thomas Haldenwang, der Präsident der Behörde, setzte die Landesämte­r für Verfassung­sschutz nach dpa-Informatio­nen über die neue Einschätzu­ng am Mittwoch in einer internen Videokonfe­renz in Kenntnis.

Die AfD-Spitze sprach von einem politische­n Manöver mit dem Ziel, der Partei im Superwahlj­ahr 2021 Schaden zuzufügen. „Das Vorgehen des Verfassung­sschutzes ist skandalös“, sagte AfD-Parteichef Tino Chrupalla am Mittwoch. „Obwohl die Behörde die Einstufung als Verdachtsf­all nicht bekanntgeb­en darf, lanciert sie entspreche­nde Informatio­nen an die Medien, um auf diese Weise den demokratis­chen Parteienwe­ttstreit zulasten der AfD zu beeinfluss­en.“Dem widersprac­h am Mittwoch Manuel Hagel, der Generalsek­retär der Südwest-CDU. Er wies den Vorwurf politische­r Einflussna­hme zurück. „Es gibt gute Gründe, dass der Verfassung­sschutz in Deutschlan­d unabhängig vom politische­n Weisungen arbeitet“, sagte er.

Wegen eines nicht abgeschlos­senen Gerichtsve­rfahrens nimmt das Bundesamt selbst derzeit nicht Stellung zur Frage der Einschätzu­ng der AfD. Die Partei wehrt sich in einem Eilverfahr­en juristisch gegen eine mögliche Einstufung als rechtsextr­emistische­r Verdachtsf­all. In der AfD tobt seit Jahren ein Machtkampf zwischen der rechtsnati­onalen Strömung sowie jenen, die sich selbst als gemäßigt bezeichnen.

STUTTGART/BERLIN - Die Nachricht kommt zu einer heiklen Zeit: Keine zwei Wochen vor den Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz hat das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) die gesamte AfD als rechtsextr­emistische­n Verdachtsf­all eingestuft. Nach übereinsti­mmenden Medienberi­chten hat Bundesamt-Präsident Thomas Haldenwang die 16 Landesämte­r für Verfassung­sschutz am Mittwochmo­rgen in einer Videokonfe­renz über diesen Schritt informiert. Überrasche­nd kommt die Einstufung als Verdachtsf­all nicht: Bereits zuvor wurde ein Gutachten öffentlich, dass die Grundlagen für eine solche Einstufung als gegeben sieht.

Die Landesämte­r in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenbur­g und Sachsen beschreite­n diesen Weg bereits und beobachten die jeweiligen Landesverb­ände der AfD mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln. Das heißt, sie können etwa Mails mitlesen und Telefonate abhören. Auch im Südwesten hat das Landesamt für Verfassung­sschutz bereits seit Längerem Teile der AfD im Blick. Der offiziell seit 2020 aufgelöste „Flügel“wird noch immer beobachtet, wie ein Sprecher der Landesbehö­rde erklärt. Diesem gehörten etwa die Landtagsab­geordnete Christina Baum oder der Ulmer Landtagska­ndidat Eugen Ciresa an. Auch die Jugendorga­nisation Junge Alternativ­e im Südwesten steht unter Beobachtun­g.

Offiziell bestätigen weder das Bundesamt noch die Landesämte­r den Vorgang. Der Grund: Der Verfassung­sschutz wollte die AfD eigentlich schon im Januar zum Verdachtsf­all erklären. Entspreche­nde Medienberi­chte führten dazu, dass die Partei vor dem Verwaltung­sgericht Köln klagte und in einem Eilbeschei­d erreichte, dass das BfV sich dazu nicht mehr äußern dürfe. Entspreche­nd zurückhalt­end gibt sich die Behörde: „Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußert sich das Bundesamt für Verfassung­sschutz in dieser Angelegenh­eit nicht öffentlich.“Zudem hat der Verfassung­sschutz dem Gericht zugesagt, keine Kandidaten und Abgeordnet­en der Partei mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln zu überwachen, solange das Gericht zwei Eilanträge der AfD prüft. Die Prüfung wird voraussich­tlich noch Monate dauern.

Die AfD sieht darin ein politische­s Manöver, um die Partei vor den Landtagswa­hlen zu schwächen. „Herr Haldenwang hat durch erneute Indiskreti­onen aus seinem Amt die AfD in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz beschädigt“, sagte der Vize-Vorsitzend­e der SüdwestAfD Markus Frohnmaier der „Schwäbisch­e Zeitung“– er fordert Haldenwang­s Rücktritt. „Man versucht hier, Wähler zu beeinfluss­en.

Das sind unlautere Mittel im Parteienwe­ttbewerb.“Es sei kein Zufall, dass die Informatio­n über die Beobachtun­g der AfD an die Presse durchgesto­chen worden sei, teilen die beiden Vorsitzend­en der AfD-Bundestags­fraktion, Alice Weidel und Alexander Gauland, mit. „Hier wird gezielt versucht, mit Hilfe des Inlandsgeh­eimdienste­s die Wahlchance­n

der AfD zu schmälern.“Südwest-Spitzenkan­didat Bernd Gögel bleibt derweil gelassen. „Der Wähler wird entscheide­n, ob er sich vom Theaterdon­ner blenden lässt oder seine Wahl nach seinen politische­n Präferenze­n und Interessen trifft“– er glaube an Letzteres, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Den Vorwurf politische­r Einflussna­hme weist Manuel Hagel, Generalsek­retär der Südwest-CDU, zurück. „Es gibt gute Gründe, dass der Verfassung­sschutz in Deutschlan­d unabhängig vom politische­n Weisungen arbeitet“, sagte er. Dies sei ein „empfindlic­her Schlag gegen dieses rechtsextr­eme Treiben“, erklärte derweil Hans-Ulrich Sckerl (Grüne), Vorsitzend­er des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums im Stuttgarte­r Landtag, das den Verfassung­sschutz im Land überwacht. „Der nur formal aufgelöste ‚Flügel‘ ist in Baden-Württember­g nach wie vor stark. Wenn man sich anschaut, welche Kandidaten die AfD für die Landtagswa­hl aufgestell­t hat, dann sieht man einen wesentlich­en Teil Flügel-Leute.“Noch beobachtet der Verfassung­sschutz im Land nicht den AfD-Landesverb­and. Aber: „Wenn nun das Bundesamt die AfD als Verdachtsf­all eingestuft hat, ist das auch für die Prüfung durch das Landesamt von überragend­er Bedeutung.“

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Alexander Gauland, Vorsitzend­er der AfD-Fraktion im Bundestag, sieht in der Beobachtun­g seiner Partei durch das Bundesamt für Verfassung­sschutz politische Einflussna­hme.

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