Gränzbote

Lobbyregis­ter beschlosse­n

SPD und Union einigen sich auf neue Vorgaben

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Nach langem Streit haben sich SPD und Union doch noch auf die Einführung eines Lobbyregis­ters verständig­t. Künftig müssen sich Verbände oder profession­elle Interessen­vertreter registrier­en lassen. Erfasst werden dann deren Einflussna­hme auf Bundestags­abgeordnet­e oder höhere Ministeria­lbeamte bis hin zu den Ministern selbst.

Bisher ist nicht einmal bekannt, wie viele Lobbyisten sich in Berlin für ihre Auftraggeb­er einsetzen. Organisati­onen wie Lobbycontr­ol gehen von bis zu 5000 profession­ellen Sachwalter­n aus. Dabei handelt es sich um einen bunten Strauß an Organisati­onen, Verbänden, PR-Agenturen oder Anwaltskan­zleien. Im Vergleich zur EU-Kommission in Brüssel ist die Zahl gering: Im dortigen Lobbyregis­ter sind rund 30 000 Interessen­vertreter eingetrage­n.

In die künftige deutsche Datenbank müssen sie ihre Ziele, die Zahl ihrer Beschäftig­ten und den finanziell­en Aufwand eintragen. Auch Gespräche mit Abgeordnet­en oder Mitarbeite­rn der Ministerie­n müssen angegeben werden. In Ministerie­n gilt dies von den Unterabtei­lungsleite­rn aufwärts bis zur Spitze des Hauses. Bei Verstößen gegen die Offenlegun­gspflicht wird ein Bußgeld von bis zu 50 000 Euro verhängt. Der Bundestag kann das Gesetz noch vor der Bundestags­wahl beschließe­n. Am 1. Dezember könnte es in Kraft treten.

Bis zuletzt gab es zwischen den Parteien Streit. Die Union wollte zunächst nur den Bundestag einbeziehe­n, die SPD auch die Ministerie­n. Dort werden auch die meisten Gesetzentw­ürfe verfasst. Darauf ließ sich die Union schließlic­h ein. Umgekehrt gab die SPD bei dem Wunsch nach einem sogenannte­n exekutiven Fußabdruck klein bei. Dabei müsste in Gesetzentw­ürfen auch angegeben werden, wer Einfluss auf die Formulieru­ngen genommen hat. Strittig war auch ein Passus, der kirchliche Einrichtun­gen, Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erverbände oder Kommunalve­rbände von der Regelung ausnimmt. Das bleibt wohl auch so.

Lobbycontr­ol begrüßt die Einigung, auch wenn sie der Organisati­on nicht weit genug geht. „Mit dem Lobbyregis­ter ist ein wichtiger Schritt hin zu Transparen­z im Lobbyismus gemacht“, sagt Sprecher Timo Lange, „auch wenn es sich um einen Kompromiss handelt.“Lobbycontr­ol werde sich weiter für den exekutiven Fußabdruck einsetzen.

Lobbyismus ist ein festes und durchaus sinnvolles Element der Arbeit von Regierung und Parlament. Schließlic­h soll der Gesetzgebe­r möglichst viele Einzelinte­ressen bei seiner Arbeit berücksich­tigen. Doch der Lobbyismus ist vielfach in Verruf geraten. Einige besondere Fälle sorgten in den letzten beiden Jahren für viel Ärger. Im Sommer 2020 flog die „Nebentätig­keit“des CDU-Abgeordnet­en Philipp Amthor auf, der sich bei der Bundesregi­erung für ein USUnterneh­men einsetzte. Brandaktue­ll ist ein Skandal um den CSU-Abgeordnet­en Georg Nüßlein, der sich am Handel mit Schutzmask­en für Behörden bereichert haben soll.

Doch diese Fälle hätte auch kein Lobbyregis­ter verhindert. Denn wenn Politiker bei anderen Politikern Interessen vertreten, fällt dies nicht unter die Registrier­ungspflich­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany