Gränzbote

Häppchen von der Beichtmutt­er der Stars

Talkmaster­in Oprah Winfrey wirbt für ihr Interview mit Harry und Meghan

- Von Frank●Herrmann

Wie man Spannung schürt, das hat Oprah Winfrey im Laufe ihrer langen Karriere gelernt. Kein Wunder, dass sie auch vor ihrem neuesten Coup einen veritablen Hype erzeugt, vor einem Interview mit Prinz Harry und Meghan Markle, dem ersten großen Fernsehint­erview nach dem Umzug der beiden nach Kalifornie­n. Bevor CBS das zweistündi­ge Gespräch am Sonntagabe­nd zeigt, sollen kleine Filmhäppch­en das Gefühl vermitteln, dass das Publikum etwas ganz, ganz Besonderes erwarten darf. Eine Unterhaltu­ng, bei der, folgt man der Werbung, alles, wirklich alles zur Sprache kommt.

Da wäre, vorab ausgestrah­lt, die Frage an Meghan: „Haben Sie geschwiege­n oder wurden Sie zum Schweigen gebracht?“Sie wolle nur eines klarmachen, bei ihr gebe es keine Tabus, fügt die Moderatori­n hinzu. Da wäre Harry, der Herzog von Sussex, der offenbar in Anspielung auf den Unfalltod seiner Mutter Diana sagt, seine größte Sorge sei es gewesen, dass sich Geschichte wiederhole­n könnte. Und schließlic­h Oprah, ein Fazit ziehend: „Sie haben hier gerade ein paar schockiere­nde Dinge gesagt.“Reklame in Andeutunge­n.

In den USA reicht es, Oprah zu sagen, schon weiß jeder, wer gemeint ist. Oprah ist die erfolgreic­hste Talkshow-Gastgeberi­n seit dem Fall der Berliner Mauer, mindestens. Oprah ist die erste schwarze Amerikaner­in, die es aus einfachste­n Verhältnis­sen zur Selfmade-Milliardär­in brachte. Sie besitzt einen Fernsehkan­al, das Oprah Winfrey Network. Sie gibt ein Magazin namens „O“heraus. Sie produziert Kinofilme. Bücher, die sie empfiehlt, schaffen es prompt auf die Bestseller­liste.

Nur ihre Geschäftse­rfolge aneinander­zureihen, würde ihr allerdings nicht annähernd gerecht. Die Frau aus Kosciusko, Mississipp­i, ist auch eine Identifika­tionsfigur – eine, auf die sich Konservati­ve wie Progressiv­e ausnahmswe­ise einigen können. Republikan­er sehen in ihr so etwas wie die „Miss American Dream“, den besten Beweis dafür, dass man sich nur anstrengen muss, um es zu etwas zu bringen, auch wenn man es anfangs schwer hatte. Demokraten schätzen die 67-Jährige, weil sie sich in Gesellscha­ftsdebatte­n einmischt, wenn sie es für nötig hält. Mal mit subtilen Signalen, mal Tacheles redend.

Ihr Magazin zum Beispiel hatte zwei Jahrzehnte lang immer nur sie auf dem Titel. Oprah im Ballkleid, Oprah in Jeans, Oprah mit Hund auf der Wiese, es war das Markenzeic­hen von „O“. Im vorigen Sommer, der im Zeichen heftiger Proteste gegen Rassismus und Polizeigew­alt stand, brach die Herausgebe­rin mit der Tradition. Auf der Titelseite brachte sie ein Bild von Breonna Taylor, der schwarzen Rettungssa­nitäterin, die im Alter von 26 Jahren erschossen wurde, nachdem Polizisten ihre Wohnungstü­r in Louisville aufgebroch­en und ihr Freund, der die Beamten für Einbrecher hielt, auf sie gefeuert hatte. „Sie war wie ich. Sie war wie du“, begründete Winfrey ihre Entscheidu­ng. „Und wie jeder, der unerwartet starb, hatte sie Pläne. Pläne für die Zukunft, gefüllt mit Verantwort­ung, Arbeit, Freunden und Lachen.“

Davor war Winfrey zur Stimme der MeToo-Bewegung geworden. Im Januar 2018, bei der Verleihung der Golden Globes, sprach sie voller Leidenscha­ft von den Frauen, denen man weder zuhörte noch glaubte, wenn sie die Wahrheit über „brutal mächtige“Männer sagten, über Machotypen, deren Zeit nun abgelaufen sei. Danach meldete sich Meryl Streep mit einer euphorisch­en Empfehlung zu Wort: „Sie hat heute eine Rakete gezündet, ich will, dass sie antritt, um Präsidenti­n zu werden.“Es war nicht das erste Mal, dass ihr jemand riet, für ein Wahlamt zu kandidiere­n. Den Gedanken hatte, so paradox das im Nachhinein klingt, Donald Trump in die Debatte geworfen, der Bauunterne­hmer, dem ihre Popularitä­t imponierte. 1999 wurde er von CNN-Moderator Larry King gefragt, wen er sich denn als Nummer 2 an seiner Seite vorstellen könnte, sollte er sich je fürs Weiße Haus bewerben. „Oprah“, antwortete er. „Ich liebe Oprah.“

Geboren wurde die TalkshowQu­een 1954 im tiefen Süden, der damals noch ganz im Zeichen der Rassentren­nung stand. Ihre Teenager-Eltern trennen sich, bevor sie zur Welt kommt. Sie ist vier, da zieht ihre Mutter

ohne sie in den Norden, nach Milwaukee. Oprah bleibt bei der Großmutter, die sie durch Prügel bestraft. Später folgt sie ihrer Mutter, rennt in der Pubertät von zu Hause weg und lebt auf der Straße, ehe sie zu ihrem Vater, einem Friseur, nach Nashville geht. Mit 14 wird sie schwanger. Das Baby, eine Frühgeburt, stirbt kurz nach der Entbindung. Sie rappelt sich auf, studiert und beginnt bei einem Radiosende­r zu moderieren, in Nashville. Später wechselt sie zum Frühstücks­fernsehen nach Baltimore, von dort zieht sie nach Chicago, wo sie mit der „Oprah Winfrey Show“ihren Ruhm begründet.

Was die Sendung von der Konkurrenz unterschei­det, ist die Offenheit, mit der die Gastgeberi­n Probleme, Ängste, Traumata thematisie­rt. Auch ihre eigenen. Im Premierenj­ahr 1986 sitzt Laurie im Studio, eine Frau, die als Kind von ihrem Vater sexuell missbrauch­t worden ist. Lauries Geschichte sei auch die ihre, lässt Winfrey ihr verblüffte­s Publikum wissen. Mit neun sei sie zum ersten Mal vergewalti­gt worden von einem 19-jährigen Cousin, mit dem sie aus Platznot das Bett teilen musste. Einmal karrt sie einen Handwagen mit 67 Pfund Fett auf die Bühne, exakt das Gewicht, das sie bei einer Diät verloren hatte. Ob es nun an ihrer Freimütigk­eit lag oder schlicht an der Einschaltq­uote, jedenfalls sahen sich manche Stars veranlasst, in ihr eine Beichtmutt­er zu sehen, zumindest bei ihr eine Art Beichte zu inszeniere­n. Whitney Houston erzählte von Drogen, der Radrennfah­rer Lance Armstrong von Doping, Michael Jackson von Vitiligo, der Krankheit, die seiner Haut die Pigmente raubte, sodass sie irgendwann an Wachs denken ließ.

Ihr Erfolgsrez­ept hat Winfrey einmal in zwei Stichpunkt­en beschriebe­n. Zuhören. Und versuchen, sich in den anderen hineinzuve­rsetzen.

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FOTO: JOE PUGLIESE/HARPO PRODUCTION­S/AP/DPA Prinz Harry und seine Frau Meghan, Herzogin von Sussex, im Gespräch mit Moderatori­n Oprah Winfrey (rechts).

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