Papst fordert Ende der Gewalt im Irak
Franziskus mahnt gleichberechtigte Beteiligung an – Dialog der Religionen
BAGDAD (AFP) - Papst Franziskus hat bei seinem historischen Irak-Besuch dazu aufgerufen, der Gewalt und dem Extremismus im Land ein Ende zu setzen. „Die Waffen sollen schweigen“, sagte das Oberhaupt der Katholiken am Freitag im Präsidentenpalast in Bagdad. Er sei dankbar, dass diese „lang erwartete“Reise in die „Wiege der Zivilisation“möglich sei, sagte der Papst, der gegen Mittag im Irak gelandet war. Es ist der erste Papst-Besuch im Irak und Franziskus’ erste Auslandsreise seit Beginn der Corona-Pandemie.
BAGDAD (KNA) - Mit einem Aufruf zu nationaler Einheit und Reformen hat Papst Franziskus seine Reise in den Irak eröffnet. In seiner Auftaktrede im Präsidentenpalast von Bagdad stellte er sich hinter den Unmut der Bevölkerung über Machtmissbrauch, Spaltungen, Einmischung von außen und fehlende Zukunftsperspektiven für die junge Generation. Zugleich warb er für eine plurale Gesellschaft – auch mit gleichberechtigter Beteiligung der Christen, die nach Jahren der Abwanderung zu einer kleinen Gruppe geschrumpft sind. An sie wandte er sich bei einem eigenen Treffen in der syrisch-katholischen Kathedrale, Ort eines blutigen Anschlags 2010.
Franziskus präsentiert sich vor der politischen Elite im Präsidentenpalast bescheiden, aber in der Sache klar. Er mahnt zum Kampf gegen die „Plage der Korruption“und fordert eine Stärkung von Recht und Transparenz auch durch die staatlichen Institutionen, die diese schützen sollen. Inhaltlich können er und Staatspräsident Barham Salih sich die Hand reichen. Ihre beiden Reden waren absatzweise austauschbar. Auch Salih spricht Probleme wie Jugendarbeitslosigkeit und soziale Gerechtigkeit, Polarisierung und eine nötige Strukturreform im politischen System des Landes an.
Auch Franziskus zeigt die Ansicht, dass der Irak noch dabei ist, „das Fundament für eine demokratische Gesellschaft zu legen“. Dabei nimmt er auch die internationale Gemeinschaft in die Pflicht. Ihr komme „eine entscheidende Rolle bei der Förderung des Friedens in diesem Land und im gesamten Nahen Osten“zu. An die versammelten Diplomaten adressiert mahnt er, dem Irak nicht die freundschaftliche und helfende Hand zu entziehen, ohne jedoch dabei „politische oder ideologische Interessen durchzusetzen“.
Für den Papst, der die Geschwisterlichkeit aller Menschen zum Programm erhoben hat, ist die Priorität des Ich vor dem Wir ein Grundübel. „Genug mit Gewalt, Extremismus, Parteiungen und Intoleranz“, mahnt er in Bagdad. Er wirbt für eine plurale Gesellschaft. Den Beweis, dass das zum Wohl aller funktionieren kann, sollen die Christen antreten. Ihre Präsenz seit „uralten Zeiten“stelle ein reiches Erbe dar. Nötig seien dafür auch volle Rechte und die Teilnahmemöglichkeit am öffentlichen Leben.
Viele Christen haben diese Hoffnung abgeschrieben. Seit dem Sturz von Diktator Saddam Hussein 2003 ist die Mehrheit der einst bis zu 1,5 Millionen irakischen Christen geflohen oder emigriert. Heute leben im Irak bei einer Gesamtbevölkerung von 39 Millionen Menschen nur noch schätzungsweise 200 000 bis 400 000 Christen: „Wenn diese Entwicklung weitergeht, ist die Geschichte des Christentums im Irak bald zu Ende“, befürchtet der syrisch-katholische Pfarrer Georges Jahola im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, „und darum erhoffen wir uns vom Papst klare Zeichen der Ermutigung, hierzubleiben.“
Aber nicht nur auf deren Probleme ging der Papst im Präsidentenpalast ein, sondern auch auf die Jesiden, die durch die Terroristen des „Islamischen Staates“schwer verfolgt wurden. Sie hätten „unerhörte und unmenschliche Barbareien“erlitten.
An die eigenen Leute wandte er sich erst später in der syrisch-katholischen Kathedrale von Bagdad. Ende Oktober 2010 kamen dort bei einer Geiselnahme und einem anschließenden Massaker 48 Menschen ums Leben. „Ihr Tod erinnert uns nachdrücklich daran, dass Anstiftung zum Krieg, Haltungen von Hass, Gewalt und Blutvergießen mit den religiösen Lehren unvereinbar sind“, sagte Franziskus vor Klerikern und Kirchenmitarbeitern. Die Christengemeinde ermutigte er zum Einsatz für das Gemeinwohl – und sei sie „so klein wie ein Senfkorn“.
Am Samstag will Franziskus mit dem schiitischen Großajatollah Ali al-Sistani in Nadschaf zusammentreffen. Anschließend möchte er in Ur, der Heimat des biblischen Stammvaters Abraham, mit Vertretern unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften bekunden, „dass Religion der Sache von Frieden und Einheit unter den Kindern Gottes dienen muss“. Geschwisterlichkeit war ein Leitwort der ersten Botschaften des Papstes im Irak. Sein Besuch sei „eine Art Gottesgeschenk“, sagte einer der eingeladenen Diplomaten.
Im Nordirak will Franziskus am Sonntag in der Stadt Mossul als ehemaliger Hochburg der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) an die Opfer des Krieges erinnern und den christlichen Ort Karakosch besuchen. Zum Abschluss der Reise feiert er in der kurdischen Regionalhauptstadt Erbil eine Messe, zu der bis zu 10 000 Teilnehmer erwartet werden.