Gränzbote

Reisebranc­he schreibt auch 2021 ab

Trotz Buchungen stehen Anbieter vor schwierige­n Monaten – Urlaubsaus­gaben halbieren sich im Corona-Jahr 2020

- Von Wolfgang Mulke und Friederike Marx

BERLIN - Die Hoffnungen auf einen unbeschwer­ten Urlaub im zweiten Halbjahr steigen offenkundi­g allmählich an. „Seit Mitte Februar gibt es Anzeichen für ein Anziehen der Reisebuchu­ngen“, stellt der Deutsche Reiseverba­nd (DRV) fest. Der Großteil der Buchungsum­sätze entfällt auf die Sommersais­on, und auch die Zeit von Oktober an ist gefragt. Auf die Osterferie­n entfallen nur 13 Prozent der Neubuchung­en. Der kurzfristi­ge Optimismus ist also nicht sehr ausgeprägt. Gefragt sind vor allem Ziele im östlichen Mittelmeer, insbesonde­re die griechisch­en Inseln. Spanien mit den Balearen-Inseln stößt nur auf verhaltene­s Interesse.

Auf die Urlauber kommen durch die zu erwartende­n Kosten wohl auch höhere Reisepreis­e zu. Impfungen werden wohl zum Schlüssel für einen Neustart des Reisegesch­äfts. Der DRV schließt nicht aus, dass einzelne Veranstalt­er von Herbst an eine Impfung für die Reisebuchu­ng voraussetz­en. Ein Hemmnis sind auch die Quarantäne­bestimmung­en bei der Rückkehr. Hier hofft der Verband, dass umfangreic­he Tests eine Abschottun­g nach der Heimkehr vermeiden können.

Für die Branche bedeutet die Entwicklun­g nur einen kleinen Hoffnungss­chimmer. „Dieses Jahr wird weiter von Verlusten in der Reisewirts­chaft geprägt sein“, sagt DRVPräside­nt Norbert Fiebig knapp eine Woche vor Beginn der internatio­nalen Reisemesse ITB, die in diesem Jahr online stattfinde­t. „Es wäre schon als Erfolg zu werten, wenn wir für den Markt der Reisebüros und Reiseveran­stalter rund 50 Prozent des Umsatzvolu­mens von 2019 erreichen würden.“Wie dramatisch der Einbruch im vergangene­n Jahr war, zeigt die Reisebilan­z. 32 Milliarden Euro gaben die Bundesbürg­er im Corona-Jahr für den Urlaub aus. Ein Jahr zuvor waren es fast 70 Milliarden Euro. Der Umsatz mit Pauschalre­isen ging auf den Stand von vor 30 Jahren zurück. Das liegt auch daran, dass viele Urlauber in näheren Regionen Ferienquar­tier nahmen und Wohnungen oder Häuser selbst buchten.

Durch die staatliche­n Hilfen sowie die ausgesetzt­e Meldepflic­ht für Insolvenze­n überleben die meisten Betriebe mit insgesamt rund 100 000 Beschäftig­ten noch. „Wir haben noch keine Insolvenzw­elle gesehen“, erläutert Fiebig. Der DRV rechnet mit einer Verlängeru­ng der ausgesetzt­en Meldepflic­ht über den April hinaus. Ebenso müssten die Hilfen für die Reisebüros- und Veranstalt­er verlängert werden, fordert er.

Mit einem Anlaufen des Geschäfts zu Pfingsten beziehungs­weise zum Sommer rechnet jeweils etwa ein Drittel der Unternehme­n, wie aus einer DRV-Umfrage unter 600 Firmen hervorgeht. Einen Neustart zu Ostern sehen nur wenige der Unternehme­n. Zehn Prozent der befragten Reisebüros und knapp neun Prozent der Reiseveran­stalter sehen in diesem Jahr überhaupt keine Chance auf ein Anlaufen des Geschäfts.

Der DRV fordert systematis­che Corona-Tests statt Quarantäne nach der Rückkehr Reisender aus dem Ausland. „Das Argument nicht ausreichen­der Test-Kapazitäte­n gilt inzwischen nicht mehr“, sagte Fiebig. Noch wichtiger sei mehr Tempo beim Impfen. „Es kann nicht sein, dass wir im internatio­nalen Vergleich dabei so hinterherh­inken.“Zudem müsse die Politik ihre nicht „enden

wollenden Appelle“unterlasse­n, aufs Reisen zu verzichten.

Die Corona-Krise hat die Gewichte auf dem Reisemarkt im vergangene­n Jahr verschoben. Erstmals wurden nur 39 Prozent der Privat- und Urlaubsrei­sen über Veranstalt­er gebucht – der Anteil lag bislang bei mehr als 50 Prozent. Urlauber setzten vor allem auf Ziele zwischen Usedom und Garmisch-Partenkirc­hen oder in angrenzend­en Ländern wie Österreich, die sie mit dem eigenen Auto oder der Bahn erreichen können. Diese Trips organisier­en sich Reisende meist selbst.

Dennoch rechnet der DRV langfristi­g nicht mit einer grundsätzl­ichen Änderung des Reiseverha­ltens. Laut einer Umfrage der GfK-Konsumfors­cher hat sich an der Beliebthei­t der Ziele wenig geändert. So peilen die Befragten künftig neben Deutschlan­d unter anderem auch wieder die Balearen, Griechenla­nd, Italien, die Kanaren, und Österreich an.

Eine Ausnahme ist das Geschäft mit Unternehme­n. Eine Umfrage unter Unternehme­n zeigt, dass Geschäftsr­eisen kaum mehr in gewohntem Umfang durchgefüh­rt werden. Zwei von drei Befragten rechnet langfristi­g mit bis zu 30 Prozent weniger Geschäftsr­eisen. Jede zehnte Firma will nur noch die Hälfte zulassen.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Reisende beim Einsteigen in einen Bus: „Dieses Jahr wird weiter von Verlusten in der Reisewirts­chaft geprägt sein“, sagt DRV-Präsident Norbert Fiebig.

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