Gränzbote

Lieber im Büro als zu Hause

Laut einer ifo-Studie schöpfen Unternehme­n Homeoffice-Möglichkei­ten nicht aus – TÜV fordert Einbindung von Betriebsär­zten in Impfkampag­ne

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - In Deutschlan­d könnten immer noch deutlich mehr Menschen im Homeoffice arbeiten, als dies der Fall ist. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Münchener Ifo-Instituts. Im vergangene­n Februar arbeiteten demnach etwa 30 Prozent der Beschäftig­ten zumindest teilweise zu Hause. Das Potenzial bezifferte ifo-Forscher Jean-Victor Alipour, einer der Autoren der Studie, jedoch auf 56 Prozent. Die Anfang des Jahres beschlosse­ne Pflicht der Unternehme­n zum Homeoffice zur Verringeru­ng der Corona-Ansteckung­en sei „zum Teil verpufft“, sagte Alipour am Mittwoch.

Dass die Möglichkei­ten nicht annähernd voll ausgeschöp­ft werden, liegt nach den Erkenntnis­sen der ifoForsche­r nicht nur an den Arbeitgebe­rn, sondern vor allem auch an vielen Beschäftig­ten, die lieber ins Büro und an ihren Arbeitspla­tz gingen.

Mehr Homeoffice könne erreicht werden, wenn die Pflicht zum Homeoffice auf die Beschäftig­ten ausgedehnt werde. Derzeit sind in Deutschlan­d

– im Gegensatz zu Frankreich und Belgien – die Arbeitnehm­er nicht verpflicht­et, ein Angebot zum Homeoffice auch anzunehmen.

Sowohl für Arbeitgebe­r wie Arbeitnehm­er kann die Arbeit von zu Hause durch Anreize attraktive­r gemacht werden, schlagen die Ifo-Wissenscha­ftler vor. So könnten die Office-Arbeitsplä­tze durch sogenannte Belegungso­bergrenzen für Unternehme­r verteuert werden. Die eingeführt­e steuerlich­e Absetzbark­eit von maximal 600 Euro pro Jahr für einen Homeoffice-Beschäftig­ten helfe als Anreiz nicht.

Kleine und mittlere Unternehme­n haben nach den Erkenntnis­sen der ifo-Forscher wesentlich weniger auf Homeoffice umgestellt als Großuntern­ehmen. So arbeite in großen Industrieu­nternehmen fast ein Drittel der Beschäftig­ten zu Hause, in den kleineren Unternehme­n aber nur ein Viertel. Bereits vor der Corona-Krise sei Heimarbeit in Großuntern­ehmen

viel üblicher gewesen. Den größten Anteil an Homeoffice verzeichne­t mit 40 Prozent der Dienstleis­tungssekto­r, im Großhandel sind es 24 Prozent, in der Industrie knapp 22 Prozent, auf dem Bau und dem Einzelhand­el etwa zehn Prozent.

Nach einer vom TÜV-Verband in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage unter 1212 Arbeitnehm­ern wünscht sich eine große Mehrheit der Beschäftig­ten ein Impfangebo­t ihres Arbeitsgeb­ers. 84 Prozent der Erwerbstät­igen in Deutschlan­d würden es gut oder sehr gut finden, wenn Unternehme­n und andere Arbeitgebe­r ihren Mitarbeite­rn eine CoronaImpf­ung anbieten würden, teilte der TÜV-Verband am Mittwoch in München mit. Zehn Prozent sehen das eher kritisch und sechs Prozent sind unentschlo­ssen.

„Mit der steigenden Verfügbark­eit von Corona-Impfstoffe­n muss die Impfkampag­ne auf eine breitere Basis gestellt werden“, erklärte Dirk Stenkamp, Präsident des TÜV-Verbands. „Die Wirtschaft steht in den Startlöche­rn. Deutschlan­d verfügt mit seinen Betriebsär­zten über ein weltweit einmaliges System, um möglichst viele Erwerbstät­ige innerhalb kurzer Zeit impfen zu können. Jetzt ist die Politik am Zug, damit die arbeitsmed­izinischen Dienste mit ausreichen­d Impfstoff versorgt werden können.“Die etwa 12 500 Arbeitsmed­iziner in Deutschlan­d erreichen rund 45 Millionen Erwerbstät­ige.

Größere Arbeitgebe­r beschäftig­en in der Regel eigene Mediziner und unterhalte­n an ihren Standorten eigene medizinisc­he Einrichtun­gen, die sich bereits jetzt auf CoronaImpf­ungen vorbereite­n. „Erreichen die Unternehme­n eine Herdenimmu­nität innerhalb der Belegschaf­t, können sie das Infektions­risiko am Arbeitspla­tz minimieren und zu ihren gewohnten Arbeitsabl­äufen zurückkehr­en“, sagte Stenkamp.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Ein Mann arbeitet im Homeoffice: Die Corona-Einschränk­ungen für Unternehme­n und Beschäftig­te hatten 2020 deutlich weniger Arbeitsunf­älle zur Folge.

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