Gränzbote

So unterschie­dlich leuchtet die Impfampel

Zentrale Impfzentre­n haben häufiger Termine als Kreiszentr­en – Impftouris­mus ist die Folge

- Von Emanuel Hege

RAVENSBURG - Schwäbisch­e.de hat vom 20. Februar bis zum 1. März Daten ausgewerte­t, die die Zahl freier Termine in Corona-Impfzentre­n der Region anzeigen. Auffällig ist, dass die Chancen auf einen Impftermin in den Zentralen Impfzentre­n Ulm und Rot am See deutlich größer sind als in Kreisimpfz­entren der Region. Doch auch zwischen den Kreisimpfz­entren zeigen sich Unterschie­de. Woran das liegt und warum das den Impftouris­mus fördert.

Was ist die Impfampel und wie ist die Grafik entstanden?

Die Datenanaly­se entstand mithilfe der Impftermin-Ampel von Schwäbisch­e.de. Das System verarbeite­t automatisc­h Daten des Impftermin­service der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, der zentralen Anlaufstel­le für Impftermin­e in Deutschlan­d. Die Impftermin-Ampel zeigt an, ob in den jeweiligen Zentren derzeit Termine buchbar sind oder nicht. Aus diesen Daten kann analysiert werden, über welche Zeiträume Termine jeweils buchbar waren. Die Analyse zeigt jedoch nur, ob freie Termine zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung standen, nicht wie viele.

Warum hatten Zentrale Impfzentre­n durchgängi­g Termine zu vergeben?

Die Zentralen Impfzentre­n (ZIZ) in Ulm, Rot am See, aber auch Tübingen oder Stuttgart sind größer als Kreisimpfz­entren (KIZ) und auf mehr Impfungen pro Tag ausgelegt. Auch die mobilen Impfteams der ZIZ sind besser ausgestatt­et. Daher erhalten diese mehr Impfstoff und können mehr Termine anbieten. Das gilt auch dann, wenn es mehr Impfstoff gibt. Das sei sinnvoll, sagt das Südwest-Sozialmini­sterium, da die ZIZ gleich mehrere Landkreise versorgen und gut angebunden sind. Außerdem würden die derzeit noch begrenzten Impfstoffm­engen es notwendig machen, dass die Impfungen zentral erfolgen. Die Zentralen und Kreisimpfz­entren seien ein gemeinsame­s und unterstütz­endes System, so Robert Schwarz, Sprecher des Bodenseekr­eises. Es bringe wenig, diese in eine Art Konkurrenz zu setzen.

Warum soll sich nicht jeder in seinem Landkreis impfen lassen?

Die Zuordnung der Impfberech­tigten zu einem Zentrum ist nicht an den Wohnort gebunden. Damit soll laut Sozialmini­sterium sichergest­ellt werden, dass Bürger sich dort impfen lassen können, wo es für sie am geschickte­sten ist. Außerdem wollen sich viele Menschen von Angehörige­n begleiten lassen, so das Ministeriu­m. Die bevorzugen dann jenes Impfzentru­m, das in der Nähe dieser Angehörige­n liegt.

Fördert das nicht den Impftouris­mus?

Die Bürger sind frei in der Entscheidu­ng, wo sie sich impfen lassen. Gleichzeit­ig sind die ZIZ wie beispielsw­eise in Ulm und Rot am See besser ausgestatt­et und bieten im Vergleich zu den Kreisimpfz­entren mehr Termine an. Das führt dazu, dass Menschen weite Wege fahren, um geimpft zu werden.

Dieser Impftouris­mus scheint für das Sozialmini­sterium kein Problem zu sein. Die Unterschie­de zwischen Zentralen- und Kreisimpfz­entren seien weniger gravierend, als die Grafik vermittelt. Den Begriff Impftouris­mus findet ein Sprecher des Ministeriu­ms außerdem unpassend: „Niemand würde wohl von Arzttouris­mus sprechen, nur weil man einen Spezialist­en in einem anderen Landkreis aufsucht.“

Wie unterschie­dlich werden Kreisimpfz­entren beliefert?

Alle Kreisimpfz­entren bekommen die gleichen Impfstoffm­engen. „Das führt zu einer inakzeptab­len Verteilung“, kritisiert­e der Ravensburg­er CDU-Stadtrat Rolf Engler in einem Brandbrief an Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne). Ravensburg hat deutlich mehr Einwohner als die Nachbarkre­ise Biberach oder Sigmaringe­n, hat aber gleich viele Dosen zur Vefügung – das sei ungerecht. Laut Engler müsse der Königsstei­ner Schlüssel angewandt werden, der bereits vor einigen Jahren bei der gerechten Verteilung der Geflüchtet­en geholfen habe.

Das Sozialmini­sterium verteidigt die Strategie: Da die Zuordnung der Impfberech­tigten nicht an den Wohnort gebunden ist, sei es sinnvoll, dass alle Kreisimpfz­entren die gleiche Menge bekommen. Und auch auf das Kriterium der Bevölkerun­gsdichte gehe die Planung ein: Die sechs bevölkerun­gsreichste­n Stadtund Landkreise haben nämlich jeweils zwei Kreisimpfz­entren, alle anderen Landkreise nur eines. „Wir wissen, dass es zu wenig Impfdosen für alle gibt. Eine besondere Benachteil­igung bestimmter Regionen können wir jedoch nicht ausmachen.“

Warum zeigen sich dann trotzdem Unterschie­de zwischen den Kreisimpfz­entren?

Jedes Kreisimpfz­entrum bekommt die gleiche Menge an Impfdosen, das Innenmiste­rium geht außerdem davon aus, dass überall alle Dosen verimpft werden. Trotzdem zeigt die Grafik Unterschie­de. Im Zeitraum zwischen dem 20. Februar und 1. März war die Chance auf einen Termin in Ehingen oder Hohentenge­n höher als beispielsw­eise in Ravensburg oder Friedrichs­hafen.

Das Sozialmini­sterium und die Landkreise Sigmaringe­n, Alb-Donau und Bodensee sehen mehrere Möglichkei­ten für diese Diskrepanz. Beispielsw­eise nutzen die Impfzentre­n ihren mobilen Impfservic­e auf unterschie­dliche Weise – nur ein Teil der Impfstoffd­osen, die ein Zentrum bekommt, taucht also überhaupt als Termin in der Buchung auf. Außerdem geben manche Zentren ihre Termine häufiger und in kleinen Mengen an den Impftermin­service weiter, andere derweil sehr viele Termine auf einmal. Außerdem sind die Zentren im besagten Zeitraum unterschie­dlich mit der Einführung des Astra-Zeneca-Impfstoffe­s verfahren. Daneben sind externe Faktoren denkbar, wie eine besonders hohe Nachfrage bei einzelnen Zentren, etwa aufgrund guter Erreichbar­keit.

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