So unterschiedlich leuchtet die Impfampel
Zentrale Impfzentren haben häufiger Termine als Kreiszentren – Impftourismus ist die Folge
RAVENSBURG - Schwäbische.de hat vom 20. Februar bis zum 1. März Daten ausgewertet, die die Zahl freier Termine in Corona-Impfzentren der Region anzeigen. Auffällig ist, dass die Chancen auf einen Impftermin in den Zentralen Impfzentren Ulm und Rot am See deutlich größer sind als in Kreisimpfzentren der Region. Doch auch zwischen den Kreisimpfzentren zeigen sich Unterschiede. Woran das liegt und warum das den Impftourismus fördert.
Was ist die Impfampel und wie ist die Grafik entstanden?
Die Datenanalyse entstand mithilfe der Impftermin-Ampel von Schwäbische.de. Das System verarbeitet automatisch Daten des Impfterminservice der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der zentralen Anlaufstelle für Impftermine in Deutschland. Die Impftermin-Ampel zeigt an, ob in den jeweiligen Zentren derzeit Termine buchbar sind oder nicht. Aus diesen Daten kann analysiert werden, über welche Zeiträume Termine jeweils buchbar waren. Die Analyse zeigt jedoch nur, ob freie Termine zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung standen, nicht wie viele.
Warum hatten Zentrale Impfzentren durchgängig Termine zu vergeben?
Die Zentralen Impfzentren (ZIZ) in Ulm, Rot am See, aber auch Tübingen oder Stuttgart sind größer als Kreisimpfzentren (KIZ) und auf mehr Impfungen pro Tag ausgelegt. Auch die mobilen Impfteams der ZIZ sind besser ausgestattet. Daher erhalten diese mehr Impfstoff und können mehr Termine anbieten. Das gilt auch dann, wenn es mehr Impfstoff gibt. Das sei sinnvoll, sagt das Südwest-Sozialministerium, da die ZIZ gleich mehrere Landkreise versorgen und gut angebunden sind. Außerdem würden die derzeit noch begrenzten Impfstoffmengen es notwendig machen, dass die Impfungen zentral erfolgen. Die Zentralen und Kreisimpfzentren seien ein gemeinsames und unterstützendes System, so Robert Schwarz, Sprecher des Bodenseekreises. Es bringe wenig, diese in eine Art Konkurrenz zu setzen.
Warum soll sich nicht jeder in seinem Landkreis impfen lassen?
Die Zuordnung der Impfberechtigten zu einem Zentrum ist nicht an den Wohnort gebunden. Damit soll laut Sozialministerium sichergestellt werden, dass Bürger sich dort impfen lassen können, wo es für sie am geschicktesten ist. Außerdem wollen sich viele Menschen von Angehörigen begleiten lassen, so das Ministerium. Die bevorzugen dann jenes Impfzentrum, das in der Nähe dieser Angehörigen liegt.
Fördert das nicht den Impftourismus?
Die Bürger sind frei in der Entscheidung, wo sie sich impfen lassen. Gleichzeitig sind die ZIZ wie beispielsweise in Ulm und Rot am See besser ausgestattet und bieten im Vergleich zu den Kreisimpfzentren mehr Termine an. Das führt dazu, dass Menschen weite Wege fahren, um geimpft zu werden.
Dieser Impftourismus scheint für das Sozialministerium kein Problem zu sein. Die Unterschiede zwischen Zentralen- und Kreisimpfzentren seien weniger gravierend, als die Grafik vermittelt. Den Begriff Impftourismus findet ein Sprecher des Ministeriums außerdem unpassend: „Niemand würde wohl von Arzttourismus sprechen, nur weil man einen Spezialisten in einem anderen Landkreis aufsucht.“
Wie unterschiedlich werden Kreisimpfzentren beliefert?
Alle Kreisimpfzentren bekommen die gleichen Impfstoffmengen. „Das führt zu einer inakzeptablen Verteilung“, kritisierte der Ravensburger CDU-Stadtrat Rolf Engler in einem Brandbrief an Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). Ravensburg hat deutlich mehr Einwohner als die Nachbarkreise Biberach oder Sigmaringen, hat aber gleich viele Dosen zur Vefügung – das sei ungerecht. Laut Engler müsse der Königssteiner Schlüssel angewandt werden, der bereits vor einigen Jahren bei der gerechten Verteilung der Geflüchteten geholfen habe.
Das Sozialministerium verteidigt die Strategie: Da die Zuordnung der Impfberechtigten nicht an den Wohnort gebunden ist, sei es sinnvoll, dass alle Kreisimpfzentren die gleiche Menge bekommen. Und auch auf das Kriterium der Bevölkerungsdichte gehe die Planung ein: Die sechs bevölkerungsreichsten Stadtund Landkreise haben nämlich jeweils zwei Kreisimpfzentren, alle anderen Landkreise nur eines. „Wir wissen, dass es zu wenig Impfdosen für alle gibt. Eine besondere Benachteiligung bestimmter Regionen können wir jedoch nicht ausmachen.“
Warum zeigen sich dann trotzdem Unterschiede zwischen den Kreisimpfzentren?
Jedes Kreisimpfzentrum bekommt die gleiche Menge an Impfdosen, das Innenmisterium geht außerdem davon aus, dass überall alle Dosen verimpft werden. Trotzdem zeigt die Grafik Unterschiede. Im Zeitraum zwischen dem 20. Februar und 1. März war die Chance auf einen Termin in Ehingen oder Hohentengen höher als beispielsweise in Ravensburg oder Friedrichshafen.
Das Sozialministerium und die Landkreise Sigmaringen, Alb-Donau und Bodensee sehen mehrere Möglichkeiten für diese Diskrepanz. Beispielsweise nutzen die Impfzentren ihren mobilen Impfservice auf unterschiedliche Weise – nur ein Teil der Impfstoffdosen, die ein Zentrum bekommt, taucht also überhaupt als Termin in der Buchung auf. Außerdem geben manche Zentren ihre Termine häufiger und in kleinen Mengen an den Impfterminservice weiter, andere derweil sehr viele Termine auf einmal. Außerdem sind die Zentren im besagten Zeitraum unterschiedlich mit der Einführung des Astra-Zeneca-Impfstoffes verfahren. Daneben sind externe Faktoren denkbar, wie eine besonders hohe Nachfrage bei einzelnen Zentren, etwa aufgrund guter Erreichbarkeit.